07.05.2024

Entwicklungen und Trends in der EMV-Normung

Die elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) ist ein wichtiger Aspekt bei der Entwicklung und Normung elektronischer Geräte. Sie beschäftigt sich mit der Fähigkeit eines elektronischen Geräts, in seiner elektromagnetischen Umgebung zufriedenstellend zu funktionieren, ohne diese Umgebung unzulässig zu beeinträchtigen.

Wie EMV-Normen entstehen

Die Normung im Bereich Elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) entwickelt sich ständig weiter, um neuen technologischen Herausforderungen gerecht zu werden und um die Kompatibilität und Sicherheit elektronischer Systeme sicherzustellen. Hier sind einige aktuelle Trends und Entwicklungen in der EMV-Normung, die relevant sind:

  1. Internationalisierung der Standards: Die Harmonisierung von EMV-Standards auf internationaler Ebene, vor allem durch Organisationen wie die International Electrotechnical Commission (IEC) und das Institute of Electrical and Electronics Engineers (IEEE), gewinnt weiterhin an Bedeutung. Dies erleichtert globalen Handel und die Einhaltung von EMV-Anforderungen in verschiedenen Ländern.
  2. Anpassung an neue Technologien: Mit dem Aufkommen neuer Technologien wie 5G, Internet der Dinge (IoT) und autonomer Fahrzeuge müssen die EMV-Normen ständig angepasst und erweitert werden. Beispielsweise erfordern IoT-Geräte spezielle Betrachtungen hinsichtlich ihrer geringen Größe und ihrer oft drahtlosen Kommunikation.
  3. Erhöhte Frequenzbereiche: Moderne Kommunikationstechnologien erweitern die genutzten Frequenzbereiche, was zu neuen Herausforderungen bei der EMV führt. Normen müssen daher auch höhere Frequenzen und die damit verbundenen Störpotentiale abdecken.
  4. Cybersicherheit und EMV: Es gibt eine zunehmende Überschneidung zwischen EMV und Cybersicherheit, da elektromagnetische Störungen potenziell zur Beeinträchtigung der Informationssicherheit genutzt werden können. Die Integration von Sicherheitsaspekten in die EMV-Normung wird verstärkt diskutiert.
  5. Umweltaspekte und Nachhaltigkeit: EMV-Normen berücksichtigen zunehmend auch ökologische Aspekte. Dies beinhaltet die Reduzierung von elektromagnetischer Umweltverschmutzung und die Entwicklung nachhaltiger Praktiken in der Herstellung und Nutzung elektronischer Geräte.
  6. Spezifische Standards für spezielle Branchen: Bestimmte Branchen, wie die Medizintechnik oder die Automobilindustrie, entwickeln spezifische EMV-Normen, die auf die besonderen Bedürfnisse und Sicherheitsanforderungen in diesen Feldern zugeschnitten sind.

Die EMV-Normung ist ein dynamisches Feld, das sich ständig weiterentwickelt, um Schritt zu halten mit der rasanten Entwicklung der Elektronik und Technologie. Unternehmen und Entwickler müssen daher kontinuierlich die neuesten Normen und Richtlinien verfolgen, um die Konformität und Effektivität ihrer Produkte zu gewährleisten.

Anwendung von EMV-Normen

Anwender von EMV-Normen benutzen in der Regel den zum Zeitpunkt der Anwendung aktuellen Ausgabestand einer Norm, in manchen Fällen aber auch frühere Ausgaben einer Norm, beispielsweise falls sich Kundenanforderungen auf solche beziehen oder auch wenn die aktuellen Ausgabestände noch nicht in Konformitätsbewertungsverfahren umgesetzt sind.

Verfahren in der Europäischen Union (EU) zur EMV-Normung

Ein Beispiel für Letzteres sind die Verfahren in der Europäischen Union (EU) zur Aufnahme von EMV-Normen in das Amtsblatt der EU. Oftmals werden von der IEC veröffentlichte internationale Normen sehr zeitversetzt unter der EMV-Richtlinie gelistet, sodass formal für den EU-Raum die ältere, noch gelistete Ausgabe einer Norm für die Konformitätsbewertung heranzuziehen ist, international – oder auch wenn die IEC-Norm in eine EN-Norm ohne anschließende Listung übernommen wird – aber die neue IEC-Version bereits gilt. Damit besteht in einigen Fällen das Dilemma, dass ein älterer Ausgabestand gelistet ist, die neuere Ausgabe aber den Stand der Technik widerspiegelt – ein Umstand, dem in einer Risikobewertung Rechnung getragen werden muss.

Vorgaben und Anforderungen zur EMV-Normung

Die Vorgaben in EMV-Normen sind aber nicht nur relevant für Prüflabors, beispielsweise für die Durchführung von EMV-Prüfungen, oder für Hersteller, die solche Normen für ihre Produktbewertung heranziehen. In der Regel finden die in den Normen aufgeführten Spezifikationen auch Eingang in die Produktentwicklung, als Bestandteile eines Lasten- oder Pflichtenhefts. Das versteht sich eigentlich nahezu von selbst, da die benötigten EMV-Eigenschaften von vornherein in die Produkte „hinein-designed“ werden müssen. Allerdings werden EMV-Normen sowohl kontinuierlich weiterentwickelt als auch bei Bedarf neue Normen erstellt. Für Produkte, die über einen längeren Zeitraum vertrieben und verkauft werden sollen, stellt sich daher die Herausforderung, nicht nur die aktuellen Anforderungen zu berücksichtigen, sondern vorausschauend auch solche, die in naher Zukunft zu erwarten sind.

Eine umfassende Diskussion zu solchen zukünftigen Anforderungen findet in der Regel bei den Plenarsitzungen der EMV-Komitees statt. Insofern berichten die folgenden Ausführungen im Wesentlichen über die Ergebnisse und Aktivitäten, die sich aus diesen Sitzungen ergeben. Die letzte Plenarsitzung für TC 77 und CISPR fand im Oktober 2019 in Shanghai statt.

Für die Erarbeitung von EMV-Normen relevante Gremien

Die üblicherweise verwendeten EMV-Normen werden international bei der IEC (International Electrotechnical Commission) erarbeitet. Dies erfolgt in den beiden EMV-Komitees TC 77 und CISPR, als auch in verschiedenen Technischen Komitees, wobei in Letzteren die EMV-Normen lediglich produktspezifisch geschrieben werden und zwar auf der Basis der Vorgaben in den Normen von TC 77 und CISPR. Im Folgenden werden daher nur die Entwicklungen in diesen beiden Komitees betrachtet, ihre Ergebnisse fließen dann mehr oder weniger zeitverzögert in die Publikationen der Technischen Komitees ein, die für ihre jeweiligen Produkte eigene Produktnormen (sofern gewünscht) verfassen.

Normen von TC 77 und seinen Unterkomitees

Das Technische Komitee TC 77 „Elektromagnetische Verträglichkeit“ hat die Aufgabe, horizontale EMV-Publikationen zu erarbeiten; darunter fallen im Wesentlichen die Palette der Störfestigkeitsprüfverfahren als auch eine Reihe von Dokumenten, die sich mit der Beschreibung der verschiedenen Aspekte der elektromagnetischen Umgebung befassen. Der abgedeckte Frequenzbereich erstreckt sich bei der Störfestigkeit von 0 Hz bis 400 GHz (wenn auch derzeit die obere Frequenzgrenze noch nicht ausgeschöpft ist) und bei der Störaussendung bis 9 kHz (oberhalb von 9 kHz ist CISPR zuständig). Organisatorisch ist TC 77 in drei Unterkomitees aufgeteilt:

  • SC 77A: niederfrequente Phänomene
  • SC 77B: hochfrequente Phänomene
  • SC 77C: transiente Phänomene hoher Leistung

Übergreifende Arbeiten werden auf TC-77-Ebene in der Arbeitsgruppe (WG: Working Group) WG 13 geleistet.

Autor*in: Elisabeth Maurer