07.04.2017

Die neue IATF 16949:2016: Gründe für die Revision der ISO/TS 16949

Aus der ISO/TS 16949:2009 wird der Standard IATF 16949:2016. Doch hinter der scheinbaren Ablösung von der ISO steht im Grunde ein noch stärkerer Zusammenhang mit der ISO 9001:2015. Im folgenden Beitrag stellen wir die wichtigsten Änderungen gegenüber den Vorgängernormen ISO/TS 16949 und ISO 9001:2008 zusammen und geben einen Ausblick auf den Übergangszeitraum.

IATF 16949: Sie ersetzt die ISO/TS 16949

Gründe für die Revision der ISO/TS 16949

Gründe waren zum einen der Angleich an die gemeinsame High Level Structure. Bei der High Level Structure handelt es sich um eine übergeordnete Struktur, die den Aufbau neuer und überarbeiteter ISO-Managementnormen vereinheitlichen soll. Das hat zur Folge, dass die Integration von verschiedenen Normen im Unternehmen wesentlich einfacher wird, da sämtliche Standards denselben Aufbau vorweisen. Ebenso wie bei der ISO 9001:2015 werden der Kunde und die Zufriedenheit des Kunden wesentlich stärker fokussiert.

Verbindung zur ISO 9001:2015

Aber die IATF 16949:2016 steht in einer noch engeren Verbindung zur ISO 9001:2015. Das kommt darin zum Ausdruck, dass die Inhalte der ISO 9001:2015 innerhalb des Standards nicht mehr angeführt werden, sondern nur noch auf diese verwiesen wird. Der Nachteil ist, dass dadurch mit zwei Normenwerken gearbeitet werden muss, da die IATF 16949:2016 keinen eigenständigen Standard mehr darstellt, sondern nur in Verbindung mit der ISO 9001:2015 verwendet werden kann.

Weitere Gründe

Weitere Gründe für den neuen Standard waren Rückmeldungen von Zertifizierungsgesellschaften, Auditoren, OEMs und Lieferanten, die in der IATF 16949:2016 berücksichtigt wurden.

Ziel der Revision

Der neue Standard hat sich vornehmlich zum Ziel gesetzt, die System- und Prozessqualität in den Unternehmen wesentlich zu verbessern, um die Kundenzufriedenheit zu erhöhen sowie Fehler und Risiken innerhalb der gesamten Lieferkette frühzeitig zu erkennen, um geeignete Maßnahmen zur Beseitigung treffen zu können.

Die wesentlichen Änderungen im Überblick: Steigerung der Anforderungen

Insgesamt wurde der Standard der Anforderungen angehoben. In der IATF 16949 gibt es 25 neue und 34 erweiterte oder verdeutlichte Anforderungen gegenüber der ISO/TS 16949:2009.

Dokumentierte Informationen in Form von Vorgaben und Nachweisen werden in der ISO 9001:2015 24-mal erwähnt, zudem enthält die IATF 16949 14 weitere Anforderungen hinsichtlich dokumentierter Prozesse sowie weitere Anforderungen für dokumentierte Nachweise. Siehe Abschnitt Geforderte Informationen (Dokumente und Aufzeichnungen der ISO 9001:2015 und der IATF 16949:2016).

  • Im neuen IATF-Standard zeigen sich sechs Schwerpunkte, womit u.a. die Anforderungen in den nachfolgend aufgezählten Bereichen angepasst wurden:
  • Anforderungen an sicherheitsrelevante Teile und Prozesse
  • Anforderungen an die Produktrückverfolgbarkeit (gemäß den neuesten regulatorischen Veränderungen)
  • Anforderungen an Produkte mit integrierter Software
  • Anforderungen an die Garantiemanagementprozesse, auch in Bezug auf NTF („No Trouble Found“) und Verwendung von Leitlinien der Automobilindustrie
  • Anforderungen an die Klarstellung des Unterlieferantenmanagements und deren Weiterentwicklung
  • Anforderungen an die Corporate Responsibility (soziale Verantwortung in Unternehmen)

Die wesentlichen Änderungen im Detail

Die IATF 16949 verzichtet gänzlich auf die Ausführung der Inhalte der ISO 9001:2015, sondern verweist lediglich darauf. In diesem Werk wurden die Änderungen der ISO 9001:2015 bereits eingehend beschrieben, sodass im nachfolgenden Download auf die wesentlichen Änderungen und Neuerungen der Mehrforderungen der IATF 16949:2016 eingegangen wird.

Neuerungen/Erweiterungen

Der Übersichtlichkeit halber wurden die Erweiterungen oder Neuerungen tabellarisch dargestellt. Dabei werden folgende Farbsymbole verwendet: Rot steht für eine neue Anforderung, Gelb für die Erweiterung einer Anforderung.

 

Übergangsfristen von ISO/TS 16949:2009 zu IATF 16949:2016

Die IATF hat beschlossen, dass mit den ISO/TS-16949:2009-Zertifikaten in derselben Weise vorgegangen werden muss wie bei der ISO 9001:2008. Festgelegt war eine Übergangsfrist von drei Jahren, die am 14.09.2018 endet. Damit verlieren alle ISO/TS-16949:2009-Zertifikate zu diesem Stichtag ihre Gültigkeit.

Nach dem 01.10.2017 sollen keine Zertifizierungsaudits nach ISO/TS 16949:2009 mehr durchgeführt werden.

 

IATF 16949:2016: Timeline für die Umsetzung

Übergangsfristen

Transition Audit

„Unter Transition Audit versteht man, die Überprüfung eines bereits bestehenden Managementsystems. Beispielsweise nach einer Normrevision. Das Transition Audit (Übergangsaudit) für die IATF 16949 muss bis zum 14.09.2018 abgeschlossen sein. Beim Transition Audit von der ISO/TS 16949 zur IATF 16949 darf kein Wechsel der Zertizierungsgesellschaft durchgeführt werden.“ (Quelle: www.smct-management.de/project/transition-audit)

Das Transition Audit muss im Rahmen des laufenden Auditzyklus stattfinden, d.h. im Rahmen eines Überwachungs- oder eines Rezertifizierungsaudits.

  • Ein Transition Audit enthält folgende Schritte:
  • Durchführung des Transition Audit
  • Abstellung von Nichtkonformitäten (wenn vorhanden)
  • Zertifikatsentscheidung
  • Zertifikatsausstellung

Die detaillierte Vorgehensweise inklusive der Forderungen im Zusammenhang mit dem Transition Audit können dem IATF-Dokument „Transition Strategy ISO/TS 16949 to IATF 16949“ entnommen werden.

Zertifikatlosigkeit

Wird ein Transition Audit kurz vor dem 14.09.2018 durchgeführt, kann es passieren, dass ein Unternehmen bis zu 120 Tage ohne gültiges Zertifikat der IATF ist, da bei der Feststellung von Nichtkonformitäten diese erst geschlossen werden müssen.

Wechsel des Zertifizierers

In dem Strategiedokument der IATF wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass zeitgleich mit dem Transition Audit kein Wechsel der Zertifizierungsgesellschaft möglich ist.

Anforderungen an ein Transition Audit

Gemäß den IATF Rules ist die Anzahl der Manntage für ein Transition Audit analog dem Aufwand eines Rezertifizierungsaudits anzusetzen.

  • Vorbereitung auf ein Transition Audit
  • Umsetzung der geänderten Anforderungen
  • Nachweis von internen Audits auf der Grundlage von IATF 16949:2016
  • Durchführung eines Management-Reviews auf der Grundlage von IATF 16949:2016
  • Beantragung des Transition Audits bei der bisherigen Zertifizierungsgesellschaft

IATF-Zertifizierungsregeln

Die IATF-Zertifizierungsvorgaben zur IATF 16949, 5. Ausgabe, sind am 1. November 2016 erschienen.

Der Übergang von der ISO/TS 16949 zur IATF 16949 erfordert eine von der Zertifizierungsgesellschaft durchzuführende „Offsite“-Dokumentenprüfung.

Stellt ein Unternehmen die geforderten Informationen zur Auditvorbereitung nicht zur Verfügung, dann erfolgt die Überprüfung vor Ort mit einem Minimum von 0,5 Manntagen vor dem Beginn des eigentlichen Audits.

Im „Transition Strategy“-Dokument wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass alle Unterstützungsfunktionen und Unterstützungsstandorte in dem Transition Audit enthalten sein müssen.

Ein Transition Audit darf nur von qualifizierten „Third Party“-Auditoren durchgeführt werden, die ihre Kompetenz nach IATF 16949 bereits erhalten haben.

Eine Zertifizierung nach IATF 16949:2016 kann nur in Verbindung mit der ISO 9001:2015 vorgenommen werden.

Einschätzung der Änderungen und Ausblick auf die Einführung der IATF 16949

Viele Abschnitte der IATF 16949:2016 sind wesentlich besser erklärt als in der ISO/TS 16949. Dennoch scheint es, dass sowohl für Führungskräfte als auch für die operativen Bereiche und die Auditoren mit einer großen Herausforderung zu rechnen ist.

Führungskräften wird eine Vorbildfunktion zugeordnet hinsichtlich der Erfüllung der (Kunden-)Anforderungen an das Unternehmen mit seinen Prozessen, Produkten und Dienstleistungen.

Als nachteilig ist anzusehen, dass auf die Anforderungen der ISO 9001:2015 im IATF-Standard nur verwiesen wird. Das bedeutet, dass man immer beide Regelwerke zur Hand haben muss.

Mehr finanzieller und personller Aufwand bei der Umstellung

Die finanziellen und personellen Aufwendungen für die Umstellung sowie für das Transition Audit werden sicherlich die bisher eingeplanten Budgets übersteigen.

Es ist sehr wahrscheinlich, dass der Abgleich mit den neuen Anforderungen sowie die Umsetzung der Änderungen inklusive der internen Audits und der Erstellung und Bewertung des Management-Reviews im Unternehmen sehr viel Zeit in Anspruch nehmen werden.

Nicht zu vergessen sind auch die erforderlichen Ausbildungen und Requalifizierungen von internen Auditoren und des gesamten QM-Personals sowie der Führungskräfte.

Das bedeutet, dass je nach Unternehmensgröße ausreichend Zeit eingeplant werden muss. Es wird empfohlen, mit den Vorbereitungen gleich in 2017 zu beginnen.

Autor*in: Claudia Brückner