Das EFQM-Modell 2018+: Erste Ausblicke auf die Revision
Das EFQM-Modell wird regelmäßig aktualisiert. Die letzte große Revision des Modells war 2010. Zuvor waren sieben Jahre ohne Änderung vergangen. 2010 hatte ein Core Team, zu dem ich gehörte, das Modell von Grund auf erneuert. 2013 hatten wir die Hinweise zur weiteren Optimierung umgesetzt, ohne jedoch die Konzeption von 2010 massiv zu verändern. Damals war eine dreijährige Review-Frequenz beschlossen worden, da wir die Schnelllebigkeit der Gegenwart im Modell abbilden wollen. Das Feedback der Nutzer hat vor einem Jahr ergeben, dass eine weitreichende Anpassung des Modells nach nur drei Jahren noch nicht gewünscht war. Deshalb wurde die nächste Revision für 2018 geplant.
Damit 2018 ein fertiges Modell zur Verfügung steht, fangen die Räder der Veränderung wieder an sich zu drehen. Wir sind noch ganz weit davon weg, ein Konzept des EFQM-Modells 2018+ in Händen zu halten. Doch kürzlich saßen die deutschsprachigen Verantwortlichen in Zürich zusammen und haben die Erkenntnisse aus den jeweiligen Ländern ausgetauscht.
Generell besteht im Expertenteam der Eindruck, dass die Community der Anwender eine Aktualisierung grundsätzlich begrüßen würde. Aus dem Feld der Anwender wurde eine Reihe von wesentlichen Hinweisen zusammengetragen, die ich im Folgenden kurz erläutere.
1. Flexibilität versus Effizienz
Aktuell wird viel über die Unsicherheit und Nicht-Planbarkeit der Gegenwart gesprochen. Der Begriff „VUKA-Welt“ (Volatilität, Unsicherheit, Komplexität, Ambiguität) kursiert. Dadurch bekommt das Konzept der Agilität gegenüber dem klassischen Streben nach Effizienz mehr Gewicht. Das Modell ist bisher konzeptionell zu wenig auf das Managen einer Organisation in einem volatilen und unsicheren Umfeld ausgerichtet. Die Kurzlebigkeit vieler Trends zwingt Unternehmen zu schneller Adaption, die wiederum einer langfristigen Unternehmensplanung widerspricht. Dieses Dilemma muss im neuen Modell bedacht werden.
2. Virtuelle Firmen
In der Vergangenheit wurden fast immer Organisationen betrachtet, die klar definiert und meist relativ homogen aufgestellt waren. Moderne Formen der Zusammenarbeit im Sinne von virtuellen Organisationen sind mit dem aktuellen Modell schwer zu bewerten. Ich hatte als Teamleiter im ESPRIX einen Verbund von Beratern zu bewerten, was uns zu langen Diskussionen gebracht hat, da konservative Assessoren ein Problem darin sehen, solche virtuellen Organisationen, die teilweise keine klare Leitung haben, zu bewerten. Dazu sollte das neue Modell einen Ansatz enthalten.
3. Was ist gut? – Trendbetrachtung
Wir sind 2010 übereingekommen, dass ein Trend von drei Jahren bereits in manchen Organisationen schwierig abzubilden ist, da die Organisationen nicht drei Jahre in der gleichen Aufstellung verweilen. Damit sind die Zahlen durch Umgruppierungen, Zukäufe etc. nicht wirklich vergleichbar. Um die Leistung einer Organisation zu bewerten, müssen teilweise kurzfristigere Betrachtungen genutzt werden, da marktbedingte Adaptionen den Erfolg der Organisation begründen und „gut“ eben nicht ein positiver Trend über mehrere Jahre ist, sondern der Markterfolg in der Gegenwart. Diese Entwicklung muss in die RADAR-Logik implementiert werden.
4. Multi-Site-Organisationen
Eine Reihe von Konzernen nutzt das Modell. Daraus resultiert die Erkenntnis, dass die Bewertung einzelner Standorte zu Inseloptimierungen führt. Einzelne Global Player machen globale Assessments. Ich durfte eines dieser Assessments unterstützen und konnte erleben, dass die Betrachtung eines Verbunds von über 20 Standorten die Deutung des Modells schon sehr dehnt. Hocherfahrene Assessoren können auch mit dem bestehenden Modell diese Aufgabe bewältigen. Ein Vorgehen zur Bewertung komplexer Organisationen ist im aktuellen Modell aber nicht hinterlegt.
5. Positionierung zur ISO-Norm
Die ISO 9001 ist mit der letzten Revision wieder einen guten Schritt auf den Excellence-Ansatz zugegangen. Aspekte wie die Betrachtung der Interessengruppen beenden die Eindimensionalität der Begutachtung durch die ISO-Auditoren. Der Anspruch an die Auditoren, aber auch an die Unternehmen ist nun höher. Das ist einerseits gut, ich habe aber so meine Zweifel, ob es in der Breite wirklich gelingt, spontan ein höheres Reifeniveau zu erreichen. Umgekehrt ist zu klären, wo der Anspruch des Excellence-Modells liegen soll. Es gibt eine Reihe von Organisationen, die ich als „Highflyer“ bezeichnen würde. Deren Strukturen sind weit reifer als die des Durchschnitts. Um diesen Organisationen ein adäquates Modell zu gestalten, müssten wir in Kauf nehmen, dass die meisten Durchschnittsorganisationen dadurch abgehängt würden. Das EFQM-Modell ist aber auch nicht der große Bruder der ISO 9004. Das wird gerne missverstanden. Die Anwendung des Modells hat einen anderen Sinn und eine andere Betrachtungsperspektive als die ISO-Normen. Die Positionierung des Modells wird eine maßgebliche Aufgabe der nächsten Revision sein.
6. Fokus auf Wettbewerbsfähigkeit – wirtschaftlicher Erfolg statt Schönheit
In den englischsprachigen Ländern ist „competitiveness“ ein wesentlicher Anspruch für exzellente Unternehmen. Im schlimmsten Fall sucht ein Anwender des Excellence-Ansatzes nur nach den in den Ansatzpunkten benannten Vorgehensweisen, ohne das große Bild zu sehen, wie diese Vorgehensweisen – einem Uhrwerk gleich – zu einem Ganzen zusammenspielen und die Organisation dazu befähigen, in besonderer Weise ihrem Zweck zu dienen. Die Aussage, dass man mit dem Excellence-Modell kein besonders ästhetisches Managementsystem erarbeitet, sondern der Organisation zum Erfolg verhilft, muss stärker herausgearbeitet werden.
7. Philosophische Grundlage neu entwickeln
Daher ist es notwendig, die Überlegungen des Excellence-Ansatzes noch einmal von den Grundlagen her neu zu erdenken und an allen Stellen (Grundkonzepte, Kriterien, RADAR) zu ändern, wo Änderungen notwendig sind, um den Zeitgeist zu treffen und die Attraktivität des Modells so weit zu steigern, dass es ein Muss wird, sich mit diesem Ansatz zu befassen.