Die neue Funkanlagenrichtlinie 2014/53/EU
Diese Richtlinie ersetzt nicht „eins zu eins“ die alte Funkanlagenrichtlinie (R&TTE-Richtlinie 1999/5/EG), die schon ein gewachsenes Etwas war mit zahlreichen historisch bedingten Sätzen. So enthält die neue Richtlinie nicht mehr die drahtgebundenen Telefoneinrichtungen, die jetzt von der Niederspannungsrichtlinie abgedeckt werden.
Hintergrund
Die Niederspannungsrichtlinie 2014/35/EU fordert nicht nur die übliche elektrische Sicherheit und Brandsicherheit, sondern deckt auch den Fall „Wirkungen durch Strom im menschlichen Körper“ ab, was zu bislang seltsamen Rechtskonstruktionen führte, wenn EMV oder gar Funkwirkungen beschrieben werden sollten. Diese neue RED-Richtlinie soll besser als die Vorgängerrichtlinie doppelte Regelungen vermeiden, gleichzeitig aber – sofern notwendig – auf bestehende EMV-Vorgaben und elektrische Sicherheit verweisen.
Das klingt alles normal, jetzt aber kommen drei ungewohnte Aussagen:
- Radios sind jetzt von der Richtlinie erfasst. Die Begründung im EU-Wortlaut ist: „Obwohl Empfänger selbst keine funktechnischen Störungen verursachen, kommt den Empfangsfähigkeiten eine immer größere Bedeutung für die effiziente Nutzung von Funkfrequenzen durch größere Störfestigkeit der Empfänger gegen funktechnische Störungen und unerwünschte Signale gemäß den einschlägigen grundlegenden Anforderungen der Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union zu.“ (siehe Erwägungsgründe Nr. 11)
- Dann haben viele Menschen sich vor Jahren über die seltsamsten Steckerlösungen für immer das gleiche Problem geärgert: das Mobiltelefon aufzuladen. Die EU hatte damals sehr dezent direkt die Hersteller dazu bewegt, hier eine Lösung zu finden. Jetzt lautet die Lösung für solche Probleme etwas umfangreicher: „In einigen Fällen ist die Kommunikation mit anderen Funkanlagen über Netze und die Verbindung mit Schnittstellen des geeigneten Typs in der gesamten Union notwendig. Durch die Interoperabilität von Funkanlagen und Zubehör wie Ladegeräten wird die Nutzung von Funkanlagen vereinfacht und zur Verringerung unnötigen Abfalls und zur Senkung von Kosten beigetragen. Neuerliche Anstrengungen zur Entwicklung eines einheitlichen Ladegeräts für bestimmte Kategorien oder Klassen von Funkanlagen sind, insbesondere zum Nutzen der Verbraucher und anderer Endnutzer, notwendig; daher sollte diese Richtlinie spezifische Anforderungen in diesem Bereich enthalten. Insbesondere sollten auf dem Markt bereitgestellte Mobiltelefone mit einem gemeinsamen Ladegerät kompatibel sein.“ (siehe Erwägungsgründe Nr. 12)
- Der dritte Punkt ist für Techniker etwas ungewohnt, nach kurzem Nachdenken wird man aber erkennen können, dass es richtig ist, auf der Geräteebene dieses Problem des Datenschutzes bzw. der Verwendung von Daten anzugehen. Die EU sagt es so: „Der Schutz personenbezogener Daten und der Privatsphäre der Nutzer von und Teilnehmer an Funkanlagen sowie der Schutz vor Betrug können durch besondere Funktionen der Anlagen verbessert werden. In entsprechenden Fällen sollten Funkanlagen daher so konzipiert sein, dass sie diese Funktionen unterstützen.“ (siehe Erwägungsgründe Nr. 13)
Weitere Anforderungen, die aber nicht so abweichend von anderen EU-Richtlinien sind, sind ebenfalls modernisiert enthalten. So müssen alle Wirtschaftsakteure mithelfen, nur den Richtlinien entsprechende Produkte zu verkaufen, auch soll neben der verpflichtend anzugebenden Postadresse eine Webadresse angegeben werden (siehe Erwägungsgründe Nr. 26 bis 28).
Übergangsfristen
Nur auf den ersten Blick sind die Übergangsfristen in Artikel 49 angegeben, mit Datum 13. Juni 2016. Die Anwender dürfen die Funkanlagenrichtlinie ab dem 20. Tag nach Bekanntmachung (22. Mai 2014) anwenden, lösen damit aber möglicherweise Unverständnis bei den überwachenden Behörden aus, denn diese erwarten eine Aussage entsprechend den im Land geltenden Gesetzen. So liegt z.B. in Deutschland erst seit August 2015 ein Entwurf für die Gesetzesänderung vor.
Relativ unstrittig ist die Pflicht zur Anwendung ab 13. Juni 2016, was aber auch den spätesten Termin darstellt. Als Autor empfehle ich die sofortige Umstellung auf die Benennung der Richtlinie 2014/53/EU auf den Konformitätserklärungen, sofern nicht folgender Ausnahmezustand besteht:
Ausnahmen
Da drahtgebundene Telekommunikationseinrichtungen mit Anwendung der neuen Richtlinie vom Anwendungsbereich ausgeschlossen sind, ist hier eine neue Konformitätserklärung mit Schwerpunkt EMV-Richtlinie auszustellen.
Der Fall, dass Radios u.ä. Rundfunkempfänger vorher schon die Richtlinie 1999/5/EG eingehalten haben, dürfte die Ausnahme sein. Allgemein gilt, dass spätestens ab 13. Juni 2016 diese der RED-Richtlinie 2014/53/EG unterliegen und nicht mehr der bis dahin anzuwendenden EMV-Richtlinie.
Einzeln durch Baumusterprüfung zugelassene Funkanlagen können noch bis 12. August 2018 entsprechend den Baumusterprüfbescheinigungen auf dem europäischen Markt verkauft werden – möglicherweise ist hier aber mit den Prüfstellen Rücksprache zu nehmen, denn in kritischen Bereichen sind viele Details nur in den einzelnen Zulassungspapieren festgehalten worden. Normänderungen können ähnliche Wirkungen haben; formal ist spätestens ab 12. August 2018 die Regelung des Artikels 5 anzuwenden.
Und für Besserwisser der Hinweis: Die alte EMV- und die Niederspannungsrichtlinie werden spätestens zum 18. April 2016 durch die neuen Ausgaben ersetzt. Wer nun annimmt, dass bis 13. Juni 2016 eine etwas richtlinienlose Zeit für Rundfunkempfangsgeräte und Funkanlagen besteht, irrt, denn in vergleichbaren Fällen galt die Vorgabe „neue Richtlinie anwenden“, damit kein richtlinienloser Zustand besteht. Hier ist die Sinnhaftigkeit der alten und neuen Regelungen zu beachten, die nie eine ausschließlich datumsgenaue Anwendung zugelassen haben. Insbesondere bei so kleinen Unterschieden, die eher formalen Charakter haben, sind die grundlegenden Regelungen nach Richtlinie 768/2008/EG zu beachten.