01.12.2017

Das Restrisiko im Rahmen der Maschinenrichtlinie

„Restrisiko” ist ein Begriff, der in den unterschiedlichsten Bereichen des menschlichen Daseins verwendet wird. Wie der Name sagt, beschreibt er ein Risiko, das „übrig bleibt”, dem man letztlich nicht entgehen kann, wenn man sich einer entsprechenden Lebenssituation befindet.

Die Europäische Union

Restrisiko – Ein Streifzug

Das „allgemeine Lebensrisiko” wäre z.B. so ein Risiko, das übrig bleibt. „Allgemeines Lebensrisiko” ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der durch die laufende Rechtsprechung kontinuierlich ausgelegt wird. So gehören z.B. folgende Lebenssituationen zum „allgemeinen Lebensrisiko”:

  • Teilnahme am allgemeinen Verkehr
  • Schädigungen durch Umweltbelastungen und Gegebenheiten der Natur
  • Auftreten von Mängeln in der Privatsphäre
  • Verwicklung in rechtsstaatliche Verfahren

Diese Verfahren sind sozialadäquat, also praktisch unvermeidlich und zumutbar.

In vielen weiteren Entscheidungen haben der BGH und unterinstanzliche Gerichte auch andere Lebenssituationen zum „allgemeinen Lebensrisiko” gerechnet, wie etwa:

  • Die Gefahr, mit unberechtigten Ansprüchen konfrontiert zu werden.
  • Die Unsicherheiten der Natur spielten eine Rolle, als ein Polizist einen Straftäter verfolgt, dabei auf feuchtem Rasen ausrutscht und sich einen Muskelriss zuzieht. Hierin sah der BGH keine Kausalität und ordnete den Fall als allgemeines Lebensrisiko ein.
  • Lösen Tiere bei Menschen panisches Verhalten aus, so fallen daraus resultierende Schäden ebenfalls in den Bereich des Lebensrisikos. Das Oberlandesgericht Karlsruhe wies die schockbedingten Sturzverletzungen einer Frau durch den plötzlichen Anblick einer fetten schwarzen Spinne dem allgemeinen Lebensrisiko zu.
  • Das Landgericht Aachen geht davon aus, dass „im Frühjahr und Sommer die Gefahr von Bienen- oder Wespenstichen allgegenwärtig ist” und deshalb zum allgemeinen Lebensrisiko gehört.
  • Verletzt sich jemand durch Sturz in einer Hoteldusche, so trägt er den Schaden im Rahmen des Lebensrisikos selbst; allgemein sei schließlich bekannt, dass Duschräume, die mehreren Personen zugänglich seien, erhöhte Rutschgefahren aufwiesen.
  • Fällt ein älterer Mensch nachts im Krankenhaus aus dem Bett und verletzt sich dabei, haftet der Krankenhausträger nur dann, wenn das Pflegepersonal seine Aufsichtspflichten verletzt hat; wurden die Aufsichtspflichten nicht verletzt und fällt dennoch jemand aus dem Bett, liegt ein allgemeines Lebensrisiko vor.
  • Die Eltern und deren sozioökonomische Verhältnisse gehören grundsätzlich zum Schicksal und Lebensrisiko eines Kindes.

Restrisiko im Maschinen- und Anlagenbau

Grundsätze für die Integration der Sicherheit

Maschinenrichtlinie:

1.1.2. Grundsätze für die Integration der Sicherheit

a) Die Maschine ist so zu konstruieren und zu bauen, dass sie ihrer Funktion gerecht wird und unter den vorgesehenen Bedingungen – aber auch unter Berücksichtigung einer vernünftigerweise vorhersehbaren Fehlanwendung der Maschine – Betrieb, Einrichten und Wartung erfolgen kann, ohne dass Personen einer Gefährdung ausgesetzt sind. Die getroffenen Maßnahmen müssen darauf abzielen, Risiken während der voraussichtlichen Lebensdauer der Maschine zu beseitigen, einschließlich der Zeit, in der die Maschine transportiert, montiert, demontiert, außer Betrieb gesetzt und entsorgt wird.

b) Bei der Wahl der angemessensten Lösungen muss der Hersteller oder sein Bevollmächtigter folgende Grundsätze anwenden, und zwar in der angegebenen Reihenfolge:

– Beseitigung oder Minimierung der Risiken so weit wie möglich (Integration der Sicherheit in Konstruktion und Bau der Maschine)

– Ergreifen der notwendigen Schutzmaßnahmen gegen Risiken, die sich nicht beseitigen lassen

– Unterrichtung der Benutzer über die Restrisiken aufgrund der nicht vollständigen Wirksamkeit der getroffenen Schutzmaßnahmen (Hinweis auf eine eventuell erforderliche spezielle Ausbildung oder Einarbeitung und persönliche Schutzausrüstung)

c) Bei der Konstruktion und beim Bau der Maschine sowie bei der Ausarbeitung der Betriebsanleitung muss der Hersteller oder sein Bevollmächtigter nicht nur die bestimmungsgemäße Verwendung der Maschine, sondern auch jede vernünftigerweise vorhersehbare Fehlanwendung der Maschine in Betracht ziehen. Die Maschine ist so zu konstruieren und zu bauen, dass eine nicht bestimmungsgemäße Verwendung verhindert wird, falls diese ein Risiko mit sich bringt. Ggf. ist in der Betriebsanleitung auf Fehlanwendungen der Maschine hinzuweisen, die erfahrungsgemäß vorkommen können.

d) Bei der Konstruktion und beim Bau der Maschine muss den Belastungen Rechnung getragen werden, denen das Bedienungspersonal durch die notwendige oder voraussichtliche Benutzung von persönlichen Schutzausrüstungen ausgesetzt ist.

e) Die Maschine muss mit allen Spezialausrüstungen und Zubehörteilen geliefert werden, die eine wesentliche Voraussetzung dafür sind, dass die Maschine sicher eingerichtet, gewartet und betrieben werden kann.

Im Fokus: Begriffe, Definitionen, Kommentare

Im Maschinen- und Anlagenbau bewegen wir uns rechtlich im Bereich der Maschinenrichtlinie. Deren nationale Umsetzung, in Deutschland ist das die „Neunte Verordnung zum Produktsicherheitsgesetz (Maschinenverordnung) (9. ProdSV)”, ist für Hersteller, deren Produkte in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallen, rechtlich verbindlich. Diese rechtliche Verbindlichkeit ist es, warum wir in diesem Fachbericht primär die Begriffe der Maschinenrichtlinie zugrunde legen.

Im Kontext der CE-Konformität sind Normen in der Anwendung immer freiwillig. Sie können angewendet werden, müssen aber nicht. Wenn ein Hersteller jedoch die sog. Konformitätsvermutung in Anspruch nehmen möchte, muss er die einschlägigen europäisch harmonisierten Normen anwenden und in der EG-Konformitätserklärung angeben.

Konformitätsvermutung

Maschinenrichtlinie 2006/42/EG, Artikel 7, Konformitätsvermutung und harmonisierte Normen:

„(1) Die Mitgliedstaaten betrachten eine Maschine, die mit der CE-Kennzeichnung versehen ist und der die EG-Konformitätserklärung mit den in Anhang II Teil 1 Abschnitt A aufgeführten Angaben beigefügt ist, als den Bestimmungen dieser Richtlinie entsprechend.”

Um die Konformitätsvermutung, die sich aus der Anwendung harmonisierter Normen ergibt, in Anspruch nehmen zu können, müssen die Hersteller die Fundstellen der angewandten harmonisierten Normen in der EG-Konformitätserklärung angeben.

Europäisch harmonisierte Normen spielen also bei der CE-Konformität eine wichtige Rolle: Sie sind die Erfüllungsgehilfen der gesetzlich verbindlichen Richtlinien. Sie bieten technische Lösungen für eine Vielzahl von Anforderungen aus der Maschinenrichtlinie.

Aus diesem Grund verwenden wir in diesem Fachbericht auch auf Begriffe, Definitionen und Methoden aus ausgewählten europäisch harmonisierten Normen.

 Detaillierte Informationen zum Begriff des „Restrisikos” sowie zu weiteren Begriffsdefinitionen in der Maschinenrichtlinie finden Sie in unserem Produkt „Maschinenverordnung“.

 

Autor*in: Elisabeth Wirthmüller (ce konform GmbH. Öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige für Technische Dokumentation.)