09.05.2017

Funkanlagenrichtlinie 2014/53/EU – Was tun bei fehlenden harmonisierten Normen?

Die neue Funkanlagenrichtlinie 2014/53/EU (radio equipment directive – RED) ist ab dem 13. Juni 2017 verbindlich für alle Funkanlagen anzuwenden, die in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallen. Dann endet eine einjährige Übergangsfrist, in der Produkte sowohl nach alter R&TTE-Richtlinie als auch schon nach neuer RED am Markt bereitgestellt werden durften.

Funkanlagenrichtlinie

Ein solcher Wechsel von einer alten auf eine neue CE-Richtlinie ist eigentlich keine Besonderheit. Infolge des alignment package wurden in 2016 schon zahlreiche andere CE-Richtlinien auf eine Neufassung umgestellt, z.B. die Niederspannungsrichtlinie 2014/35/EU oder die EMV-Richtlinie 2014/30/EU.

Bei der Funkanlagenrichtlinie gibt es nun aber ein spezielles Problem, das bei den anderen Richtlinien so nicht aufgetreten ist:

Denn die zuständige Normungsorganisation ETSI wird bis zum 13. Juni 2017 noch nicht alle relevanten Normen für Funkprodukte fertig gestellt haben. Diese sind damit zum Stichtag auch noch nicht im Amtsblatt der EU gelistet und mithin auch nicht harmonisiert.

Das stellt die Hersteller von Funkprodukten, deren Normen hiervon betroffen sind, vor ein ernstes Problem, das mit den Konformitätsbewertungsverfahren nach dieser Richtlinie zusammenhängt.

Mit der Konformitätsbewertung stellt ein Hersteller grundsätzlich sicher, dass sein Produkt alle wesentlichen Anforderungen der betreffenden Richtlinie erfüllt. Er dokumentiert diese Konformität mit dem Aufbringen des CE-Zeichens und der Ausfertigung der Konformitätserklärung.

Konformitätsbewertung nach 2014/53/EU

Die CE-Richtlinien sehen dabei verschiedene Verfahren der Konformitätsbewertung vor, zwischen denen der Hersteller auswählen kann. Die Funkanlagenrichtlinie kennt drei verschiedene Konformitätsbewertungsverfahren (auch Module genannt):

  1.  Konformitätsbewertungsmodul A Interne Fertigungskontrolle (Anhang II RED)
  2. Konformitätsbewertungsmodule B und C EU-Baumusterprüfung und Konformität mit dem Baumuster auf Grundlage der internen Fertigungskontrolle (Anhang III RED)
  3. Konformitätsbewertungsmodul H Konformität auf der Grundlage einer umfassenden Qualitätssicherung (Anhang IV RED)

Harmonisierte Normen

Dabei ist eines von großer Bedeutung:

Hat der Hersteller bei der Bewertung der Konformität von Funkanlagen mit den grundlegenden Anforderungen in Artikel 3 Absätze 2 und 3 der RED harmonisierte Normen angewandt, deren Fundstellen im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht wurden, so kann er aus allen drei Verfahren auswählen.

Hat der Hersteller bei der Bewertung der Konformität von Funkanlagen mit den grundlegenden Anforderungen in Artikel 3 Absätze 2 und 3 der Richtlinie harmonisierte Normen, deren Fundstellen im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht wurden, nicht oder nur zum Teil angewandt oder sind solche harmonisierten Normen nicht vorhanden, so kann er das Verfahren der Interne Fertigungskontrolle nicht anwenden!

Das heißt, er muss entweder über ein umfassendes Qualitätssicherungssystem verfügen (was nur sehr wenige Hersteller tun) oder ein muss eine EU-Baumusterprüfung durchführen lassen.

Dazu muss er dann zwingend eine notifizierte Stelle einschalten – er kann also nicht alleine die Konformität bewerten.

Grundsätzlich hat sich bei den Konformitätsbewertungsverfahren wenig gegenüber der R&TTE-Richtlinie geändert. Auch diese kannte schon verschiedene Module – mit oder ohne Einschaltung einer notifizierten Stelle.

Allerdings waren bei der R&TTE-Richtlinien alle relevanten Normen auch harmonisiert, also im Amtsblatt unter dieser Richtlinie veröffentlicht.

Genau das aber ist nun bei der RED noch nicht der Fall – hier fehlen nach wie vor noch Normen bzw. diese werden erst im Laufe von 2017 oder 2018 veröffentlicht werden.

Mehr zu den Hintergründen und v.a. den Konsequenzen dieser misslichen Lage erfahren Sie in unserem Produkt „Niederspannungsrichtlinie“.

Autor*in: Stephan Grauer