Öffentlich-rechtliches Produktsicherheitsrecht
Welche Normen und Vorschriften sind im Rahmen des sog. öffentlich-rechtlichen Produktsicherheitsrechts zu beachten und wer hat diese zu berücksichtigen?
Die zentrale Rechtsvorschrift in Deutschland ist das Produktsicherheitsgesetz (ProdSG), das am 01.01.2011 das bis dahin geltende Geräte- und Produktsicherheitsgesetz (GPSG) abgelöst hat.
Das Produktsicherheitsgesetz richtet sich unter verschiedenen Aspekten an Hersteller, Einführer und Händler.
Das Produktsicherheitsgesetz setzt zum einen Vorgaben aus zahlreichen CE-Richtlinien in nationales Recht um, sofern diese für alle CE-Richtlinien gleichermaßen gelten. Sofern CE-Richtlinien produktspezifische Bestimmungen enthalten, sind diese nicht im Produktsicherheitsgesetz selbst umgesetzt, sondern in nationalen Verordnungen, die aufgrund des Produktsicherheitsgesetzes erlassen worden sind, z.B. in der Neunten Verordnung zum Produktsicherheitsgesetz (9. ProdSV – sog. Maschinenverordnung), die dann hinsichtlich der wesentlichen produktsicherheitsrechtlichen Anforderungen wiederum auf den Anhang I der EG-Maschinenrichtlinie 2006/42/EG verweist, ohne deren Anforderungen zu wiederholen.
Darüber hinaus setzt das Produktsicherheitsgesetz die Allgemeine Produktsicherheitsrichtlinie 2001/95/EG um, die allgemeine sicherheitsrechtliche Anforderungen an Verbraucherprodukte enthält.
Die Anforderungen der Allgemeinen Produktsicherheitsrichtlinie gelten für Verbraucherprodukte, sofern EG-Richtlinien keine spezielleren produktspezifischen Anforderungen enthalten (sog. Auffangfunktion).
Das Produktsicherheitsgesetz zählt zum öffentlichen Recht, weil hier den Normadressaten, d.h. den Herstellern, Importeuren und Händlern, eine Behörde, nämlich die jeweils zuständige Marktüberwachungsbehörde, d.h. eine öffentlich-rechtliche Körperschaft, gegenübersteht.
Das Produktsicherheitsgesetz regelt zudem die Zuständigkeit und die Befugnisse der deutschen Marktüberwachungsbehörden.
Das öffentliche-rechtliche Produktsicherheitsrecht stellt bestimmte gesundheitliche und sicherheitstechnische Anforderungen an die Produkte, die in ihren Anwendungsbereich fallen. Erfüllen die Produkte diese Anforderungen nicht, kann die Behörde z.B. deren Inverkehrbringen/Bereitstellen verbieten oder sie aus dem Verkehr ziehen.
Die öffentlich-rechtlichen Sicherheitsvorschriften konkretisieren die Sorgfaltspflichten des Herstellers. Sie stellen aber keine abschließende Festlegung der Verantwortlichkeit im Sinne der Produkthaftung dar. Wenn trotz Einhaltung der sicherheitstechnischen Normen Gefahren erkennbar sind, hat der Hersteller hierauf zu reagieren (technisch oder instruktiv).
Abgrenzung zur zivilrechtlichen Produkthaftung
Anders als die zivilrechtliche Produkthaftung, welche die Regulierung bereits entstandener Schäden zum Ziel hat, soll durch öffentlich-rechtliche Sicherheitsvorschriften bereits verhindert werden, dass fehlerhafte bzw. gefährliche Produkte überhaupt in den Verkehr kommen.
Das öffentliche Recht bezweckt also in diesem Zusammenhang mit der Produkthaftung einen Präventivschutz gegen Produktfehler und kann als Gegenstück zur zivilrechtlichen Haftung angesehen werden. Diese greift erst dann ein, wenn trotz Beachtung des öffentlich-rechtlichen Produktsicherheitsrechts fehlerhafte Produkte in den Verkehr gekommen sind und einen Schaden verursacht haben.
Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass ein Gericht (diese Frage ist noch nicht höchstrichterlich entschieden) das Produktsicherheitsgesetz auch als Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB einschätzen wird, sodass dann eine Verletzung des Produktsicherheitsgesetzes auch zivilrechtliche Schadensersatzansprüche nach sich ziehen kann.
Schließlich kann ein Verstoß gegen öffentlich-rechtliches Produktsicherheitsrecht ein Indiz für das Vorliegen eines Produktfehlers im Sinne des zivilrechtlichen Produkthaftungsrechts sein, wohingegen die Einhaltung des öffentlich-rechtlichen Produktsicherheitsrechts nicht zwangsläufig eine Einhaltung der Sicherheitsanforderungen der zivilrechtlichen Produkthaftung bedeutet. Letztere können im Einzelfall höher sein.
Das öffentlich-rechtliche Produktsicherheitsrecht verlangt, dass die in den sachlichen Anwendungsbereich fallenden Produkte bereits zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens bzw. Bereitstellens auf dem Markt den geltenden Vorschriften entsprechen, d.h. wenn das Produkt im Feld noch gar nicht auffällig geworden ist (sog. Präventivschutz).
Abgrenzung zum allgemeinen Strafrecht
Im allgemeinen Strafrecht, also im Strafgesetzbuch (StGB), kommt es zentral auf die Prüfung eines Schadens oder einer konkreten Gefährdung sowie einer schadensbegründenden Kausalität an.
Diese Fragen werden im sog. Nebenstrafrecht, das sich in zahlreichen öffentlich-rechtlichen Produktsicherheitsvorschriften findet, geschickt dadurch umgangen, dass bereits dann eine Ordnungswidrigkeit oder eine Straftat vorliegen soll, wenn bestimmte Verhaltensvorschriften verletzt worden sind, die nach Ansicht des Gesetzgebers dem Schutz der Verbraucher dienen, ohne dass es hierbei auf die Prüfung einer schadensbegründenden Kausalität ankommt.
Das Produktnebenstrafrecht unterteilt sich somit in einen strafrechtsneutralen Teil, der bestimmte Verhaltensvorschriften für die Handhabung und den Vertrieb von Produkten aufstellt, sowie einen zweiten Teil, der einfache Verstöße gegen diese Pflichten als Ordnungswidrigkeit und Verstöße mit Gefährdungscharakter als Straftaten beschreibt.
Rechtsfolgen bei Missachtung öffentlich-rechtlichen Produktsicherheitsrechts
Die Einhaltung des Produktsicherheitsrechts wird von der zuständigen nationalen Behörde in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten überwacht (sog. Marktüberwachungsbehörde).
In Deutschland sind regelmäßig die Behörden in den jeweiligen Bundesländern, in denen das betreffende Unternehmen seinen Sitz hat, und hier häufig die jeweils zuständige Gewerbeaufsichts- und Arbeitsschutzbehörde, zuständig. Dies führt in Deutschland zu mehr als 100 Marktüberwachungsbehörden, deren Vollzug nicht immer einheitlich ist, und mit denen im Beanstandungsfall häufig über die zutreffende rechtliche Interpretation gerungen werden muss.
Gemäß § 26 Abs. 2 ProdSG sind die Marktaufsichtsbehörden dazu befugt und verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, wenn sie den begründeten Verdacht haben, dass ein Produkt nicht den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Hierzu zählen insbesondere, jedoch nicht abschließend, folgende Maßnahmen:
- das Ausstellen eines Produkts zu untersagen
- einzelne Produkte aus dem Handel zu entnehmen, um sie stichprobenartig auf die Einhaltung der gesetzlichen Sicherheitsvorgaben zu überprüfen
- die Bereitstellung eines Produkts auf dem Markt oder das Ausstellen eines Produkts für den Zeitraum zu verbieten, der für die Prüfung zwingend erforderlich ist
- anzuordnen, dass geeignete, klare und leicht verständliche Hinweise zu Risiken, die mit dem Produkt verbunden sind, in deutscher Sprache angebracht werden
- zu verbieten, dass ein Produkt auf dem Markt endgültig bereitgestellt wird
- die Rücknahme oder den Rückruf eines auf dem Markt bereitgestellten Produkts anzuordnen
- ein Produkt sicherzustellen, dieses Produkt zu vernichten, vernichten zu lassen oder auf andere Weise unbrauchbar zu machen
- anzuordnen, dass die Öffentlichkeit vor den Risiken gewarnt wird, die mit einem auf dem Markt bereitgestellten Produkt verbunden sind; die Marktüberwachungsbehörde kann selbst die Öffentlichkeit warnen, wenn der Wirtschaftsakteur nicht oder nicht rechtzeitig warnt oder eine andere ebenso wirksame Maßnahme nicht oder nicht rechtzeitig trifft.