Managementbewertung: Was fordert die ISO 9001:2015?
Jedes Jahr aufs Neue bemühen sich Unternehmen, die Forderung nach einer normgerechten Managementbewertung (auch Managementreview genannt) zu erfüllen. Meist liegt der Hauptaufwand dabei beim QMB. Doch nur selten habe ich einen Manager getroffen, der dieses Instrument als eine Hilfestellung beim Führen seines Unternehmens wahrgenommen hat. Lassen Sie uns diesen Umstand ändern.
Wer muss es tun?
Die Norm ist hier sehr deutlich. So heißt es „Die oberste Leitung muss das Qualitätsmanagementsystem der Organisation in geplanten Abständen bewerten …“. Da die oberste Leitung das eigentliche Führungsgremium des Unternehmens, also die Geschäftsleitung bzw. der Vorstand ist, ist es auch deren Aufgabe, die Bewertung durchzuführen. Der QMB oder andere Personen dürfen lediglich Vorarbeiten leisten oder aber die Managementbewertung beratend begleiten.
Wie oft muss eine Managementbewertung durchgeführt werden?
Hier gibt es leider schon seit vielen Jahren eine Diskrepanz zwischen dem, was die Norm und somit das ISO-Komitee fordert, und dem, was Zertifizierungsgesellschaften daraus machen. Die Norm schreibt „in geplanten Abständen bewerten“. Nun könnte man auch meinen, dass eine Bewertung, die alle 3 Jahre geplant und auch durchgeführt wird, demnach durchaus als normgerecht angesehen wird. Doch weit gefehlt. Zertifizierungsgesellschaften fordern durch die Bank weg eine jährliche Durchführung ein.
Expertentipp
Prüfen Sie doch einmal Ihre Verträge mit der Zertifizierungsgesellschaft. Einige Zertifizierer schreiben die Forderung nach jährlichen Audits und einer jährlich durchzuführenden Managementbewertung in ihre Verträge mit den Kunden hinein. Ein ausgesprochen zweifelhaftes Vorgehen, da es bei einer Zertifizierung doch um eine Bestätigung der Normkonformität geht und diese Forderung nicht existiert. Es verwundert daher auch, dass Unternehmen noch nicht dagegen vorgegangen sind.
Managementbewertung ist mehr als eine nutzlose Pflichtübung
Aber wofür soll denn eine Managementbewertung überhaupt gut sein? Letztlich soll die Managementbewertung der Unternehmensführung Einblicke ins QM geben und verdeutlichen, dass ein gut geführtes QM-System unmittelbar mit dem Erfolg des Unternehmens verknüpft ist. In der Vergangenheit wurde diese Aufgabe aber meist nur als lästige Pflicht gesehen, die möglichst an den QMB delegiert wurde. Die Aufgabe der Führung bestand dann lediglich im Lesen und Unterzeichnen der Managementbewertung. Dieses Vorgehen ist so sicherlich nicht von der ISO vorgesehen worden. Vielmehr will man mit diesem Punkt noch einmal die Verantwortung der obersten Leitung für das Managementsystem darstellen.
Geforderte Inhalte geändert
Bezüglich der Inhalte des Reviews hat sich einiges geändert. In der ISO 9001:2008 waren genau 7 Inhalte verpflichtend:
- Ergebnisse von Audits
- Rückmeldungen von Kunden
- Prozessleistung/Produktkonformität
- Status von Korrektur- und Vorbeugemaßnahmen
- Folgemaßnahmen der letzten Reviews
- Änderungen, die sich auf das QM auswirken können
- Empfehlungen für Verbesserungen
Hat ein Unternehmen einen oder mehrere dieser Punkte nicht berücksichtigt, wurde daraus nicht selten eine Nebenabweichung.
Neue Inhalte optional
Die in meinen Augen wichtigste Änderung findet sich in folgendem Satz wieder „Die Managementbewertung muss geplant werden, unter Erwägung folgender Aspekte: (…)“. Auch wenn Zertifizierer das zum Teil anders sehen. Gemeint ist hiermit, dass Sie anhand der nachfolgenden Aufzählung für sich individuell bewerten dürfen, ob die einzelnen Punkte Bestandteil Ihres Reviews werden oder eben nicht. Lassen Sie sich nicht auf faule Kompromisse ein, die Ihnen nur Mehrarbeit bescheren.
Achtung
Das bedeutet aber auch, dass es für den Zertifizierungsauditor künftig sehr schwer sein wird, im Rahmen der Managementbewertung Nebenabweichungen zu formulieren. Letztlich sollten Sie nur gut begründen können, warum Sie sich gegen den ein oder anderen Punkt für die Agenda Ihrer Bewertung entschieden haben.
Zusätzliche Aspekte
Als weitere Themen für die Managementbewertung wurden Folgende benannt:
- Rückmeldungen von interessierten Parteien (als Ergänzung zur Kundenzufriedenheit)
- Erreichungsgrad/-quote der Qualitätsziele
- Ergebnisse der Überwachungen/Messungen
- Leistungen externer Anbieter bspw. Lieferantenbewertung
- Wirksamkeit von durchgeführten Maßnahmen zum Umgang mit Risiken und Chancen (inkl. bisheriger Vorbeugungsmaßnahmen).
Expertentipp
Bei der Betrachtung der Inhalte muss man sich allerdings die Frage stellen, ob es wirklich Führungskräfte gibt, die sich bspw. den Stand der Reklamationen oder Kennzahlen zur Prozessleistung regelmäßig anschauen. Dies trifft in der Regel nur auf Vorstände von großen Unternehmen zu, wobei auch hier häufig Quartalsberichte die wesentlichen Informationen liefern.
Geänderte oder erweiterte Anforderungen
Zusätzlich zu den Korrekturmaßnahmen sollen künftig auch die Nichtkonformitäten betrachtet werden. Dies macht Sinn, da meist nicht für jeden Fehler auch Maßnahmen eingeleitet werden. Die bisher geforderten Änderungen, die sich auf das QM-System auswirken können, werden künftig in Verbindung mit den internen und externen Themen betrachtet.
Bessere Lösung
Daher stelle ich in meinen Unternehmen meist die Frage, wann die Führung über die einzelnen Aspekte informiert wird und wie sie mit den Informationen umgeht. Häufig ist es so, dass sich die oberste Leitung zumindest monatlich (in kleineren KMU sogar wöchentlich) mit ihrer zweiten Führungsebene zusammensetzt und alles Wichtige bespricht.
Ergebnisse sind gefragt
Eine Managementbewertung ist keine Plauderrunde, wo man einfach mal über alles spricht und dann auseinandergeht. Die Norm fordert hier klare Ergebnisse. So müssen Möglichkeiten für Verbesserungen aufgezeigt und Entscheidungen dazu getroffen werden. Auch müssen erforderliche Anpassungen des QM-Systems aufgezeigt und mit konkreten Maßnahmen in Angriff genommen werden. Da die meisten Veränderungen nicht ohne finanzielle oder personelle Ressourcen zu realisieren sind, muss der Bedarf definiert und von der obersten Leitung auch bewilligt werden. Bei der nächsten Bewertung werden dann der Status der Maßnahmen sowie die Wirksamkeit bewertet.
Achtung
Einer meiner Kunden hat ein solches monatliches Meeting als Review deklariert und dafür keine Managementbewertung mehr durchgeführt. Dem Auditor hat das Vorgehen gut gefallen. Allerdings sagte er dann zu mir als externer QMB „Es wäre schön, wenn Sie für mich eine Zusammenfassung der 12 Monate erstellen könnten.“ Reagieren Sie auf solche Forderungen mit Bedacht. Hat Ihre Führung durch die Zusammenfassung einen Mehrwert? Wenn nicht, lassen Sie sich darauf nicht ein – auch ohne Zusammenfassung sind Sie normkonform.
Ein Maschinenbauer aus Baden-Württemberg hat vor über 4 Jahren einen Jour ins Leben gerufen. Hier treffen sich die beiden Geschäftsführer (einer kaufmännisch, einer technisch) jeden ersten Montag im Monat mit ihren Abteilungsleitern. Eine feste Agenda gibt den Rahmen vor, wird aber durch vorherige Eingaben der Mitarbeiter ggf. noch erweitert.
Die Agenda sieht folgende Punkte vor:
- Offene Punkte aus dem letzten Jour fixe
- Liste der internen und externen Themen (aktueller Status, neue/erledigte Themen)
- Thema Markt
- Umfeld
- Marktbegleiter
- Preisentwicklung
- Thema Vertrieb
- 3-Monats-Forecast
- Kennzahlen aus dem Betriebsinformationssystem
- Rückmeldungen von Kunden
- Highlights an Neukunden
- Analyse verlorener Kunden
- Performance Außendienst
- Status aktueller Projekte
- Thema QM
- Kundenreklamationen Vormonat inkl. Maßnahmen
- Lieferantenreklamationen Vormonat inkl. Maßnahmen
- Terminüberschreitungen Vormonat
- Interne Abweichungen Vormonat
- Qualitätskosten Vormonat/kumuliert
- Ordnung/Sauberkeit/5S
- Ideenmanagement/Verbesserungen(aktueller Stand, neue Eingaben)
- Wenn vorhanden: Ergebnisse aus Audits des Vormonats
- Thema Arbeitssicherheit/Personal
- Unfallreport
- Lessons Learned/Maßnahmen
- Besondere Vorkommnisse
- Krankenstand aktuell/kumuliert
- Wenn vorhanden: Ergebnisse Mitarbeiterbefragung und Maßnahmen daraus
- Thema Umwelt
- Besondere Vorkommnisse/Nachbarschaftsbeschwerden
- Einhaltung der Vorgaben
- Änderungen von Gesetzen, Auflagen etc.
- Chancen und Risiken
- Neue oder veränderte Chancen und Risiken
- Status der Maßnahmen
Bei jedem Jour fix werden also eine Vielzahl von Normpunkten automatisch besprochen. Eine zusätzliche Managementbewertung liefert daher dem Unternehmen keinen Mehrwert.