17.05.2024

Risikobeurteilung

Der Hersteller einer Maschine darf diese in der EU nur in Verkehr bringen, wenn er alle beim Betrieb der Maschine auftretenden Gefährdungen und Gesundheitsfolgen vorausgesehen und weitestmöglich minimiert hat. Dieses Identifizieren, Analysieren und Bewerten von Risiken ist seit Jahrzehnten Pflicht des Herstellers und Grundlage für die daraus abgeleiteten Schritte zum Schutz der Maschinenbediener und weiterer Personen. Das Prozedere umfasst einen mehrstufigen Prozess, für den sich der Begriff Risikobeurteilung durchgesetzt hat.

Risikobeurteilung

Die Pflicht des Maschinenherstellers, eine Risikobeurteilung vorzunehmen, basiert auf der europäischen Maschinenrichtlinie 2006/42/EG. In nationales Recht umgesetzt wird sie mit der 9. Verordnung zum Produktsicherheitsgesetz (Maschinenverordnung). Diese Rechtstexte sehen zwar explizit eine Risikobeurteilung vor, wie diese konkret im Detail gestaltet werden soll, bleibt jedoch offen.

Vorgaben, die Sie beachten müssen

Die Maschinenrichtlinie enthält Vorgaben, die bei der Durchführung der Risikobeurteilung beachtet werden müssen. Diese Vorgaben stehen in Anhang I:

„die Grenzen der Maschine zu bestimmen, was ihre bestimmungsgemäße Verwendung und jede vernünftigerweise vorhersehbare Fehlanwendung einschließt;“

Grenzen sind gemäß EN ISO 12100:2010:

  • Verwendungsgrenzen: bestimmungsgemäße Verwendung, vernünftigerweise vorhersehbare Fehlanwendung
  • räumliche Grenzen
  • zeitliche Grenzen, z.B. Einschaltdauer, Lebensdauer, Wartungsintervalle
  • weitere Grenzen, z.B. Umgebungsbedingungen wie Temperatur und Luftfeuchtigkeit

„die Gefährdungen, die von der Maschine ausgehen können, und die damit verbundenen Gefährdungssituationen zu ermitteln;“

Die Gefährdungen sind für jede Lebensphase zu ermitteln, in denen sich ein Produkt im Lauf seines Produktlebenszyklus befinden kann. Lebensphasen sind unter anderem: Transport, Montage, Inbetriebnahme, Betrieb, Wartung, Reparatur, Demontage, Recycling.

Einen schönen Überblick über mögliche Gefährdungen liefert die EN ISO 12100:2010, die folgende Gefährdungsgruppen auflistet:

  • mechanische Gefährdungen
  • elektrische Gefährdungen
  • thermische Gefährdungen
  • Gefährdungen durch Lärm
  • Gefährdungen durch Vibration
  • Gefährdungen durch Strahlung
  • Gefährdungen durch Materialien und Substanzen
  • ergonomische Gefährdungen
  • Gefährdungen im Zusammenhang mit der Einsatzumgebung der Maschine
  • Kombination von Gefährdungen

Diese Rangfolge stellt sich wie folgt dar:

  • Im ersten Schritt sind Gefahren durch eine inhärent sichere Konstruktion zu beseitigen.
  • Erst im zweiten Schritt sind Gefahren durch geeignete technische Schutzmaßnahmen zu beseitigen.
  • Bleiben dann Restgefahren übrig, wird im dritten Schritt vor diesen in der jeweiligen Anleitungen gewarnt.

Ziel der Risikobeurteilung

Ziel der Risikobeurteilung ist es, herauszufinden, welche Gefährdungen von einem Produkt ausgehen, und festzulegen, welche Gegenmaßnahmen geeignet sind, diese Gefährdungen auszuschließen oder zu minimieren.

Dazu ist es notwendig,

  • die von der Maschine ausgehenden Gefährdungen und Gesundheitsrisiken zu ermitteln,
  • sichere Einsatzbedingungen und Einsatzgrenzen der Maschine festzulegen,
  • die optimalen Schutzmaßnahmen zu finden und
  • alle nicht konstruktiv zu beseitigenden Restrisiken für den Maschinenbediener oder weitere Personen zu definieren.

Vor Gefährdungen, die nicht gänzlich vermieden werden können und bei denen ein Restrisiko besteht, muss in der jeweiligen Anleitung gewarnt werden. Diese Warnhinweise beschreiben die Restgefahr und Maßnahmen, wie dieser Restgefahr wirkungsvoll entgegengetreten werden kann, sodass ein Personenschaden möglichst nicht eintritt.

Die Risikobeurteilung wird bei der Erstellung der Betriebsanleitung immer dann benötigt, wenn vor Restgefahren gewarnt werden muss. Diese sind in der Risikobeurteilung enthalten.

Ohne Risikobeurteilung keine CE-Kennzeichnung

Im Maschinensicherheitsrecht ist das Prozedere von Risikoanalyse und -bewertung in das übergeordnete Verfahren zur Konformitätsbewertung eingebunden. Die Risikobeurteilung ist damit ein zentrales Element im CE-Prozess. Ohne Risikoanalyse und Risikobewertung ist weder eine rechtssichere Konformitätserklärung möglich noch eine CE-Kennzeichnung zulässig.

Der Nutzen der Risikoanalyse und -beurteilung von Maschinen

Maschinenhersteller und Konstrukteure tun gut daran, das Durchführen und Dokumentieren von Risikobeurteilungen nicht als lästige Pflicht zu begreifen. Denn eine sorgfältige und gut dokumentierte Risikoanalyse und -beurteilung

  • ist ein zentraler und unverzichtbarer Bestandteil des Prozesses zur Konformitätsbewertung und CE-Kennzeichnung,
  • wird zur Arbeitsgrundlage für den Technischen Redakteur beim Abfassen von Betriebsanleitungen zu Maschinen und damit indirekt
  • zur Basis von Gefährdungsbeurteilungen und Sicherheitsunterweisungen im Unternehmen des Maschinenbetreibers.

Dazu kommt, dass eine Risikobeurteilung, die – wie vorgesehen – von Anfang an selbstverständlich in den Planungs- und Konstruktionsprozess eingebunden ist, dem Hersteller wie auch dem späteren Betreiber Kosten ersparen kann. Denn sie trägt dazu bei, unnötige Sicherheitsmaßnahmen zu vermeiden. Zu spät erkannte Gefährdungen und Risiken anschließend durch Änderungen oder Hinzufügen von Schutzvorkehrungen in den Griff zu kriegen, kann deutlich teurer werden, als von Beginn an durch eine inhärent sichere Konstruktion unnötige Sicherheitsmaßnahmen zu vermeiden.

Download-Hinweis: Risikobeurteilung im Maschinenbau

  • Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin hat einen interessanten Bericht zu den Methoden der Risikobeurteilung von Maschinen veröffentlicht. Das Dokument stellt die einzelnen Phasen der Risikobeurteilung und Risikominderung den Phasen des Konstruktionsprozesses gegenüber. Dabei werden auch einige Verfahren zur Risikobeurteilung vorgestellt und erläutert, die für Maschinenbauer besonders relevant sind: BAuA: Risikobeurteilung im Maschinenbau (PDF-Datei, Stand 2012)

Hinweis

Am Verfahren der Risikobeurteilung hat sich in der neuen Maschinenverordnung (EU) 2023/1230 nichts gegenüber der bisherigen Maschinenrichtlinie 2006/42/EG geändert.

Autor*in: Elisabeth Maurer