23.03.2018

Managementbewertung: Was fordert die ISO 9001:2015?

Jedes Jahr aufs Neue bemühen sich Unternehmen, die Forderung nach einer normgerechten Managementbewertung (auch Managementreview genannt) zu erfüllen. Meist liegt der Hauptaufwand dabei beim QMB. Doch nur selten habe ich einen Manager getroffen, der dieses Instrument als eine Hilfestellung beim Führen seines Unternehmens wahrgenommen hat. Lassen Sie uns diesen Umstand ändern.

Managementbewertung, eine Anforderung der ISO 9001:2015

Wer muss es tun?

Die Norm ist hier sehr deutlich. So heißt es „Die  oberste Leitung muss das Qualitätsmanagementsystem  der Organisation in geplanten Abständen  bewerten …“. Da die oberste Leitung das  eigentliche Führungsgremium des Unternehmens,  also die Geschäftsleitung bzw. der Vorstand ist,  ist es auch deren Aufgabe, die Bewertung durchzuführen.  Der QMB oder andere Personen dürfen  lediglich Vorarbeiten leisten oder aber die Managementbewertung  beratend begleiten.

Wie oft muss eine Managementbewertung durchgeführt werden?

Hier gibt es leider schon seit vielen Jahren eine  Diskrepanz zwischen dem, was die Norm und  somit das ISO-Komitee fordert, und dem, was  Zertifizierungsgesellschaften daraus machen. Die  Norm schreibt „in geplanten Abständen bewerten“.  Nun könnte man auch meinen, dass eine  Bewertung, die alle 3 Jahre geplant und auch  durchgeführt wird, demnach durchaus als normgerecht  angesehen wird. Doch weit gefehlt. Zertifizierungsgesellschaften  fordern durch die Bank weg eine jährliche  Durchführung ein.

Expertentipp

Prüfen Sie doch einmal Ihre Verträge mit der Zertifizierungsgesellschaft. Einige Zertifizierer schreiben die Forderung nach jährlichen Audits und einer jährlich durchzuführenden Managementbewertung in ihre Verträge mit den Kunden hinein. Ein ausgesprochen zweifelhaftes Vorgehen, da es bei einer Zertifizierung doch um eine Bestätigung der Normkonformität geht und diese Forderung nicht existiert. Es verwundert daher auch, dass Unternehmen noch nicht dagegen vorgegangen sind.

 Managementbewertung ist mehr als eine nutzlose Pflichtübung

Aber wofür soll denn eine Managementbewertung  überhaupt gut sein? Letztlich soll die Managementbewertung  der Unternehmensführung  Einblicke ins QM geben und verdeutlichen, dass  ein gut geführtes QM-System unmittelbar mit dem  Erfolg des Unternehmens verknüpft ist. In der Vergangenheit  wurde diese Aufgabe aber meist nur  als lästige Pflicht gesehen, die möglichst an den  QMB delegiert wurde. Die Aufgabe der Führung  bestand dann lediglich im Lesen und Unterzeichnen  der Managementbewertung. Dieses Vorgehen  ist so sicherlich nicht von der ISO vorgesehen worden.  Vielmehr will man mit diesem Punkt noch  einmal die Verantwortung der obersten Leitung  für das Managementsystem darstellen.

Geforderte Inhalte geändert

Bezüglich der Inhalte des Reviews hat sich einiges  geändert. In der ISO 9001:2008 waren genau 7 Inhalte  verpflichtend:

  1. Ergebnisse von Audits
  2. Rückmeldungen von Kunden
  3. Prozessleistung/Produktkonformität
  4. Status von Korrektur- und Vorbeugemaßnahmen
  5. Folgemaßnahmen der letzten Reviews
  6. Änderungen, die sich auf das QM auswirken können
  7. Empfehlungen für Verbesserungen

Hat ein Unternehmen einen oder mehrere dieser  Punkte nicht berücksichtigt, wurde daraus nicht  selten eine Nebenabweichung.

Neue Inhalte optional

Die in meinen Augen wichtigste Änderung findet  sich in folgendem Satz wieder „Die Managementbewertung  muss geplant werden, unter Erwägung  folgender Aspekte: (…)“. Auch wenn Zertifizierer  das zum Teil anders sehen. Gemeint ist hiermit,  dass Sie anhand der nachfolgenden Aufzählung  für sich individuell bewerten dürfen, ob die einzelnen  Punkte Bestandteil Ihres Reviews werden  oder eben nicht. Lassen Sie sich nicht auf faule  Kompromisse ein, die Ihnen nur Mehrarbeit bescheren.

Achtung

Das bedeutet aber auch, dass es für den Zertifizierungsauditor künftig sehr schwer sein wird, im Rahmen der Managementbewertung Nebenabweichungen zu formulieren. Letztlich sollten Sie nur gut begründen können, warum Sie sich gegen den ein oder anderen Punkt für die Agenda Ihrer Bewertung entschieden haben.

 Zusätzliche Aspekte

Als weitere Themen für die Managementbewertung  wurden Folgende benannt:

  • Rückmeldungen von interessierten Parteien (als Ergänzung zur Kundenzufriedenheit)
  • Erreichungsgrad/-quote der Qualitätsziele
  • Ergebnisse der Überwachungen/Messungen
  • Leistungen externer Anbieter bspw. Lieferantenbewertung
  • Wirksamkeit von durchgeführten Maßnahmen zum Umgang mit Risiken und Chancen (inkl. bisheriger Vorbeugungsmaßnahmen).

 

Expertentipp

Bei der Betrachtung der Inhalte muss man sich allerdings die Frage stellen, ob es wirklich  Führungskräfte gibt, die sich bspw. den  Stand der Reklamationen  oder Kennzahlen zur Prozessleistung regelmäßig anschauen. Dies trifft in der Regel nur auf Vorstände von großen Unternehmen zu, wobei auch hier häufig Quartalsberichte die wesentlichen Informationen liefern.

Geänderte oder erweiterte Anforderungen

Zusätzlich zu den Korrekturmaßnahmen sollen  künftig auch die Nichtkonformitäten betrachtet  werden. Dies macht Sinn, da meist nicht für jeden  Fehler auch Maßnahmen eingeleitet werden. Die  bisher geforderten Änderungen, die sich auf das  QM-System auswirken können, werden künftig in  Verbindung mit den internen und externen Themen  betrachtet.

Bessere Lösung

Daher stelle ich in meinen Unternehmen meist die  Frage, wann die Führung über die einzelnen Aspekte  informiert wird und wie sie mit den Informationen  umgeht. Häufig ist es so, dass sich die oberste  Leitung zumindest monatlich (in kleineren KMU sogar  wöchentlich) mit ihrer zweiten Führungsebene  zusammensetzt und alles Wichtige  bespricht.

Ergebnisse sind gefragt

Eine Managementbewertung ist keine Plauderrunde,  wo man einfach mal über alles spricht  und dann auseinandergeht. Die Norm fordert hier  klare Ergebnisse. So müssen Möglichkeiten für  Verbesserungen aufgezeigt und Entscheidungen  dazu getroffen werden. Auch müssen erforderliche  Anpassungen des QM-Systems aufgezeigt und  mit konkreten Maßnahmen in Angriff genommen  werden. Da die meisten Veränderungen nicht ohne  finanzielle oder personelle Ressourcen zu realisieren  sind, muss der Bedarf definiert und von der  obersten Leitung auch bewilligt werden. Bei der  nächsten Bewertung werden dann der Status der  Maßnahmen sowie die Wirksamkeit bewertet.

Achtung

Einer meiner Kunden hat ein solches monatliches Meeting als Review deklariert und dafür keine Managementbewertung mehr durchgeführt. Dem Auditor hat das Vorgehen gut gefallen. Allerdings sagte er dann zu mir als externer QMB „Es wäre schön, wenn Sie für mich eine Zusammenfassung der 12 Monate erstellen könnten.“ Reagieren Sie auf solche Forderungen mit Bedacht. Hat Ihre Führung durch die Zusammenfassung einen Mehrwert? Wenn nicht, lassen Sie sich darauf nicht ein – auch ohne Zusammenfassung sind Sie normkonform.

 

Ein Maschinenbauer aus Baden-Württemberg hat vor über 4 Jahren einen Jour ins Leben gerufen. Hier treffen sich die beiden Geschäftsführer (einer kaufmännisch, einer technisch) jeden ersten Montag im Monat mit ihren Abteilungsleitern.  Eine feste Agenda gibt den Rahmen vor, wird aber durch vorherige Eingaben der Mitarbeiter ggf. noch erweitert.

Die Agenda sieht folgende Punkte vor:

  1. Offene Punkte aus dem letzten Jour fixe
  2. Liste der internen und externen Themen (aktueller Status, neue/erledigte Themen)
  1. Thema Markt
    1. Umfeld
    2. Marktbegleiter
    3. Preisentwicklung
  2. Thema Vertrieb
    1. 3-Monats-Forecast
    2. Kennzahlen aus dem Betriebsinformationssystem
    3. Rückmeldungen von Kunden
    4. Highlights an Neukunden
    5. Analyse verlorener Kunden
    6. Performance Außendienst
    7. Status aktueller Projekte
  3. Thema QM
    1. Kundenreklamationen Vormonat inkl. Maßnahmen
    2. Lieferantenreklamationen Vormonat inkl. Maßnahmen
    3. Terminüberschreitungen Vormonat
    4. Interne Abweichungen Vormonat
    5. Qualitätskosten Vormonat/kumuliert
    6. Ordnung/Sauberkeit/5S
    7. Ideenmanagement/Verbesserungen(aktueller Stand, neue Eingaben)
    8. Wenn vorhanden: Ergebnisse aus Audits des Vormonats
  1. Thema Arbeitssicherheit/Personal
    1. Unfallreport
    2. Lessons Learned/Maßnahmen
    3. Besondere Vorkommnisse
    4. Krankenstand aktuell/kumuliert
    5. Wenn vorhanden: Ergebnisse Mitarbeiterbefragung und Maßnahmen daraus
  1. Thema Umwelt
    1. Besondere Vorkommnisse/Nachbarschaftsbeschwerden
    2. Einhaltung der Vorgaben
    3. Änderungen von Gesetzen, Auflagen etc.
    4. Chancen und Risiken
    5. Neue oder veränderte Chancen und Risiken
    6. Status der Maßnahmen

Bei jedem Jour fix werden also eine Vielzahl von  Normpunkten automatisch besprochen. Eine  zusätzliche Managementbewertung liefert daher  dem Unternehmen keinen Mehrwert.

Autor*in: Stefanie Gertz