05.12.2024

Not-Aus oder Not-Halt? Hauptsache ausgeschaltet, angehalten, stillgesetzt …

Im Notfall dient das Stillsetzen (Not-Halt) dazu, Gefahren durch gefährliche Bewegungen so schnell wie möglich zu beseitigen. Dies geschieht entweder durch das sofortige Anhalten der Bewegung oder durch das Entfernen der Gefahrenstelle, beispielsweise durch Stoppen und Auseinanderfahren von Einzugswalzen. Im Gegensatz dazu zielt das Ausschalten im Notfall (Not-Aus) darauf ab, Risiken durch elektrische Spannungen zu minimieren. Hierbei wird entweder die gesamte Maschine oder nur bestimmte Teile der elektrischen Ausrüstung unmittelbar von der Stromversorgung getrennt.

Verwirrend ist nur die Begrifflichkeit. Mal heißt es Not-Aus, mal Not-Halt. Dazu kommen verschiedene Übersetzungsversuche des englischen Fachterminus „emergency stop“ wie z.B. Not-Stopp. Das damit angesprochene Sicherheitskonzept dagegen ist im Grunde sehr einfach: Mit einem einzigen Handgriff soll eine Maschine oder Anlage in einer gefährlichen Situation zum Anhalten oder Stillstand gezwungen werden können. Eine typische und häufige Lösung für diese Anforderung ist das Unterbrechen der Stromzufuhr.

Not-Aus betont das Ausschalten der Versorgung mit elektrischer Energie, z.B. um das Risiko für einen Stromschlag oder eine andere Gefährdung zu verringern. Not-Halt betont eher ein Stillsetzen, das bewusste Anhalten einer Bewegung oder eines Prozesses in Notfällen.

Vom Not-Aus zum NOT-HALT

Auch die Maschinenrichtlinie selbst hat zur Verwirrung beigetragen. In der alten Maschinenrichtlinie 98/37/EG wurde in Kapitel 1.2.4. „Stillsetzen“ unter „Stillsetzen im Notfall“ der Begriff Not-Aus verwendet. Gefordert wird hier, Maschinen mit einer oder mehreren Notbefehlseinrichtungen auszurüsten, durch die drohende gefährliche Situationen vermieden werden können.

In der gesamten aktuellen Maschinenrichtlinie kommt dagegen das Wort „Not-Aus“ kein einziges Mal mehr vor. In der Richtlinie 2006/42/EG haben sich die Begriffe NOT-HALT sowie NOT-HALT-Befehlsgeräte durchgesetzt. Sie tauchen sogar in Großbuchstaben auf und deutlich öfter als noch in der alten MRL, und zwar in den Kapiteln 1.2.2 „Stellteile“, 1.2.5. Wahl der Steuerungs- oder Betriebsarten, 1.2.4.3 „NOT-HALT-Befehlsgeräte – Stillsetzen im Notfall“, 1.2.4.4 Gesamtheit von Maschinen und 6.2 „Stellteile“.

Stopp durch Rot auf Gelb

Für die Art und Weise der technischen Umsetzung von NOT-HALT-Befehlsgeräten gibt es verschiedene Lösungen. Eine häufige Bauform sind Knöpfe in einer an Pilze erinnernden Form, die sogenannten Pilztaster oder Pilzkopfschalter. Das zu betätigende Element ist in roter Signalfarbe gehalten, der Untergrund oder Hintergrund in der Regel dann in der kontrastierenden Farbe Gelb. Diese Farbgebung in „Alarmfarben“ soll es erleichtern, in einem Notfall den Ansatzpunkt für den entscheidenden Handgriff möglichst schnell zu finden.

Diese NOT-HALT-Schalter gibt es in unzähligen Varianten, mit oder ohne Beschriftung, mit Beleuchtung oder auch abschließbar. Gemeinsames zentrales Merkmal ist, dass durch ein Drücken (seltener durch Ziehen oder Drehen) eine Maschine oder Anlage gestoppt wird.

Durch das Stillsetzen im Notfall (Not-Halt) sollen Gefahren, die durch gefahrbringende Bewegungen hervorgerufen werden, so schnell wie möglich beseitigt werden.

NOT-HALT-Pilztaster (Quelle: Thinkstock)

Je nach den Umgebungsbedingungen, etwa bei räumlicher Enge oder bestimmten Tätigkeiten in unmittelbarer Nähe der Maschine ist damit zu rechnen, dass es zu versehentlichen Fehlbedienungen und häufigem ungewollten Auslösen kommt. In solchen Fällen wird ein Pilztaster meist mit einem Schutzkragen versehen, der vor unbeabsichtigter Betätigung wie auch vor mechanischen Beschädigungen schützt. Sowohl Beschriftung wie Abschließbarkeit als auch Schutzkragen sollten jedoch nach Möglichkeit vermieden werden.

Schutz durch Lichtschranken oder Reißleinen

Eine weitere Möglichkeit, eine NOT-HALT-Funktion umzusetzen, bieten Lichtschrankensysteme. Solche optoelektronischen Schutzeinrichtungen nutzen Sicherheits-Lichtschranken typischerweise als Zutrittssicherung, z.B. für Holzbearbeitungsmaschinen oder Hochregallager.

Wenn Personen nahe oder direkt an innerbetrieblichen Transportsystemen tätig sind, etwa an Förderbändern, kommen auch Seilzugnotschalter als NOT-HALT-Systeme zum Einsatz. Sie werden per Reißleine betätigt und sind ebenfalls in Signalfarben gehalten. In selteneren Fällen kommen auch Trittleisten oder Fußschalter als Notbefehlseinrichtungen in Frage.

Welche Normen gelten für NOT-HALT-Systeme?

Relevant für die Konstruktion von NOT-HALT-Systemen sind in erster Linie folgende Normen:

  • DIN EN 60204-1 VDE 0113-1:2019-06 „Sicherheit von Maschinen – Elektrische Ausrüstung von Maschinen – Teil 1: Allgemeine Anforderungen“. Definitionen für Not-Aus und Not-Halt finden sich im Anhang der DIN EN 60204-1 bzw. VDE 0113.
  • DIN EN ISO 13850:2016-05 „Sicherheit von Maschinen – Not-Halt-Funktion – Gestaltungsleitsätze (ISO 13850:2015); Deutsche Fassung EN ISO 13850:2015. Auch die EN ISO 13850 verwendet den Begriff „NOT-HALT“. Sie hat die frühere EN 418:1992 ersetzt, in welcher noch von Not-Aus die Rede war.

Im Notfall lebensrettend: Ausschalten bzw. Stillsetzen oder Einschalten bzw. In-Gang-Setzen

Die DIN EN 60204 unterscheidet zwischen „Stillsetzen im Notfall“ und „Ausschalten im Notfall“. Stillsetzen bezieht sich auf das Anhalten einer Bewegung oder eines technischen Vorgangs, wenn eine Gefahr droht. Ausschalten betont eher den Aspekt, die Versorgung der Maschine mit elektrischer Energie zu unterbrechen, wenn eine Gefahr – etwa das Risiko eines Stromschlags – einen elektrischen Ursprung hat.

Ebenso kann es jedoch in anderen Gefahrensituationen notwendig werden, einen Prozess oder eine Bewegung einer Maschine willkürlich zu starten, dies wäre dann ein „Ingangsetzen im Notfall“. Soll eine Maschine oder Anlage bewusst mit elektrischer Energie versorgt werden weil dies notwendig ist, um eine Gefahrensituation zu entschärfen, handelt es sich analog um ein „Einschalten im Notfall“.

Somit könnte man – gemäß DIN EN 60204-1 – die oben bereits andiskutierten Begrifflichkeiten auch wie folgt zuordnen, ohne dass dies explizit durch die Maschinenrichtlinie so vorgegeben wäre:

Not-Aus = Ausschalten im Notfall
NOT-HALT= Stillsetzen im Notfall
Not-Ein = Einschalten im Notfall
Not-Start = Ingangsetzen im Notfall

Der Hersteller und Konstrukteur sollte die Bedienbarkeit einer Maschine und Anlage so gestalten, dass diese Notbefehlsfunktionen tatsächlich nur und ausschließlich in akuten Gefahrensituationen ausgelöst werden. Es darf keinerlei Anreiz vorhanden sein, Arbeitsabläufe vermeintlich abzukürzen oder zu erleichtern, indem man einen Prozess oder eine Maschinenbewegung durch NOT-HALT-Einrichtungen stoppt oder wieder startet.

Hinweis für Technische Redakteure

Der begriffliche Wechsel von Not-Aus zu NOT-HALT bedeutet nicht unbedingt, dass Not-Aus in Betriebsanleitungen und der Technischen Dokumentation nicht mehr verwendet werden darf. Wenn ein Not-Aus die Funktion im oben genannten Sinne besser beschreibt als ein NOT-HALT, ist der Begriff durchaus gerechtfertigt.

Das sagt die Maschinenrichtlinie zum NOT-HALT

Wichtig zu wissen sind zudem die folgenden Grundregeln, welche die Maschinenrichtlinie 2006/42/EG für NOT-HALT-Systeme vorgibt:

  • Maschinen, die von Hand gehalten oder geführt werden, sind von der Pflicht zu NOT-HALT-Befehlsgeräten ausgenommen (Hier genügt das Ziehen des Netzsteckers.).
  • NOT-HALT-Befehlsgeräte dürfen nicht als Ersatz für andere Schutzmaßnahmen dienen, sie dürfen diese jedoch ergänzen.
  • NOT-HALT-Funktionen müssen unabhängig von der aktuellen Betriebsart einer Maschine jederzeit verfügbar und betriebsbereit sein.
  • NOT-HALT-Funktionen müssen bei zusammenwirkenden Maschinen oder Maschinenteilen nicht nur die Maschine selbst, sondern alle damit verbundenen Einrichtungen stillsetzen, wenn davon bei Weiterlaufen eine Gefahr ausgehen kann. (MRL 1.2.4.4)

Betreiberpflichten zu Notbefehlseinrichtungen

Weitere Anforderungen ergeben sich für den Anwender bzw. den Betreiber der Maschine auch aus den berufsgenossenschaftlichen oder technischen Regelwerken. Ein NOT-HALT-Schalter muss

  • jederzeit sichtbar sein, er darf auf keinen Fall als Aufhänger für die Jacke oder ein Putztuch missbraucht werden.
  • jederzeit schnell, leicht und gefahrlos erreichbar sein, was bedeutet, dass z.B. bei verketteten Maschinen mit mehreren Bedienständen in aller Regel auch mehrere Schalter installiert sein müssen.
  • jederzeit funktionieren, was durch regelmäßige Prüfungen und Wartungen zu gewährleisten ist.

Einzelne Regelungen gehen für bestimmte Arbeitsmittel noch mehr ins Detail. So fordert z. B. die Technische Regel für Betriebssicherheit (TRBS) 1201, die sich mit den Prüfpflichten von Arbeitsmitteln befasst, für das Prüfen von horizontal arbeitenden Ballenpressen explizit, die „Vollständigkeit und Wirksamkeit der Notbefehls- und Schutzeinrichtungen“ einzubeziehen.

Für Arbeitsstätten ist mit dem Rettungszeichen E020 (s. Abb.) eine Kennzeichnung von NOT-HALT-Befehlseinrichtungen vorgesehen.

Rettungszeichen E020: NOT-HALT-Knopf (Quelle: Symbolekatalog, WEKA Media GmbH & Co. KG)

Für Arbeitsstätten ist mit dem Rettungszeichen E020 (s. Abb.) eine Kennzeichnung von NOT-HALT-Befehlseinrichtungen vorgesehen. Sie soll auf die Funktion hinweisen, um im Ernstfall schneller gefunden zu werden. Das Symbol ist genormt nach DIN EN ISO 7010.

Autor*in: Dr. Friedhelm Kring