Fehlerkultur: Mit gutem Beispiel voran!
Die Vermeidung von Fehlern ist eine der wichtigsten Anforderungen im Qualitätsmanagement. Nicht umsonst hat sich deshalb auch die Null-Fehler-Strategie als wichtiger Bestandteil des Produktions-KVP bzw. Kaizen etablieren können. Was ist aber mit Fehlern, die Sie beim Führungsverhalten oder bei wirtschaftlichen Entscheidungen begehen? Der nachfolgende Beitrag zeigt, wie Sie mit Ihren eigenen Fehlern besser umgehen.
Führungskräfte streiten Existenz eigener Fehler seltener ab
Vor einigen Jahren waren die meisten Führungskräfte noch rundweg der Meinung, dass sie keine Fehler machen – so die Erkenntnis des renommierten Psychologen Prof. Dr. Michael Frese, der die Fehlerkultur in deutschen Unternehmen seit vielen Jahren untersucht (O-Ton Frese: „In Deutschland ist es leichter, Forschung über das Sexualverhalten älterer Manager zu betreiben, als über ihre Fehler“ ). Dies habe sich aber geändert – die Existenz der eigenen Fehler werde nicht länger grundsätzlich geleugnet, es kommt allerdings auf den richtigen Umgang damit an.
Prof. Dr. Michael Frese lehrt Wirtschaftspsychologie an der Leuphana Universität in Lüneburg und an der Business School der Nationaluniversität Singapur. Er forscht zu Arbeitslosigkeit, Unternehmertum, Innovation und Fehlern im Unternehmen.
Fehlertoleranz gegenüber Mitarbeitern oft noch mangelhaft
Fehler werden schon in der Schule mit einer schlechten Note bestraft, Fehlerlosigkeit dagegen mit einer guten Note belohnt. Betrachtet man den Umgang mit Mitarbeiterfehlern in vielen Unternehmen, drängt sich der Eindruck auf, dass hier ähnlich verfahren wird. Treten Fehler auf, wird zunächst gern ein einzelner „Schuldiger“ gesucht, den man dann als Sündenbock nutzen kann. Je weiter unten in der Hierarchie die Verantwortlichkeit zugewiesen werden kann, desto besser – dann bleiben die Vorgesetzten oder Strukturverantwortlichen nämlich außerhalb der Schusslinie. Außerdem ist auch Fehlervertuschung beliebt, ganz nach dem Grundsatz „wer nichts macht, macht auch keine Fehler und wird befördert“.
Fehler werden selten „gemacht“
Wir sagen üblicherweise, dass Fehler gemacht werden. „Machen“ suggeriert absichtsvolles und geplantes Handeln – darum dürfte es sich bei den wenigsten Fehlern im unternehmerischen Alltag handeln. Fehler „passieren“ den meisten eher („shit happens“), häufig durch Unkenntnis, Nachlässigkeit oder pure Fehlvorstellungen. Es hilft hier kaum, den Betroffenen anzuklagen.
Anders sieht es aus, wenn es sich um einen wiederholten Fehler handelt. Nachsicht ist meist fehl am Platz, wenn einem Mitarbeiter zweimal derselbe Fehler unterläuft.
Fehler lassen sich nutzen
Im Unternehmen sollte das Auftreten eines Fehlers genutzt werden, um daraus zu lernen. Zum einen wird so auffällig, was getan werden kann, um genau einen solchen Fehler in Zukunft zu vermeiden (Stichworte: Verbesserungspotenzial und Risikominimierung). Zum anderen können sich – aufgrund der Beschäftigung mit einem gemachten Fehler – auch durchaus neue Varianten und Optionen ergeben, an die man sonst nie gedacht hätte. Hier schlummert ebenfalls ein ganzer Schatz an Möglichkeiten. Denken sie bspw. an die biologische Evolution: Genmutationen sorgen für eine Vielfalt der Spezies, die ihr Überleben in der jeweiligen Umgebung unter Beweis stellen müssen. Dieses Prinzip des Trial and Error ist auch im wissenschaftlichen Umfeld gang und gäbe.
Fehlerkultur ist das Zauberwort
Fehler zeigen uns im Unternehmen immer, dass etwas fehlt. Sie bergen die Chance zur Weiterentwicklung und beschleunigen den Fortschritt. Selbstverständlich sollte der Fehler niemals so folgenschwer sein, dass eine positive Weiterentwicklung unmöglich und ggf. das ganze Unternehmen vernichtet wird. Damit das Unternehmen Nutzen aus Fehlern ziehen kann, ist die Schaffung einer positiven Fehlerkultur wichtig. Dazu sollten Sie fünf Grundsätze beherzigen.
Fehler „dürfen“ gemacht werden
Akzeptieren Sie, dass Menschen Fehler machen – anderenfalls ist die Gefahr groß, dass Fehler vertuscht werden.
Dies findet natürlich immer seine Grenzen, wenn es um das Leben oder die Gesundheit geht. Beim Arbeitsschutz ist bspw. eine Null-Fehler-Strategie nicht nur oberste Richtschnur, sondern zwingend.
Vorgesetzte sind Vorbilder
Viele Vorgesetzte unterschätzen, dass sie den meisten Mitarbeitern durchaus als Vorbilder dienen. Kommunizieren Sie offen, dass auch Sie nicht fehlerfrei sind.
Fehlereingeständnisse respektieren
Fördern Sie eine offene Kommunikation untereinander. Zeigen Sie besondere Wertschätzung, wenn Mitarbeiter unaufgefordert Fehler eingestehen.
Feedback geben
Geben Sie ein sachliches und faires Feedback. Scharfe Kritik ist natürlich ggf. nötig, wenn es sich um einen Wiederholungsfehler handelt. Hier können ggf. auch arbeitsrechtliche Sanktionen (bspw. eine Abmahnung) angebracht sein.
Die eigenen Fehler nicht verschweigen
Ganz klar – Fehler des Vorgesetzten sind schädlich für das eigene Image, ggf. auch für das Unternehmen. Trotzdem hilft es meist wenig, sie unter den Teppich zu kehren. Hier sollten Sie zunächst analysieren, ob es richtig ist, einen Fehler intern oder extern zu kommunizieren.
Fehler mit innerbetrieblichen Auswirkungen sollten intern behandelt werden
Geht es allein um innerbetriebliche Belange, sollten diese auch intern bleiben. Wenn Ihr Fehler lediglich zu einer Störung des internen Arbeitsoder Produktionsablaufs geführt hat, sollte dieser Fehler auch im diesbezüglichen Personenkreis behandelt und genau dort besprochen werden. Wird allerdings dadurch die betriebliche Produktivität nennenswert beeinträchtigt, ist es unumgänglich auch Ihre jeweilig verantwortlichen Vorgesetzten davon zu informieren.
Achtung
Tun Sie letzteres so schnell wie möglich. Es ist sicherlich ein Pluspunkt, wenn Sie Ihrem eigenen Vorgesetzten dabei schon eine Lösung präsentieren können und darauf hinweisen, wie Ihr Fehler künftig konkret vermieden werden kann.
Achten Sie auf funktionierende Kommunikationskanäle
Fehler passieren häufig durch mangelnde oder nicht rechtzeitige Kommunikation der Beteiligten. Zur Vermeidung von Fehlern ist es daher ratsam, auch auf die passenden Kommunikationskanäle zu achten. Bedenken Sie, dass Sie Produktionsmitarbeiter oder die Verwaltung in aller Regel gut vor Ort erreichen können, dies bei Montageeinsätzen (gerade im Ausland) aber durchaus Schwierigkeiten bereiten kann.
Kommunikation mit dem Kunden
Die Kommunikation mit dem B2B-Kunden ist bei Fehlern, die die Kundeninteressen berühren können, natürlich ein Muss. Kommt es aufgrund Ihres Fehlers bspw. zu Lieferverzögerungen oder Fehllieferungen, ist eine unverzügliche Information unglaublich wichtig – schließlich hat der Kunde seine Dispositionen im Vertrauen auf die Terminund Liefertreue ausgerichtet. Ein diesbezüglicher Zeitverlust führt meist dazu, dass der Schaden für den Kunden noch höher wird, je später er darauf reagieren kann.
Expertentipp
Inwiefern Sie bezüglich Ihrer eigenen Fehler hier ehrlich sind, lässt sich keinesfalls generalisieren. Es kommt immer auf den individuellen Einzelfall an. Wenn Sie hier zu „Notlügen“ greifen, sollten Sie auch bedenken, dass die meisten dieser Ausreden auch dem Kunden schon geläufig sind.
Kommunikation mit der Öffentlichkeit
Selbstverständlich müssen Sie bei sicherheitsrelevanten Fehlern sofort die Öffentlichkeit informieren, wenn die entsprechenden Produkte in den Verkehr geraten sind oder können. Dazu verpflichten Sie schon die gesetzlichen Produkthaftungsregeln. Dies gilt natürlich auch dann, wenn Ihnen selbst keine Fahrlässigkeit oder gar Vorsatz bezüglich des Fehlers vorgeworfen werden kann.
Fehler lassen sich auch für das Marketing nutzen
Kaum zu glauben, aber mit Fehlern können Sie unter bestimmten Umständen auch werben. Der britische Staubsaugerhersteller Dyson zeigt uns, wie man es richtig macht. Dyson wirbt mit der Geschichte, dass die Dyson-Ingenieure tausende von fehlerhaften Staubsaugern gebaut haben, bevor sie endlich ein Modell herstellen konnten, dass Schmutz und Staub mittels Fliehkraft beseitigen konnte. Dyson vermittelt so den Verbrauchern die Botschaft, wie schwierig das Problem ist und wie hart an seiner Lösung gearbeitet wird. Dieselbe Geschichte erzählen die Marketingexperten übrigens auch über ihren Haarfön – dort sollen mehr als 600 Fön-Prototypen verworfen worden sein, bis endlich ein Modell den strengen Anforderungen von Dyson genügte.
Dyson wirbt mit den vermeintlichen Fehlschlägen natürlich nicht während des jeweiligen Entwicklungsprozesses – erst wenn das Produkt Marktreife erreicht hat, wird die Werbetrommel gerührt.