23.11.2015

Risikoeinschätzung und Risikobewertung

Die Risikoeinschätzung und Risikobewertung gehören zu den anspruchsvollsten Elementen im Rahmen der Risikobeurteilung und des CE-Prozesses überhaupt. Denn wie schon im Namen enthalten, fordern sie vom Konstrukteur oder CE-Verantwortlichen eine „Einschätzung“ und „Bewertung“. Es gilt in erster Linie, den gesamten Prozess der Risikobeurteilung gesetzes- und normkonform aufzusetzen und zu leben. Die Wahl eines bestimmten Instruments für die Einschätzung eines Risikos im Zuge dieses Prozesses ist dann zwar immer noch wichtig, doch die Risikoeinschätzung selbst verliert automatisch ihre überschätzte Bedeutung.

Risikobeurteilung

Was ist Risikoeinschätzung?

Risikoeinschätzung ist die Bestimmung des wahrscheinlichen Ausmaßes eines Schadens und der Wahrscheinlichkeit seines Eintritts.

Was ist Risikobewertung?

Risikobewertung ist die auf der Risikoanalyse beruhende Beurteilung, ob die Ziele zur Risikominderung erreicht wurden.

Wann ist das Risiko hinreichend gemindert?

Risikominderung ist dann hinreichend, wenn sie unter Berücksichtigung des Stands der Technik zumindest den gesetzlichen Anforderungen entspricht.

Der Stand der Technik

Lösungsansätze, die dem Konstrukteur für die Risikoeinschätzung zur Verfügung stehen, sind u.a. in folgenden Regelwerken hinterlegt:

  • EN ISO 12100 (Gestaltungsleitsätze für Risikobeurteilung und Risikominderung)
  • DIN ISO/TR 14121-2 (Risikobeurteilung – Praktischer Leitfaden und Verfahrensbeispiele)
  • EN ISO 13849-1 (Gestaltungsleitsätze für sicherheitsbezogene Teile von Steuerungen [SRP/CS])
  • EN 62061 (Gestaltungsleitsätze für sicherheitsbezogene elektrische, elektronische und programmierbare elektronische Steuerungssysteme [SRECS])

Neuer Standard ISO/IEC 17305 in Vorbereitung

Die Vorbereitungen für die Zusammenlegung der Normen EN ISO 13849-1 und EN 62061 zur neuen IEC/ISO 17305 laufen seit dem Jahr 2011.

Oberstes Ziel ist es laut DKE, die Lesbarkeit (Verständlichkeit) und Handhabung der neuen ISO/IEC 17305 aus Sicht des Anwenders zu betrachten. Stärken und Schwächen beider Normen werden aktiv untersucht, damit sinnvolle und praktikable Verbesserungen und Erleichterungen erarbeitet werden können. Von einigen Projektbeteiligten wurde u.a. gefordert, dass auch die Elemente zur Risikoeinschätzung überarbeitet und praxisnah gestaltet werden müssen.

Eine weitere Forderung ist, dass die neue Norm klar zum Ausdruck bringen muss, dass die Gesamtrisikobeurteilung einer Maschine grundsätzlich nach den Prinzipien der EN ISO 12100 erfolgen muss, dass aber die hierfür verwendete Methode den spezifischen Anforderungen des Maschinenherstellers entsprechen muss.

In der internationalen Einsprechersitzung des ISO/TC 199/WG 8 „Safe control systems“ zum Amendment ISO DAM 13849-1:2006/A1, Mitte März 2014, in: Milton Keynes, Großbritannien, wurden u.a. folgende Forderungen an die neue Norm formuliert:

  • Einbindung von ISO TR 22100-22014 (Brückennorm zwischen ISO 12100 und ISO 13849-1), um die funktionale Sicherheit im Kontext der Drei-Stufen-Methode zur Risikominderung zu behandeln
  • praxisgerechtere Behandlung des Risikoelements der Exposition (Parameter F), wobei die Eintrittswahrscheinlichkeit von Gefährdungen auch mit Bezug zur Zeitachse betrachtet wird, als Funktion der „accumulated time duration“ der Exposition
  • Berücksichtigung des Risikoparameters W (Eintrittswahrscheinlichkeit der Gefährdung) bei der Festlegung von Zielwerten „Performance Level required.

Der erste Entwurf soll 2015 kommen und auch den Maschinenherstellern zur Verfügung gestellt werden.

Gemeinsamkeiten in den Regelwerken

Alle vier Regelwerke haben Folgendes gemeinsam:

Alle Lösungsansätze zur Risikoeinschätzung haben rein informativen Charakter. Sie sind in sich weder vollständig noch abgeschlossen. Sie wirken aber bei praktischer Umsetzung eher zwingend, wenn man regelkonform sein möchte. Sie nutzen zur Einschätzung des Risikos mindestens die beiden Risikoelemente

  • Schadensausmaß
  • und Eintrittswahrscheinlichkeit dieses Schadens.

Sie bestimmen ihre Risikoelemente mithilfe von zusätzlichen Parametern genauer, sind aber dennoch insgesamt wenig granular.

Sie nutzen zur Bestimmung ihrer Risikoelemente mindestens eines der folgenden Verfahren:

  • Risikomatrix
  • Risikograf
  • numerische Bewertung
  • Mischformen aus einer Kombination von Verfahren

Unterschiede in den Regelwerken

Die Granularität der zusätzlichen Parameter, mit welcher die Regelwerke ihre Risikoelemente genauer bestimmen, variiert.

Die Regelwerke EN ISO 13849-1 (Gestaltungsleitsätze für sicherheitsbezogene Teile von Steuerungen) und EN 62061 (Gestaltungsleitsätze für sicherheitsbezogene elektrische, elektronische und programmierbare elektronische Steuerungssysteme) generieren durch den Risikografen bzw. einen Risikoindex (PL und SIL), der mit sehr genau spezifizierten technischen Anforderungen verbunden ist.

EN ISO 12100 generiert keinen Risikoindex.

Der Leitfaden DIN ISO/TR 14121-2 generiert durch einen Risikografen und durch eine Risikomatrix einen Risikoindex, dem naturgemäß keine technischen Anforderungen zugeordnet sein können, der also quasi in der Luft hängt. Die Sinnhaftigkeit dieser Vorgehensweise begründet der Leitfaden damit, dass das Risiko vor und nach einer Maßnahme zur Risikominderung eingeschätzt werden kann und ein anschließender Vergleich des Eingangs- und Ausgangsrisikoindex Aufschluss über die erzielte Risikominderung gibt. Der Leitfaden selbst schränkt das Verfahren des Risikografen auf bestimmte Gefährdungen ein und verweist darauf, dass er sich nicht für die Einschätzung des Risikos aller Gefährdungen eignet.

Ausführliche Informationen zur Risikoeinschätzung und Risikobewertung finden Sie in unserem Produkt „Maschinenrichtlinie“.

Autor*in: Elisabeth Wirthmüller (ce konform GmbH. Öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige für Technische Dokumentation.)