26.10.2017

Schaltschränke von Maschinen richtig in Verkehr bringen

Was sind die Anforderungen an Schaltschränke, die zutreffenden grundlegenden Normen und wie werden sie in der Praxis richtig angewendet? Im Zusammenhang mit Schaltschränken sind häufig erkannte Mängel, die relevanten Prüfinhalte aus den jeweiligen Normen sowie eventuelle Synergieeffekte zwischen Herstellern und Betreibern wichtig.

Schaltschrank

Notwendigkeit von Schaltschränken an Maschinen

Viele Maschinen arbeiten mit elektrischem Strom, der mit Hilfe von elektrischen Schaltgeräten verteilt, geregelt und gesteuert wird. Die dezentrale Unterbringung von elektrischen Schaltgeräten unter Maschinenabdeckungen ist nicht empfehlenswert.

Durch diese Art der Installation entstehen die großen Nachteile, dass die elektrischen Schaltgeräte nicht ausreichend von anderen Medien (Fluiden, Produkt) getrennt werden und der elektrotechnische Laie vor der Demontage der Maschinenabdeckungen eine Freischaltung der elektrischen Zuleitung durch eine Elektrofachkraft oder eine externe Netztrenneinrichtung benötigt.

Denn häufig ist der Anschluss der elektrischen Schaltgeräte mit Einzeladern ausgeführt, was dem Basisschutz entspricht, jedoch nicht den Anforderungen des Fehlerschutzes genügt. Daher wird ein Schaltschrank zur Installation der Schaltgerätekombinationen zwangsläufig benötigt.

Der Schaltschrank ist je nach Kundenwunsch und Aufstellungsbedingungen der Maschine nah an der Maschine platziert oder in einem zentralen elektrischen Betriebsraum untergebracht. Letzteres empfiehlt sich nur bei Platzmangel am Aufstellungsort oder bei einer verfahrenstechnischen Maschine, bei der eine Aufstellung des Schaltschranks in der Nähe auf Grund der Umgebungsbedingungen erschwert ist.

Besondere Umgebungsbedingungen könnten z.B. eine Ex-Zone, aggressive chemische Atmosphäre oder Witterungseinflüsse sein. Die Position des Schaltschranks hat z.B. einen Einfluss auf die durchzuführenden Prüfungen durch Betreiber und Hersteller, die Bedienung der Maschine und die sichere Netztrennung.

Abstimmung zwischen Kunde und Hersteller

Der Kunde sollte sich bezüglich der elektrischen Anforderungen an die Maschine mit dem Hersteller abstimmen.

Der Umfang des Abstimmungsaufwands hängt im Wesentlichen von der Komplexität der Maschine ab. Die Norm DIN EN 60204-1 „Elektrische Ausrüstung von Maschinen” enthält im Anhang B eine Checkliste zur Abstimmung der Anforderungen zwischen Hersteller und Kunde. Punkte, die in jedem Fall mit dem Hersteller bezüglich der Schaltschränke von Maschinen zu klären sind:

  • Netzspannung und -frequenz, Netzform, Leistungsaufnahme der Maschine
  • Art und Einbauort der Netztrenneinrichtung (Instandhaltung, Reinigung, Handlungen im Notfall)
  • Aufstellungsort des Schaltschranks (Witterungseinflüsse, Entfernung zur Maschine, elektrische Infrastruktur am Aufstellungsort)
  • Bedien- und Erreichbarkeit
  • Querschnitt für den Anschluss der Zuleitung an den Anschlussklemmen, Absicherung der Zuleitung, N-Leiter erforderlich
  • Ablauf der Inbetriebnahme (Prüf- und Messprotokolle zur elektrischen Sicherheit, Prüfung der Sicherheitsschaltungen, Loop-Check)

Richtlinien und Normen

Für eine Maschine ist eine EG-Konformitätserklärung durch den Hersteller zu erstellen und dem Kunden auszuliefern. Wird auf einer EG-Konformitätserklärung die Maschinenrichtlinie 2006/42/EG angegeben, gilt die Niederspannungsrichtlinie 2014/35/EU als mit berücksichtigt.

Alle weiteren angewandten Richtlinien werden separat aufgeführt. Dies gilt auch für die EMV-Richtlinie 2014/30/EU. Das zusätzliche Aufführen der Niederspannungsrichtlinie in einer EG-Konformitätserklärung nach Maschinenrichtlinie ist nicht falsch, jedoch auch nicht notwendig.

Für die Konstruktion eines Schaltschranks mit einer Schaltgerätekombination ist die Normenreihe DIN EN 61439 „Sicherheitstechnische Anforderungen für Niederspannungs-Schaltanlagen” anzuwenden. Dies gilt für den Bau eines kleinen Hausverteilers genauso wie für den Bau einer Energieverteilung im Industriebereich.

Die DIN EN 61439-1 enthält die „Allgemeinen Anforderungen” und die Teile -2 bis -7 beschreiben Anforderungen an bestimmte Arten von Schaltschränken. Für jeden Schaltschrank ist ein Bauart- und Stücknachweis zu erbringen.

  • Beim Bauartnachweis soll vom Hersteller der Schaltgerätekombination nachgewiesen werden, dass die vom ursprünglichen Hersteller des Schaltgerätekombinationssystems gestellten Anforderungen an die Bauart eingehalten werden.
  • Der Stücknachweis ist ein Einzelnachweis, bei dem jeder Schaltschrank vor der Auslieferung auf Montage- und Materialfehler geprüft wird.

Der Bau eines Schaltschranks für eine Maschine erfordert die Beachtung der DIN EN 60204-1. In dieser Norm sind die Anforderungen an elektrische Ausrüstungen von Maschinen beschrieben.

Die Norm behandelt u.a.

  • den Schutz gegen elektrischen Schlag,
  • stellt Anforderungen an den Aufbau der Steuerung, Verriegelungen und Not-Halt-Funktionen, sowie
  • Anforderungen an die Kennzeichnung von Adern und Betriebsmitteln.

Der Aufbau eines Schaltschranks ist hingegen nicht detailliert in dieser Norm beschrieben.

Die Schutzziele der DIN EN 61439-1 und der DIN EN 60204-1 überschneiden sich teilweise. Die Prüfung der Durchgängigkeit des Schutzleitersystems ist z.B. in beiden Normen gefordert. Auch die Anforderungen an die Strombelastbarkeit von Leitern und die Schutzart des Gehäuses sind in beiden Normen wiederzufinden. Im letzten Abschnitt der DIN EN 60204-1 sind konkrete Prüfungen gefordert, die vom Hersteller durchzuführen sind.

Erfahrungen aus der Praxis

Bei Erstprüfungen von Maschinen auf Betreiberseite lässt sich immer wieder beobachten, dass es beim Bau von Schaltschränken Schwierigkeiten bei der konsequenten Anwendung der DIN EN 61439-1 gibt. Die Anwendung der DIN EN 60204-1 hingegen fällt vergleichsweise leicht, da hier konkrete Anforderungen gestellt sind und lediglich der Abschnitt 18 eine Dokumentation der durchgeführten Prüfungen erfordert.

Die DKE hat die „Verlautbarung zur Anwendung der DIN EN 60204-1 und DIN EN 61439-1/-2 für die Errichtung elektrischer Ausrüstungen von Maschinen” veröffentlicht. Inhaltlich wird die Aussage vertreten, dass es ausreichend ist, die DIN EN 60204-1 auf der EG-Konformitätserklärung aufzuführen und die DIN EN 61439-1 wegzulassen.

Bei einem Schaltschrank mit einem geringen Anteil an Laststromkreisen und überwiegendem Anteil von 24V-Steuerstromkreisen ist dieses Vorgehen mit allen Konsequenzen sicher ausreichend. Dennoch sollten die Inhalte der DIN EN 61439-1 dem Schaltschrankbauer bekannt sein und berücksichtigt werden.

Auf die detaillierte Dokumentation der Nachweisführung kann in der Praxis verzichtet werden, da sie sehr aufwendig ist und vom Kunden oft nur schwer nachvollzogen werden kann. In diesem Fall sollte die DIN EN 61439-1 jedoch auch nicht auf der EG-Konformitätserklärung der Maschine stehen.

Wenn ein Maschinenbauer den Schaltschrank für die Maschine nicht selbst baut, sollte er sich rückversichern, dass der Schaltschrankbauer die Normen DIN EN 61439-1 und DIN EN 60204-1 eingehalten hat.

Detailliertere Informationen hierzu erhalten Sie in unserem Produkt „Risikobeurteilungen für Maschinen“.

Autor*in: Marc-Sebastian Leidel