29.10.2019

Der Quasi-Hersteller – wer ist denn so etwas?

Quasi-Hersteller ist jeder, der geschäftsmäßig seinen Namen, seine Marke oder ein anderes unterscheidungskräftiges Kennzeichen an einem Produkt anbringt und sich dadurch als Hersteller ausgibt.

Wesentliche Veränderung einer Maschine

Sind Sie noch Produzent oder vielleicht schon Hersteller?

Machen Sie den Drei-Minuten-Test: Sie stellen Produkte auf dem Markt bereit, die unter die Maschinenrichtlinie fallen? Und Sie sind nur Händler? Dann müssen Sie unseren kleinen Test nicht machen.

Sollten Sie sich aber Ihrer Sache vielleicht doch nicht ganz so sicher sein, dann nehmen Sie sich drei Minuten Zeit und machen Sie den Test (Quelle: https://www.ihk.de/bodensee-oberschwaben/):

Wer ist Hersteller?

Trifft ein rotes oder grünes Szenario aus dem Schaubild auf Sie zu?

  • Sie vertreiben Maschinen, die ein anderes Unternehmen produziert hat, unter Ihrem eigenen Namen oder unter Ihrer eigenen Marke?
  • Sie beziehen diese Maschinen aus dem EWR oder vielleicht auch aus Drittländern, z.B. aus Asien? Und dann labeln Sie um? Oder lassen gleich von vornherein ohne Label liefern, um Ihr eigenes Label anzubringen?

Dann sind Sie ein sogenannter „Quasi-Hersteller” – und haben damit alle CE-Pflichten eines Originalherstellers, der seine Maschinen selbst produziert und unter seinem eigenen Namen vermarktet.

Tipp: Wenn Sie zu dem Ergebnis gekommen sind, dass Sie ein Quasi-Hersteller sind und nicht nur Händler, dann handeln Sie und ziehen Sie Ihre CE-Pflichten glatt!

Was sagt die Maschinenrichtlinie?

Der Leitfaden Maschinenrichtlinie, Auflage 2.1 greift den Quasi-Hersteller in § 81 „Andere Personen, die als Hersteller gelten können” auf. Er ist dort namentlich nicht genannt. Er ist jedoch in Übereinstimmung mit der Beschreibung des Sachverhalts gemäß Maschinenrichtlinie Artikel 2, Abs. i) deutlich zu erkennen: jemand, der im Hinblick auf das Inverkehrbringen unter seinem eigenen Namen oder Warenzeichen verantwortlich ist.

Info:

Der verfügende Teil des Produktsicherheitsgesetzes (ProdSG) ergänzt die Begriffsbestimmung der Maschinenrichtlinie in Artikel 2, Abs. 14 um den Begriff „anderes unterscheidungskräftiges Kennzeichen”:

„Jeder, der geschäftsmäßig seinen Namen, seine Marke oder ein anderes unterscheidungskräftiges Kennzeichen an einem Produkt anbringt und sich dadurch als Hersteller ausgibt”.

Auch das Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG) enthält diese Ergänzung in § 4.

Ein „unterscheidungskräftiges Kennzeichen” kann jedes beliebige Kennzeichen sein, das den Eindruck erweckt, es könne sich dabei um den Hersteller handeln. Das kann schon ein einfaches Namenskürzel sein (siehe BGH, Urteil vom 21.06.2005 – VI ZR 238/03).

Nichtkonformität – Was sind die Folgen?

Der europäische Leitfaden Blue Guide präzisiert in Artikel 3.1. Hersteller:

„Der Hersteller muss über die sachdienlichen Informationen zum Nachweis der Übereinstimmung des Produkts verfügen. Diesbezüglich wird der Wirtschaftsakteur, der das Produkt unter seinem Namen oder seiner Handelsmarke in Verkehr bringt, (…) automatisch zum Hersteller. Er trägt somit die gesamte Verantwortung für die Konformitätsbewertung (Entwurf und Herstellung) des Produkts, selbst wenn diese tatsächlich von anderer Seite durchgeführt wurden. Darüber hinaus muss er im Besitz aller Unterlagen und Bescheinigungen sein, die erforderlich sind, um die Konformität des Produkts nachzuweisen; diese Nachweise müssen jedoch nicht auf seinen Namen lauten.”

Als Quasi-Hersteller haben Sie alle Pflichten eines Herstellers. Und Sie müssen für alle CE-Versäumnisse einstehen.

Info:

Wichtig ist in diesem Zusammenhang ein Hinweis, der u.a. im Blue Guide zu finden ist: Die Begriffe „Bereitstellung” und „Inverkehrbringen” beziehen sich nicht auf eine bestimmte Produktart oder auf eine Produktserie. Sondern immer auf die Stückzahl „1”. Also immer auf jedes einzelne Produkt. Auch wenn es sich um ein Produkt einer Serie handelt.

Was bedeutet das für Sie?

Wenn sich Harmonisierungsrechtsvorschriften oder Konformität auslösende Normen ändern, zurückgezogen werden oder neu herausgegeben werden, müssen Sie jedes Produkt (auch die Produkte einer laufenden Serie) an alle neuen Vorgaben anpassen.

Wenn Sie dies nicht oder unvollständig tun, sind Ihre Produkte nicht mehr CE-konform und Sie müssen für alle Versäumnisse einstehen.

Was kann passieren, wenn Sie Ihren CE-Pflichten nicht nachkommen?

  • Die Verfahren, Maßnahmen und Sanktionen bei Verstößen gegen die CE-Konformität sind im nationalen Verwaltungs- und Strafrecht der Mitgliedstaaten festgelegt. Je nach Schwere des Verstoßes müssen Sie mit Ausstellungsverbot, Bereitstellungsverbot, Rückruf und Warnung der Öffentlichkeit, Bußgeld und ggf. sogar mit einer Gefängnisstrafe wegen fahrlässiger Körperverletzung oder fahrlässiger Tötung rechnen.
  • Sofern Ihr Produkt die Sicherheit von Menschen unmittelbar gefährdet, sind Sie auch als Quasi-Hersteller verpflichtet, Ihre Produkte auf eigene Kosten vom Markt zu nehmen.
  • In weniger schwerwiegenden Fällen erhalten Sie von der Marktüberwachung die Gelegenheit, Ihre Produkte mit den geltenden Vorschriften in Einklang zu bringen.

Interessante Urteile zum Thema

Entscheidung des OLG Koblenz

Beschluss vom 24.07.2012 (Az. 5 U 299/12, VersR 2013, S. 1142)

Das OLG Koblenz verneint die Quasi-Hersteller-Eigenschaft mit folgender Begründung:

Zum einen verweist das Gericht auf die BGH-Rechtsprechung, die den oben zitierten Gesetzeswortlaut dahingehend konkretisiert hat, dass der Name (oder ein anderes unterscheidungskräftiges Kennzeichen) auf dem Produkt angebracht sein muss (BGH, NJW 2005, 2695). Hierzu mögen auch noch Produktverpackung und Produktbeschreibung zu zählen sein, nicht hingegen andere Begleitgegenstände.

Zum anderen beschäftigt sich das OLG Koblenz mit der Darstellung des Namens und der Anschrift der Beklagten in den genannten Dokumenten.

Dabei kommt es zu dem Ergebnis, dass hier zwar Name und Anschrift der Beklagten deutlich genannt sind, sich aber aus den Dokumenten ergebe, dass dies lediglich eine Service-Kontaktadresse sein soll, nicht hingegen die Herstellerangabe. In dem Patientenausweis wurde nach den Feststellungen des Gerichts eine andere Gesellschaft eindeutig als Hersteller angegeben. Die Namensnennung der Beklagten setzte sich in der Bezeichnung und im Schriftbild deutlich von dieser Herstellerangabe ab. In der Informationsbroschüre waren verschiedene Ansprechpartner für verschiedene Vertriebsländer aufgeführt, zu denen auch die Beklagte gehörte.

Nach der Wertung des Gerichts wird dadurch nicht die Vorstellung geweckt, dass alle diese Ansprechpartner Hersteller seien. Vielmehr ergebe sich das Bild einer einheitlichen Produktion und eines europaweiten Produktvertriebs, für den jeweils regional verantwortliche Ansprechpartner genannt werden. Hierdurch werden die einzelnen Ansprechpartner aber nicht zum Quasi-Hersteller.

Die weiteren Ausführungen finden Sie in unserem Produkt „Technische Dokumentation“.

Autor*in: Elisabeth Wirthmüller (ce konform GmbH. Öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige für Technische Dokumentation.)