Maschinenanlagen – sieben Irrtümer, die Sie vermeiden können
Kommt Ihnen das bekannt vor? Sie bauen Maschinenanlagen. Sie bauen schon lange Anlagen. Und Sie bauen gerne Anlagen. Die Technik haben Sie im Griff, die läuft in der Regel mehr oder weniger wie geschmiert. Aber all das andere, das ganze Rechtliche, was heute verlangt wird! Die viele Doku und was sonst noch alles.
Immer wenn Sie daran denken, haben Sie irgendwie ein ungutes Gefühl in der Magengegend. Mache ich alles richtig? Was habe ich vergessen? – Nein, passiert ist noch nichts Schlimmeres. Zum Glück.
Aber da ist dennoch dieses ungute Gefühl, nicht alles ganz so im Griff zu haben. Die Sorge, dass mal etwas passieren könnte, dass man einen Fehler gemacht haben könnte. Dass man etwas übersehen haben könnte, dass einem vielleicht doch irgendwie einer an den Karren fahren könnte …
Wissen ist Macht!
Gewiss, Maschinenanlagen sind komplex. Und die CE-Konformität für diese Anlagen ist es auch. Aber wer komplexe Anlagen bauen kann, kann auch die CE-Konformität meistern. Kein Hexenwerk – aber Fachkenntnis ist gefragt!
Sicherheit systematisch und nachhaltig herzustellen und nachzuweisen setzt einen entsprechenden Prozess voraus. Das geht nicht von heute auf morgen. Aber in der Zwischenzeit bauen Sie Anlagen. Sie arbeiten gegen die Zeit.
Lernen Sie aus den sieben verbreitetsten Irrtümern bei der CE-Konformität im Anlagenbau. Für Sie zusammengestellt. Leicht verständlich und gut begründet.
Info: In diesem Beitrag verwenden wir den Begriff „Maschinenanlage” gleichbedeutend mit dem Begriff „Gesamtheit von Maschinen” im Sinne der Maschinenrichtlinie.
Irrtum: Wir haben (k)eine Maschinenanlage im Sinne der Maschinenrichtlinie
Die Maschinenrichtlinie listet in Artikel 1, Anwendungsbereich alle Gewerke auf, die in ihren Anwendungsbereich fallen:
„(1) Diese Richtlinie gilt für die folgenden Erzeugnisse:
- Maschinen;
- auswechselbare Ausrüstungen;
- Sicherheitsbauteile;
- Lastaufnahmemittel;
- Ketten, Seile und Gurte;
- abnehmbare Gelenkwellen;
- unvollständige Maschinen.”
Von Maschinenanlagen ist hier nicht die Rede. Maschinenanlagen fallen also nicht unter die Maschinenrichtlinie.
Oder: Ich habe eine Maschinenanlage im Sinne der Maschinenrichtlinie, weil die einzelnen Maschinen meiner Anlage durch einen gemeinsamen NOT-HALT verbunden sind.
Warum ist das ein Irrtum?
Maschinenanlagen fallen unter die Maschinenrichtlinie. Denn „Maschine” im Sinne der Maschinenrichtlinie ist viel mehr, als was wir im üblichen Sprachgebrauch darunter verstehen. Lesen wir weiter:
Artikel 2, Begriffsbestimmungen der Maschinenrichtlinie macht deutlich, was alles eine Maschine im Sinne der Maschinenrichtlinie ist.
„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck „Maschine” die in Artikel 1 Absatz 1 Buchstaben a bis f aufgelisteten Erzeugnisse.”
Unvollständige Maschinen nach Buchstabe g) sind keine „Maschinen” im Sinne der Maschinenrichtlinie.
Und nun wird es spannend. Die Maschinenrichtlinie führt weiter aus:
„Ferner bezeichnet der Ausdruck a) „Maschine”
– eine mit einem anderen Antriebssystem als der unmittelbar eingesetzten menschlichen oder tierischen Kraft ausgestattete oder dafür vorgesehene Gesamtheit miteinander verbundener Teile oder Vorrichtungen, von denen mindestens eines bzw. eine beweglich ist und die für eine bestimmte Anwendung zusammengefügt sind;
– eine Gesamtheit im Sinne des ersten Gedankenstrichs, der lediglich die Teile fehlen, die sie mit ihrem Einsatzort oder mit ihren Energie- und Antriebsquellen verbinden;
– eine einbaufertige Gesamtheit im Sinne des ersten und zweiten Gedankenstrichs, die erst nach Anbringung auf einem Beförderungsmittel oder Installation in einem Gebäude oder Bauwerk funktionsfähig ist;
– eine Gesamtheit von Maschinen im Sinne des ersten, zweiten und dritten Gedankenstrichs oder von unvollständigen Maschinen im Sinne des Buchstabens g, die, damit sie zusammenwirken, so angeordnet sind und betätigt werden, dass sie als Gesamtheit funktionieren;
– eine Gesamtheit miteinander verbundener Teile oder Vorrichtungen, von denen mindestens eines bzw. eine beweglich ist und die für Hebevorgänge zusammengefügt sind und deren einzige Antriebsquelle die unmittelbar eingesetzte menschliche Kraft ist;”
Da haben wir sie also, die Maschinenanlage. Etwas versteckt in vier Einzeldefinitionen und mit der etwas kryptischen Bezeichnung „Gesamtheit von Maschinen”.
Was zeichnet eine „Gesamtheit von Maschinen” nun im Einzelnen aus? Wann ist eine Ansammlung von einzelnen Maschinen einfach nur eine Ansammlung von einzelnen Maschinen? Und wann eine CE-pflichtige „Gesamtheit von Maschinen”?
Fassen wir zusammen:
Eine CE-pflichtige „Gesamtheit von Maschinen” – also eine Maschinenanlage – liegt vor, wenn vollständige und/oder unvollständige Maschinen so angeordnet sind und betätigt werden, dass sie als Gesamtheit funktionieren.
Info: Achten Sie bitte genau auf die Begriffe der Maschinenrichtlinie: Eine „Gesamtheit von miteinander verbundenen Teilen oder Vorrichtungen” ist keine „Gesamtheit von Maschinen”! Eine „Gesamtheit von Maschinen” liegt auch dann vor, wenn diese Gesamtheit von miteinander verbundenen beweglichen Teilen/Vorrichtungen eine einbaufertige Gesamtheit ist, die erst nach Installation in einem Gebäude oder Bauwerk funktionsfähig ist.
Die Definition der Maschinenrichtlinie wirft Fragen auf:
- Wann ist eine Maschine eigentlich eine „Maschine” im Sinne der Maschinenrichtlinie?
- Was ist eine „Gesamtheit miteinander verbundener Teile oder Vorrichtungen”?
- Was ist mit „für eine bestimmte Anwendung zusammengefügt” gemeint?
- Was bedeutet es, dass mindestens ein Teil bzw. eine Vorrichtung beweglich sein muss?
- Was bedeutet es, dass die Maschine mit „einem Antriebssystem ausgestattet oder dafür vorgesehen” sein muss?
- Was bedeutet es, wenn einer Maschine „lediglich die Teile fehlen, die sie mit ihrem Einsatzort oder mit ihren Energie- und Antriebsquellen verbinden”?
- Wann ist eine Gesamtheit von Maschinen oder von unvollständigen Maschinen für ihr Zusammenwirken so angeordnet und wie wird sie so betätigt, dass sie als Gesamtheit funktioniert?