Technik-Dokumentation für Medizinprodukte
Zuletzt aktualisiert am: 16. Dezember 2024

Dazu gehören unterschiedliche Artikel wie Einwegspritzen, Beatmungsgeräte und laut der BMBF-Studie Innovationshürden 2008, S. 11, sind 400.000 Artikel in 8.000 Produktgruppen in Deutschland auf dem Markt. Neben den großen Herstellern bringen viele kleine und mittlere Unternehmen innovative Produkte auf den Markt.
Aufgrund der höchstsensiblen Aufgaben von Medizinprodukten ist der Medizinproduktebereich ein stark reguliertes Produktfeld – nicht nur in Deutschland und Europa, sondern weltweit. Vielfältige Vorgaben werden an den Hersteller und Benutzer und auch Verkäufer gestellt, um die Sicherheit der Patienten zu gewährleisten. Entwickler und Konstrukteure sind von Beginn einer Produktidee an gefordert, sich diesen Anforderungen zu stellen.
Alle Schritte der Entwicklung, von der Idee über die klinischen Studien bis zur Serienreife und natürlich auch die Marktbeobachtung müssen dokumentiert werden. Die Gebrauchsanweisung ist in diesem Zusammenhang nicht nur für den Benutzer gedacht, sondern auch ein notwendiges Dokument für die Zulassung eines Medizinprodukts: ein weites Feld für den Technik-Redakteur.
In diesem Beitrag wird zuerst eine Übersicht über nationale und europäische Regularien erstellt und dann ein kurzer Überblick über weltweite Anforderungen gegeben, immer mit dem Fokus auf der Technik-Dokumentation.
Wichtige Begriffe
Bundesrecht: Medizinproduktegesetz
Die Definition von Medizinprodukten findet man u.a. im Medizinproduktegesetz (MPG), das für uns in Deutschland zurzeit maßgeblich ist:
„Medizinprodukte sind alle einzeln oder miteinander verbunden verwendeten Instrumente, Apparate, Vorrichtungen, Software, Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen oder andere Gegenstände einschließlich der vom Hersteller speziell zur Anwendung für diagnostische oder therapeutische Zwecke bestimmten und für ein einwandfreies Funktionieren des Medizinproduktes eingesetzten Software, die vom Hersteller zur Anwendung für Menschen mittels ihrer Funktionen zum Zwecke
- der Erkennung, Verhütung, Überwachung, Behandlung oder Linderung von Krankheiten,
- der Erkennung, Überwachung, Behandlung, Linderung oder Kompensierung von Verletzungen oder Behinderungen,
- der Untersuchung, der Ersetzung oder der Veränderung des anatomischen Aufbaus oder eines physiologischen Vorgangs oder
- der Empfängnisregelung
zu dienen bestimmt sind und deren bestimmungsgemäße Hauptwirkung im oder am menschlichen Körper weder durch pharmakologisch oder immunologisch wirkende Mittel noch durch Metabolismus erreicht wird, deren Wirkungsweise aber durch solche Mittel unterstützt werden kann.”
Zu diesen Medizinprodukten zählt man auch aktive medizinische Geräte und In-vitro-Diagnostika, die jeweils in eigenen EU-Verordnungen behandelt werden. Zum Beispiel: Implantate, Injektionsspritzen, Infusion, Transfusion und Dialyse, humanmedizinische Instrumente, medizinische Software, Zahnfüllungen, Katheter, Herzschrittmacher, implantierbare Defibrillatoren, Pflaster und Mullbinden, Sehhilfen, Röntgengeräte, MRT, Kondome, ärztliche und zahnärztliche Instrumente sowie Labordiagnostika.
EU-Recht: Verordnung (EU) 2017/745 und Verordnung (EU) 2017/746
Die Verordnung (EU) 2017/745 des Europäischen Parlaments und des Rates über Medizinprodukte und die Verordnung (EU) 2017/746 des Europäischen Parlaments und des Rates über In-vitro-Diagnostika haben die Medizinprodukte-Richtlinien 90/385/EWG und 93/42/EWG sowie die In-vitro-Diagnostika-Richtlinie 98/79/EG abgelöst. Sie gelten in den Mitgliedstaaten der EU unmittelbar und müssen daher nicht in nationales Recht umgesetzt werden.
Gemäß Verordnung (EU) 2017/745 Artikel 2 bezeichnet
- „Medizinprodukt“ ein Instrument, einen Apparat, ein Gerät, eine Software, ein Implantat, ein Reagenz, ein Material oder einen anderen Gegenstand, das dem Hersteller zufolge für Menschen bestimmt ist und allein oder in Kombination einen oder mehrere der folgenden spezifischen medizinischen Zwecke erfüllen soll
- „aktives Produkt“ ein Produkt, dessen Betrieb von einer Energiequelle mit Ausnahme der für diesen Zweck durch den menschlichen Körper oder durch die Schwerkraft erzeugten Energie abhängig ist und das mittels
Änderung der Dichte oder Umwandlung dieser Energie wirkt. - „implantierbares Produkt“ ein Produkt, auch wenn es vollständig oder teilweise resorbiert werden soll,
das dazu bestimmt ist, durch einen klinischen Eingriff
— ganz in den menschlichen Körper eingeführt zu werden oder
— eine Epitheloberfläche oder die Oberfläche des Auges zu ersetzen
und nach dem Eingriff dort zu verbleiben. Als implantierbares Produkt gilt auch jedes Produkt, das dazu bestimmt ist, durch einen klinischen Eingriff teilweise in den menschlichen Körper eingeführt zu werden und nach dem Eingriff mindestens 30 Tage dort zu verbleiben …
Gemäß Verordnung (EU) 2017/746 bezeichnet
- „Medizinprodukt“ ein Medizinprodukt im Sinne des Artikels 2 Nummer 1 der Verordnung (EU)
2017/745 … - „In-vitro-Diagnostikum“ ein Medizinprodukt, das als Reagenz, Reagenzprodukt, Kalibrator, Kontrollmaterial, Kit, Instrument, Apparat, Gerät, Software oder System — einzeln oder in Verbindung miteinander — vom
Hersteller zur In-vitro-Untersuchung von aus dem menschlichen Körper stammenden Proben, einschließlich Blut- und Gewebespenden, bestimmt ist und ausschließlich oder hauptsächlich dazu dient, Informationen zu einem oder mehreren der folgenden Punkte zu liefern
a) über physiologische oder pathologische Prozesse oder Zustände,
b) über kongenitale körperliche oder geistige Beeinträchtigungen,
c) über die Prädisposition für einen bestimmten gesundheitlichen Zustand oder eine bestimmte Krankheit,
d) zur Feststellung der Unbedenklichkeit und Verträglichkeit bei den potenziellen Empfängern,
e) über die voraussichtliche Wirkung einer Behandlung oder die voraussichtlichen Reaktionen darauf oder
f) zur Festlegung oder Überwachung therapeutischer Maßnahmen.
Technik-Dokumentation für Medizinprodukte
Die Technik-Dokumentation für Medizinprodukte ist eine unverzichtbare Grundlage für die Sicherheit und Marktfähigkeit dieser sensiblen Produkte. Sie erfüllt regulatorische Anforderungen, stellt die Gebrauchstauglichkeit sicher und ist ein essenzieller Bestandteil des Qualitätsmanagements.
„Die Technische Dokumentation […] beinhaltet alle Unterlagen, die ein Medizinproduktehersteller vorlegen muss, wenn er sein Produkt zertifizieren möchte.”
Regulatorische Anforderungen: Die Basis verstehen
Medizinprodukte unterliegen strengen gesetzlichen Vorgaben. Die Verordnung (EU) 2017/745 über Medizinprodukte (MDR) fordert eine umfassende Technische Dokumentation, die während des gesamten Lebenszyklus eines Produkts aktuell gehalten werden muss. Die Dokumentation dient dem Nachweis, dass das Produkt sicher und leistungsfähig ist, und umfasst u. a. folgende Inhalte:
- Produktbeschreibung und Spezifikationen:
- Technische Daten, Funktion und beabsichtigte Verwendung.
- Konstruktions- und Fertigungsdetails.
- Risikomanagementakte:
- Identifizierung und Bewertung potenzieller Risiken gemäß ISO 14971.
- Klinische Bewertung:
- Evidenz für die Sicherheit und Leistung des Produkts.
- Gebrauchsanweisungen und Etikettierung:
- Benutzerfreundliche Anleitungen und gesetzeskonforme Kennzeichnungen.
- Nachweis der Konformität:
- Zertifikate und Berichte zu Prüfungen, z. B. Biokompatibilität, elektrische Sicherheit oder Softwarevalidierung.
Herausforderungen bei der Erstellung
Die Technik-Dokumentation ist nicht nur ein technisches, sondern auch ein interdisziplinäres Projekt. Zu den häufigsten Herausforderungen gehören:
- Komplexität der Vorgaben: Die Anforderungen der MDR, internationaler Normen und nationaler Gesetze variieren und entwickeln sich stetig weiter.
- Interdisziplinäre Zusammenarbeit: Teams aus Entwicklung, Qualitätsmanagement, Regulatory Affairs und Produktion müssen eng zusammenarbeiten.
- Lebenszyklusmanagement: Die Dokumentation muss nicht nur zu Produktzulassung aktuell sein, sondern auch bei Änderungen und im Post-Market-Surveillance-Prozess.
Ein häufiger Fehler ist das unstrukturierte Vorgehen. Dies führt zu lückenhaften oder übermäßig redundanten Inhalten, die zeit- und kostenintensive Nacharbeiten erfordern.
Best Practices für die Technik-Dokumentation
- Frühzeitige Planung und klare Verantwortlichkeiten:
Definieren Sie frühzeitig, wer für welche Abschnitte verantwortlich ist. Nutzen Sie eine Projektmanagement-Software, um Fortschritte und Zuständigkeiten nachzuverfolgen. - Standardisierte Vorlagen und Tools:
Vorlagen, die die Anforderungen der MDR und einschlägiger Normen wie ISO 13485 und IEC 62366 berücksichtigen, sparen Zeit und minimieren Fehler. Tools wie Dokumentenmanagementsysteme erleichtern die Versionierung und Freigabe. - Modularer Aufbau:
Strukturieren Sie die Dokumentation in klar abgegrenzte Module, z. B. nach Design, Testberichten oder klinischen Daten. Dies erleichtert die Aktualisierung und Wiederverwendung von Inhalten. - Interdisziplinäre Schulungen:
Schaffen Sie ein gemeinsames Verständnis der regulatorischen Anforderungen und Techniken durch regelmäßige Schulungen. - Qualitätssicherung:
Führen Sie systematische Reviews durch, um die Konsistenz und Vollständigkeit zu gewährleisten. Integrieren Sie dabei Checklisten für die wichtigsten Anforderungen.
Gebrauchsanweisung
Mit Gebrauchsanweisung sind die vom Hersteller zur Verfügung gestellten Informationen gemeint, die den Anwender über die Zweckbestimmung und die korrekte Verwendung während des gesamten Lebenszyklus eines Medizinprodukts informieren und ggf. Sicherheitsmaßnahmen nennen. Die Gebrauchsanweisung hat zum Ziel, einen sicheren Gebrauch eines Produkts für Anwender und Patient zu gewährleisten.
Zweckbestimmung (engl. Intended Use)
Die IEC 60601-1, eine der wichtigsten horizontalen Normen im Bereich der Medizinprodukte, definiert den Begriff „als die Verwendung, für die ein Produkt, ein Prozess oder eine Dienstleistung nach den vom Hersteller gelieferten Spezifikationen, Anweisungen und Informationen vorgesehen ist”. Im Deutschen wird dieser Begriff oft mit Zweckbestimmung übersetzt, der englische ist gebräuchlicher.
Bestimmungsgemäßer Gebrauch
Der bestimmungsgemäße Gebrauch umfasst neben der Zweckbestimmung auch die vorgesehenen Tätigkeiten der Anwender wie Lagern, Transportieren, Instandhalten oder Reinigen, Desinfizieren und ggf. Sterilisieren. Es geht also darum, wie man etwas mit dem Produkt erreichen soll.
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