27.05.2024

Fachkräftemangel: nur zufriedene Mitarbeiter bleiben

Krisen über Krisen: Coronapandemie, unterbrochene Lieferketten, Klimawandel und explodierende Rohstoff- und Energiepreise! Als wäre das alles nicht genug, nimmt noch ein weiteres Problem in Industrie und Handwerk immer mehr an Fahrt auf: der dramatische Mangel an Fachkräften. Ein Beitrag zur Lösung dieses Problems besteht darin, die Mitarbeiterzufriedenheit in Ihrem Unternehmen in den Fokus zu stellen und so Mitarbeiter dauerhaft an Ihr Unternehmen zu binden.

Auswirkungen des Fachkräftemangels

Auch für Ihr Unternehmen sind fehlende Fachkräfte ein großes Risiko. Gehen fähige Mitarbeiter, z.B. weil sie selbst kündigen oder ihr Ruhestand ansteht, und gelingt es nur unzureichend, geeigneten Nachwuchs zu rekrutieren, bedeutet dies eine Mehrbelastung für das verbleibende Personal. Die Folge: Termine können nicht eingehalten werden und Aufträge drohen verloren zu gehen. Die Produktqualität sinkt, was zu mehr Reklamationen und Nachbesserungen führt.

Mitarbeiterzufriedenheit in den Fokus nehmen

Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, ist es unerlässlich, dass Ihr Unternehmen seinen Bestand an qualifiziertem Personal aufrechterhält. Dies wird nur mit zufriedenen Mitarbeitern gelingen. Mitarbeiterzufriedenheit steigert nicht nur die Loyalität zum Unternehmen, sie wirkt sich auch positiv auf Arbeitsleistungen Ihrer Mitarbeiter aus.

Umso überraschender ist es zu beobachten, dass sich in vielen Unternehmen eine deutliche Mehrheit der Mitarbeiter wenig oder gar nicht an ihren derzeitigen Arbeitgeber gebunden fühlt. Dabei liegt es doch auf der Hand, dass unzufriedene Mitarbeiter akut abwanderungsgefährdet sind.

ISO 9001 ignoriert unverständlicherweise die Mitarbeiterzufriedenheit

Doch was hat das Ganze mit Qualitätsmanagement zu tun? Werfen wir einen Blick in die ISO 9001: Zwar fordert die Norm die Überwachung der Kundenzufriedenheit, enthält jedoch erstaunlicherweise keine konkreten Vorgaben zur Mitarbeiterzufriedenheit.

Allerdings gilt es als erwiesen, dass die Kunden- und die Mitarbeiterzufriedenheit eng zusammenhängen. Denn nur zufriedene und motivierte Mitarbeiter werden dauerhaft hochwertige Leistungen erbringen und Kunden zufriedenzustellen. Daher ist es Ihre Aufgabe als Qualitätsverantwortlicher sicherzustellen, dass die Zufriedenheit der Mitarbeiter in Ihrem Unternehmen gemessen und fortlaufend verbessert wird.

Mitarbeiterzufriedenheit fördern

Haben Sie im Rahmen Ihrer Mitarbeiterzufriedenheitsmessungen Defizite offengelegt, geht es jetzt darum, konkrete Maßnahmen zur Förderung der Mitarbeiterzufriedenheit zu planen und umzusetzen. Diese leiten Sie aus den relevanten Treibern, also Bestimmungsfaktoren der Mitarbeiterzufriedenheit ab. Tangiert werden dabei insbesondere die Unternehmenskultur und das Führungssystem Ihres Unternehmens. Im Folgenden werden die sechs wichtigsten Treiber zur Förderung der Mitarbeiterzufriedenheit erläutert.

Zugehörigkeitsgefühl bei Mitarbeitern stärken

Zufriedenheit entsteht vor allem dann, wenn Ihre Mitarbeiter ein Zugehörigkeitsgefühl gegenüber Ihrem Unternehmen entwickeln, es also als soziales System wahrnehmen, in dem ihren Wünschen nach Kommunikation, Kontakten und Anerkennung entsprochen wird. Wer zufrieden ist und sich seinem Arbeitgeber verbunden fühlt, setzt sich für sein Unternehmen ein. Er ist eher bereit, Veränderungen zu akzeptieren, auch wenn diese mit Einschränkungen einhergehen. Dies ist gerade in schwierigen Zeiten nicht zu unterschätzen. Abbildung 1 zeigt die wichtigsten Zufriedenheitstreiber, auf die anschließend eingegangen wird.

Abb. 1: Die wichtigsten Zufriedenheitstreiber

 

Treiber 1: Work-Life-Balance

In der heutigen Arbeitswelt werden die Grenzen zwischen Arbeitswelt und Privatsphäre immer fließender. Daher bietet die Work-Life-Balance als Element der Unternehmenskultur einen wichtigen Ankerpunkt zur Verbesserung der Mitarbeiterzufriedenheit.

Ziel der Work-Life-Balance ist es, die Interessen und Neigungen Ihrer Mitarbeiter mit den Zielen Ihres Unternehmens in ein ausgewogenes und weitgehend konfliktfreies Verhältnis zu bringen. Ermöglichen Sie Ihren Mitarbeitern flexible Arbeitszeitmodelle. So gewinnen diese Freiräume zur Betreuung ihrer Kinder und pflegebedürftiger Angehöriger. Zu nennen sind hier insbesondere Teilzeit- und Gleitzeitarbeit, intelligente Schichtmodelle, Jobsharing, Arbeitszeitkonten, Remote-Arbeit und Vertrauensarbeitszeit.

Gesundheitsförderung nicht vergessen

Ein weiterer bedeutender Baustein der Work-Life-Balance sind gesundheitsfördernde Maßnahmen, die Ihr Unternehmen seinen Mitarbeitern anbieten sollte. Sie zielen darauf ab, physische und psychische Belastungen, Stress und Burn-out zu vermeiden oder zu minimieren. Entsprechende Angebote, die Sie Ihren Mitarbeitern machen sollten – auch während der Arbeitszeit – reichen von Suchtpräventionsprogrammen über Sport- und Fitnesskurse, um Bewegungsmangel vorzubeugen,

bis hin zu einem ausgewogenen Speisenangebot etwa in einer Betriebskantine. Behalten Sie auch die Belastungen Ihrer Mitarbeiter im Blick. Wichtig: Gesundheitsförderung ist Chefsache! Daher sollte sie auch im Unternehmensleitbild in Form von Gesundheitsleitsätzen verankert werden.

Treiber 2: Verantwortung übertragen

Eine hohe Wirkung auf die Mitarbeiterzufriedenheit hat die Delegation von Aufgaben und Verantwortung. Sie stärkt nicht nur das Verantwortungsgefühl und die Motivation Ihrer Mitarbeiter, sie entlastet auch deren Vorgesetzte und macht so die Führung effektiver. Dies setzt jedoch voraus, dass Mitarbeiter auch bereit sind, zusätzliche Aufgaben zu übernehmen. Daher sollten sich die Führungskräfte mit ihren Mitarbeitern zusammensetzen und mögliche Handlungsspielräume ausloten.

Wichtig ist, dass nicht nur Routineaufgaben, sondern möglichst ganze Aufgabenbereiche delegiert werden. Allerdings sollten strategische, vertrauliche Aufgaben, Führungsaufgaben sowie Aufgaben mit hohem Risikopotenzial unbedingt in der Verantwortung der Führungskräfte verbleiben.

Treiber 3: Mitarbeiterentwicklung

Nichts ist schlimmer, als wenn Mitarbeiter den Eindruck haben, dass es für sie in ihrem Unternehmen nicht mehr vorangeht. Achten Sie darauf, dass auf die Entwicklungsbedürfnisse Ihrer Mitarbeiter eingegangen wird und diese mit den Unternehmenszielen in Einklang stehen. Bei der Vereinbarung von konkreten Entwicklungsmaßnahmen sollten Vorschläge der Mitarbeiter berücksichtigt werden, denn diese wissen selbst am besten, mithilfe welcher Schulungsformate, Lernformen und Medien sie am effektivsten lernen. Daher sollte für jeden Mitarbeiter ein individueller Entwicklungsplan erstellt werden, der verschiedene in Ihrem Unternehmen mögliche Laufbahnen berücksichtigt.

Treiber 4: Feedbackkultur

Ein weiterer bedeutender Treiber der Mitarbeiterzufriedenheit ist eine Feedbackkultur, also eine Kultur des Dialogs mit den Mitarbeitern. Dies bedeutet, dass Mitarbeiter regelmäßig Rückmeldungen zu ihrer Arbeitsleistung und ihrem Verhalten bekommen. Dabei sollten Ihre Führungskräfte folgende Regeln beachten:

  • Feedback wird durch den direkten Vorgesetzten gegeben, weil dieser seine Mitarbeiter am besten beurteilen kann.
  • Anerkennung und Kritik erfolgen unmittelbar, damit die Mitarbeiter einen direkten Bezug zu ihrem Verhalten erkennen können.
  • Kritikgespräche werden immer unter vier Augen geführt, keinesfalls im Beisein von Kollegen.
  • Kritik ist konstruktiv, um Verhaltensänderungen zu bewirken. Dies bedeutet, dass die Kritik angemessen ist und die Vorgesetzten zusammen mit den Mitarbeitern die Ursachen von Fehlverhalten analysieren und Veränderungen vereinbaren.

Treiber 5: Teamentwicklung

Eine Gruppe von Mitarbeitern, die zusammenarbeiten, ist noch lange kein Team. Bevor ein leistungsstarkes Team entsteht, durchläuft es zunächst verschiedene Teamentwicklungsphasen. Für die Führungskräfte bestehen die Herausforderungen der Teamentwicklung insbesondere darin, – zu klären, welche Mitarbeiter für die Teamarbeit geeignet sind,

  • attraktive Ziele für das Team zu vereinbaren,
  • gruppendynamische Prozesse zu erkennen und zu steuern,
  • Rollen im Team zu klären und eine Rollenbalance zu finden,
  • das Team in allen Phasen der Teamentwicklung zu fördern,
  • verschiedene Persönlichkeitstypen bei der Zusammensetzung zu berücksichtigen und
  • das Team zu unterstützen, z. B. bei der Lösung von Konflikten.

Treiber 6: Workplace-Coaching

Die immer komplexere Arbeitswelt, in der Mitarbeiter mehr Aufgaben und Verantwortung übernehmen sollen, macht es erforderlich, dass sie intensiver von ihren Vorgesetzten unterstützt und begleitet werden. Daher verändert sich deren Rolle weg von der klassischen autoritären Führungskraft hin zu einem Coach, also einem beruflichem Wegbegleiter. Seine Aufgabe besteht darin, die Mitarbeiter zu befähigen, Aufgaben eigenverantwortlich wahrzunehmen (Hilfe zur Selbsthilfe).

Ein Coach ist Trainer und Berater zugleich. Er unterstützt die Karriereplanung und setzt sich für die Lösung von beruflichen und privaten Problemen seiner Mitarbeiter ein.

Monetäre Anreize nicht überschätzen

Abschließend sei darauf hingewiesen, dass Sie monetären Anreizen, also Löhnen und Sozialleistungen, als Zufriedenheitsfaktoren keine zu große Bedeutung beimessen sollten. Denn diese haben nur dann einen positiven Einfluss auf die Mitarbeiterzufriedenheit, wenn sie direkt mit der Arbeitsaufgabe und dem Arbeitsergebnis verknüpft sind. Außerdem wirken sie nur eine begrenzte Zeit, bis bei den Mitarbeitern ein Gewöhnungseffekt eintritt.

Dauerhaft reichen monetäre Anreize nicht aus, um einen hohen Zufriedenheitsgrad zu erreichen, wenn die intrinsischen Motivatoren nicht wirken.

Es besteht dann die Gefahr, dass Ihre Mitarbeiter nur des Geldes wegen arbeiten.

Autor*in: Jens Harmeier