06.04.2018

Fehlerkultur: Mit gutem Beispiel voran!

Die Vermeidung von Fehlern ist eine der wichtigsten Anforderungen im Qualitätsmanagement. Nicht umsonst hat sich deshalb auch die Null-Fehler-Strategie als wichtiger Bestandteil des Produktions-KVP bzw. Kaizen etablieren können. Was ist aber mit Fehlern, die Sie beim Führungsverhalten oder bei wirtschaftlichen Entscheidungen begehen? Der nachfolgende Beitrag zeigt, wie Sie mit Ihren eigenen Fehlern besser umgehen.

Fehlerkultura: Fürhungskräft sollten zu ihren Fehlern stehen und damit Vorbild sein

Führungskräfte streiten Existenz eigener Fehler seltener ab

Vor einigen Jahren waren die meisten Führungskräfte  noch rundweg der Meinung, dass  sie keine Fehler machen – so die Erkenntnis des renommierten  Psychologen Prof. Dr. Michael Frese,  der die Fehlerkultur in deutschen Unternehmen  seit vielen Jahren untersucht (O-Ton Frese: „In  Deutschland ist es leichter, Forschung über das  Sexualverhalten älterer Manager zu betreiben, als  über ihre Fehler“ ). Dies habe sich aber geändert –  die Existenz der eigenen Fehler werde nicht länger  grundsätzlich geleugnet, es kommt allerdings auf  den richtigen Umgang damit an.

Prof. Dr. Michael Frese  lehrt Wirtschaftspsychologie  an der Leuphana  Universität in Lüneburg  und an der Business  School der Nationaluniversität  Singapur. Er  forscht zu Arbeitslosigkeit,  Unternehmertum,  Innovation und Fehlern  im Unternehmen.

https://www.leuphana.de/

Fehlertoleranz gegenüber Mitarbeitern oft noch mangelhaft

Fehler werden schon in der Schule mit einer  schlechten Note bestraft, Fehlerlosigkeit dagegen  mit einer guten Note belohnt. Betrachtet man den  Umgang mit Mitarbeiterfehlern in vielen Unternehmen,  drängt sich der Eindruck auf, dass hier  ähnlich verfahren wird. Treten Fehler auf, wird  zunächst gern ein einzelner „Schuldiger“ gesucht,  den man dann als Sündenbock nutzen kann. Je  weiter unten in der Hierarchie die Verantwortlichkeit  zugewiesen werden kann, desto besser – dann  bleiben die Vorgesetzten oder Strukturverantwortlichen  nämlich außerhalb der Schusslinie. Außerdem  ist auch Fehlervertuschung beliebt, ganz nach  dem Grundsatz „wer nichts macht, macht auch keine  Fehler und wird befördert“.

Fehler werden selten „gemacht“

Wir sagen üblicherweise, dass Fehler gemacht  werden. „Machen“ suggeriert absichtsvolles und  geplantes Handeln – darum dürfte es sich bei den  wenigsten Fehlern im unternehmerischen Alltag  handeln. Fehler „passieren“ den meisten eher  („shit happens“), häufig durch Unkenntnis, Nachlässigkeit  oder pure Fehlvorstellungen. Es hilft hier  kaum, den Betroffenen anzuklagen.

Anders sieht es aus, wenn es sich um einen wiederholten Fehler handelt. Nachsicht ist meist fehl am Platz, wenn einem Mitarbeiter zweimal derselbe Fehler unterläuft.

Fehler lassen sich nutzen

Im Unternehmen sollte das Auftreten eines Fehlers  genutzt werden, um daraus zu lernen. Zum  einen wird so auffällig, was getan werden kann,  um genau einen solchen Fehler in Zukunft zu vermeiden  (Stichworte: Verbesserungspotenzial und  Risikominimierung). Zum anderen können sich –  aufgrund der Beschäftigung mit einem gemachten  Fehler – auch durchaus neue Varianten und Optionen  ergeben, an die man sonst nie gedacht hätte.  Hier schlummert ebenfalls ein ganzer Schatz an  Möglichkeiten. Denken sie bspw. an die biologische  Evolution: Genmutationen sorgen für eine Vielfalt  der Spezies, die ihr Überleben in der jeweiligen  Umgebung unter Beweis stellen müssen. Dieses  Prinzip des Trial and Error ist auch im wissenschaftlichen  Umfeld gang und gäbe.

Fehlerkultur ist das Zauberwort

Fehler zeigen uns im Unternehmen immer, dass  etwas fehlt. Sie bergen die Chance zur Weiterentwicklung  und beschleunigen den Fortschritt.  Selbstverständlich sollte der Fehler niemals so folgenschwer  sein, dass eine positive Weiterentwicklung  unmöglich und ggf. das ganze Unternehmen  vernichtet wird. Damit das Unternehmen Nutzen  aus Fehlern ziehen kann, ist die Schaffung einer  positiven Fehlerkultur wichtig. Dazu sollten Sie  fünf Grundsätze beherzigen.

Fehler „dürfen“ gemacht werden

Akzeptieren Sie, dass Menschen Fehler machen –  anderenfalls ist die Gefahr groß, dass Fehler vertuscht  werden.

Dies findet natürlich immer seine Grenzen, wenn  es um das Leben oder die Gesundheit geht. Beim  Arbeitsschutz ist bspw. eine Null-Fehler-Strategie  nicht nur oberste Richtschnur, sondern zwingend.

Vorgesetzte sind Vorbilder

Viele Vorgesetzte unterschätzen, dass sie den meisten Mitarbeitern durchaus als Vorbilder dienen. Kommunizieren Sie offen, dass auch Sie nicht fehlerfrei sind.

Fehlereingeständnisse respektieren

Fördern Sie eine offene Kommunikation untereinander. Zeigen Sie besondere Wertschätzung, wenn Mitarbeiter unaufgefordert Fehler eingestehen.

Feedback geben

Geben Sie ein sachliches und faires Feedback. Scharfe Kritik ist natürlich ggf. nötig, wenn es sich um einen Wiederholungsfehler handelt. Hier können ggf. auch arbeitsrechtliche Sanktionen (bspw. eine Abmahnung) angebracht sein.

Die eigenen Fehler nicht verschweigen

Ganz klar – Fehler des Vorgesetzten sind schädlich für das eigene Image, ggf. auch für das Unternehmen. Trotzdem hilft es meist wenig, sie unter den Teppich zu kehren. Hier sollten Sie zunächst analysieren, ob es richtig ist, einen Fehler intern oder extern zu kommunizieren.

Fehler mit innerbetrieblichen Auswirkungen sollten intern behandelt werden

Geht es allein um innerbetriebliche Belange, sollten diese auch intern bleiben. Wenn Ihr Fehler lediglich zu einer Störung des internen Arbeitsoder Produktionsablaufs geführt hat, sollte dieser Fehler auch im diesbezüglichen Personenkreis behandelt und genau dort besprochen werden. Wird allerdings dadurch die betriebliche Produktivität nennenswert beeinträchtigt, ist es unumgänglich auch Ihre jeweilig verantwortlichen Vorgesetzten davon zu informieren.

Achtung

Tun Sie letzteres so schnell wie möglich. Es ist sicherlich ein Pluspunkt, wenn Sie Ihrem eigenen Vorgesetzten dabei schon eine Lösung präsentieren können und darauf hinweisen, wie Ihr Fehler künftig konkret vermieden werden kann.

Achten Sie auf funktionierende Kommunikationskanäle

Fehler passieren häufig durch mangelnde oder nicht rechtzeitige Kommunikation der Beteiligten. Zur Vermeidung von Fehlern ist es daher ratsam, auch auf die passenden Kommunikationskanäle zu achten. Bedenken Sie, dass Sie Produktionsmitarbeiter oder die Verwaltung in aller Regel gut vor Ort erreichen können, dies bei Montageeinsätzen (gerade im Ausland) aber durchaus Schwierigkeiten bereiten kann.

Kommunikation mit dem Kunden

Die Kommunikation mit dem B2B-Kunden ist bei Fehlern, die die Kundeninteressen berühren können, natürlich ein Muss. Kommt es aufgrund Ihres Fehlers bspw. zu Lieferverzögerungen oder Fehllieferungen, ist eine unverzügliche Information unglaublich wichtig – schließlich hat der Kunde seine Dispositionen im Vertrauen auf die Terminund Liefertreue ausgerichtet. Ein diesbezüglicher Zeitverlust führt meist dazu, dass der Schaden für den Kunden noch höher wird, je später er darauf reagieren kann.

Expertentipp

Inwiefern Sie bezüglich Ihrer eigenen Fehler hier ehrlich sind, lässt sich keinesfalls generalisieren. Es kommt immer auf den individuellen Einzelfall an. Wenn Sie hier zu „Notlügen“ greifen, sollten Sie auch bedenken, dass die meisten dieser Ausreden auch dem Kunden schon geläufig sind.

 

Kommunikation mit der Öffentlichkeit

Selbstverständlich müssen Sie bei sicherheitsrelevanten Fehlern sofort die Öffentlichkeit informieren, wenn die entsprechenden Produkte in den Verkehr geraten sind oder können. Dazu verpflichten Sie schon die gesetzlichen Produkthaftungsregeln. Dies gilt natürlich auch dann, wenn Ihnen selbst keine Fahrlässigkeit oder gar Vorsatz bezüglich des Fehlers vorgeworfen werden kann.

Fehler lassen sich auch für das Marketing nutzen

Kaum zu glauben, aber mit Fehlern können Sie unter bestimmten Umständen auch werben. Der britische Staubsaugerhersteller Dyson zeigt uns, wie man es richtig macht. Dyson wirbt mit der Geschichte, dass die Dyson-Ingenieure tausende von fehlerhaften Staubsaugern gebaut haben, bevor sie endlich ein Modell herstellen konnten, dass Schmutz und Staub mittels Fliehkraft beseitigen konnte. Dyson vermittelt so den Verbrauchern die Botschaft, wie schwierig das Problem ist und wie hart an seiner Lösung gearbeitet wird. Dieselbe Geschichte erzählen die Marketingexperten übrigens auch über ihren Haarfön – dort sollen mehr als 600 Fön-Prototypen verworfen worden sein, bis endlich ein Modell den strengen Anforderungen von Dyson genügte.

Dyson wirbt mit den vermeintlichen Fehlschlägen natürlich nicht während des jeweiligen Entwicklungsprozesses – erst wenn das Produkt Marktreife erreicht hat, wird die Werbetrommel gerührt.

Autor*in: Ernst Schneider