Risikobeurteilung in der Praxis: Gefährdete Personen
Die Sicherheit und die Gesundheit von Personen ist gefährdet und muss geschützt werden. Wer genau ist eine „gefährdete Person”? Und wie geht man mit diesem Begriff in der Risikobeurteilung um?
Die Maschinenrichtlinie 2006/42/EG
Gemäß Erwägungsgrund 2 und 3 ist es das Ziel der Maschinenrichtlinie,
- die durch den Umgang mit Maschinen unmittelbar hervorgerufenen zahlreichen Unfälle zu verringern
- und die Sicherheit und die Gesundheit von Personen zu gewährleisten, insbesondere von Arbeitnehmern und Verbrauchern, […] in Bezug auf Risiken beim Umgang mit Maschinen.
Der verfügende Teil der Maschinenrichtlinie fasst dieses Ziel in Anhang I, Kap. 1.1.2. Grundsätze für die Integration der Sicherheit in klare Worte und macht deutlich, dass wirklich alle Lebensphasen des Produkts gemeint sind:
a) Die Maschine ist so zu konstruieren und zu bauen, dass sie ihrer Funktion gerecht wird und unter den vorgesehenen Bedingungen – aber auch unter Berücksichtigung einer vernünftigerweise vorhersehbaren Fehlanwendung der Maschine – Betrieb, Einrichten und Wartung erfolgen kann, ohne dass Personen einer Gefährdung ausgesetzt sind. Die getroffenen Maßnahmen müssen darauf abzielen, Risiken während der voraussichtlichen Lebensdauer der Maschine zu beseitigen, einschließlich der Zeit, in der die Maschine transportiert, montiert, demontiert, außer Betrieb gesetzt und entsorgt wird. |
Dies führt zum Thema des Beitrags: Die Sicherheit und die Gesundheit von Personen ist gefährdet und muss geschützt werden. Wer genau ist eine „gefährdete Person”? Und wie geht man mit diesem Begriff in der Risikobeurteilung um?
Die Maschinenrichtlinie definiert in Anhang I, Kap. 1.1.1. eine Reihe von Begriffen, welche unerlässlich sind für das genaue Verständnis und den Umgang mit „gefährdeten Personen” in der Risikobeurteilung.
Demnach ist eine „gefährdete Person” eine Person, die sich ganz oder teilweise in einem Gefahrenbereich befindet. Der Gefahrenbereich ist jener Bereich in einer Maschine und/oder in ihrem Umkreis, in dem die Sicherheit oder die Gesundheit einer Person gefährdet ist.
Genauer wird die Maschinenrichtlinie, wenn sie definiert, was sie unter „Bedienungspersonal” versteht: Nämlich die Person bzw. die Personen, die für Installation, Betrieb, Einrichten, Wartung, Reinigung, Reparatur oder Transport von Maschinen zuständig sind – letztlich also alle Personen, die während aller Lebensphasen der Maschine an oder mit einer Maschine tätig sind.
Nimmt man dann noch die Begriffsbestimmungen der Absätze h) und i) hinzu, versteht man, dass die Maschinenrichtlinie von Personen spricht, welche die Maschine bestimmungsgemäß verwenden, aber auch nicht bestimmungsgemäß. Dass also die „vernünftigerweise vorhersehbare Fehlanwendung” der Maschine durch eine Person die Sicherheit und die Gesundheit einer Person ebenfalls nicht gefährden darf.
Hinweis:
Die „vernünftigerweise vorhersehbare Fehlanwendung” einer Maschine ist nicht dasselbe wie der vorsätzliche Missbrauch einer Maschine.
Der vorsätzliche Missbrauch einer Maschine muss in der Risikobeurteilung nicht betrachtet werden – wenngleich hier Vorsicht geboten ist, da die Grenzen zwischen „vernünftigerweise vorhersehbarer Fehlanwendung” und „Missbrauch” naturgemäß fließend sind.
DIN EN ISO 12100
DIN EN ISO 12100 Sicherheit von Maschinen – Allgemeine Gestaltungsleitsätze – Risikobeurteilung und Risikominderung geht wesentlich detaillierter auf mögliche gefährdete Personen ein als die Maschinenrichtlinie.
Kapitel 5.3 Festlegung der Grenzen der Maschine, Abschnitt 5.3.1 Allgemeines besagt, dass der Konstrukteur […] die am Maschinenprozess beteiligten Personen […] genau bestimmen sollte.
Auch die DIN EN ISO 12100 bestimmt in 5.3.2 Verwendungsgrenzen, dass der Hersteller die bestimmungsgemäße Verwendung und die vernünftigerweise vorhersehbare Fehlanwendung in seine Betrachtung einschließen muss.