05.06.2024

EN IEC 62368-1: neuer sicherheitstechnischer Ansatz

DIN EN IEC 62368-1: Neue Anforderungen an Audio-, Video-, IT- und Telekommunikationstechnik

EN IEC 62368-1 Einrichtungen für Audio-/Video-, Informations- und Kommunikationstechnik – Teil 1: Sicherheitsanforderungen (Entwurf, 09/2022)

Teil 1 der Norm gilt verbindlich für Einrichtungen der Audio-, Video-, IT- und Telekommunikationstechnik. Wichtigste Änderung zu den Vorläufernormen ist ein neues Sicherheitskonzept.

Geltungsbereich

Der Geltungsbereich der DIN EN IEC 62368-1 betrifft im Bereich der Audio-, Video-, Informations- und Telekommunikationstechnik alle elektrischen und elektronischen Einrichtungen – inklusive elektrischer Büromaschinen – bis zu einer Nennspannung von 600 V sowie Bauteile und Baugruppen, die für den Einbau in solche Einrichtungen vorgesehen sind.

Ausgabedatum früherer Ausgaben

  • EN 62368-1:2022-09 Entwurf (hier genutzt)
  • EN 62368-1:2022-02
  • EN 62368-1:2021-05
  • EN 62368:2020 (3. Ausgabe)
  • EN 62368-1:2014 /AC:2015 (harmonisiert)
  • EN 62368-1:2011 (1. Ausgabe)

Die vorausgegangene Normen waren DIN EN 60950-1 (VDE 0805-1):2011-01 mit den Änderungen DIN EN 60950-1/A12 (VDE 0805-1/A12):2011-08 sowie die DIN EN 60065 (VDE 0860):2011-10.

Internationales Dokument EN IEC 62368-1

Das internationale Dokument wurde vom TC 108 „Safety of electronic equipment within the field of audio/video, information technology and communication technology“ der Internationalen Elektrotechnischen Kommission (IEC) erarbeitet und den nationalen Komitees zur Stellungnahme vorgelegt. Die IEC und das Europäische Komitee für Elektrotechnische Normung (CENELEC) haben vereinbart, dass ein auf IEC-Ebene erarbeiteter Entwurf für eine Internationale Norm zeitgleich (parallel) bei IEC und CENELEC zur Umfrage (CDV-Stadium) und Abstimmung als FDIS (engl.: Final Draft International Standard) bzw. Schluss-Entwurf für eine Europäische Norm gestellt wird, um eine Beschleunigung und Straffung der Normungsarbeit zu erreichen. Dokumente, die bei CENELEC als Europäische Norm angenommen und ratifiziert werden, sind unverändert als Deutsche Normen zu übernehmen.

Der Umfang der Norm beträgt 774 Seiten insgesamt, der deutsche Teil umfasst 404 Seiten.

Die Fakten zur EN IEC 62368-1

Die EN 62368 ist als Norm für IT-Geräte ungewöhnlich, denn der Anwendungsbereich ist sehr groß, d.h. er erstreckt sich vom kleinen USB-Stick bis hin zum Aktenvernichter. Bei einigen IT-Geräten wäre wohl besser die Maschinenrichtlinie anzuwenden, aber international ist es möglich, eine solche Maschine als IT-Gerät nach dieser Norm zu behandeln.

Diese Norm fordert eine eigenständige Sicherheitsbetrachtung. Deshalb finden Sie im Zusammenhang mit dieser Norm die Kürzel

  • ES für elektrische Energiequellen, wobei Klasse ES 1 harmlos ist und ES 3 als höchste Klasse die typischen tödlichen Gefahren elektrischen Stroms aufzeigt.
  • MS für mechanische Energiequellen, MS 1 ist harmlos, MS 3 möglicherweise tödlich
  • PS: oft ist es nicht alleine die Spannung oder der Strom, sondern die Leistung des Produkts, welche tödliche Probleme auslöst, abgekürzt mit PS 1 bis PS 3.
  • TS: wo Leistung auftritt, ist auch Wärme anzutreffen, deshalb gibt es eine Betrachtung der thermischen Energiequellen, kurz TS 1 bis TS 3.
  • RS: wo Ströme sind, sind auch Strahlungsquellen, wobei hier nicht nur elektromagnetische Felder, sondern auch Röntgenstrahlung, Lichtstrahlung bis hin zu UV-Licht sowie Schallpegel, wie sie z.B. am Kopfhörerausgang eine Gerätes auftreten können, behandelt werden.
    Die theoretische Einteilung ist auch hier von RS 1 bis RS 3, es sind aber vielfältige Normen bereits vorhanden, z.B. bei LED im Rahmen der EN 62471 oder auch der Lasernorm EN 60825. Daher sind tiefergehende Bearbeitungen im RS-Rahmen selten, denn die Anwendung bekannter Normen reicht aus.

EMV

Wer die Norm EN 62368 anwendet, wird zur EMV meist die folgenden Normen anwenden:

  • DIN EN 55032 VDE 0878-32:2022-08: Elektromagnetische Verträglichkeit von Multimediageräten und Einrichtungen — Anforderungen an die Störaussendung
  • DIN EN 55035/A11 VDE 0878-35/A11:2022-06: Elektromagnetische Verträglichkeit von Multimediageräten — Anforderungen zur Störfestigkeit und sofern Netzanschluss vorhanden die beiden Normen
  • DIN EN IEC 61000-3-2: 2023–10: Elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) — Teil 3-2: Grenzwerte — Grenzwerte für Oberschwingungsströme (Geräte-Eingangsstrom ≤ 16 A je Leiter)
  • DIN EN 61000-3-3 VDE 0838–3:2023–02: Elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) — Teil 3-3: Grenzwerte – Begrenzung von Spannungsänderungen, Spannungsschwankungen und Flicker in öffentlichen Niederspannungs-Versorgungsnetzen für Geräte mit einem Bemessungsstrom ≤ 16 A je Leiter, die keiner Sonderanschlussbedingung unterliegen

Weitere zu beachtende Vorgaben zur EN IEC 62368-1

  • RoHS-Richtlinie 2011/65/EU
  • Ökodesign-Richtlinie 2009/125/EG

Wer die EN IEC 623681-1 anwendet, hat sich sicher schon über die verschiedenen Ausgaben gewundert, die es aktuell gibt.

Entwurfsdatum September 2022

Wir arbeiten mit dem Entwurfsdatum September 2022, weil dieses die bislang umfassendste Darstellung der Normeninhalte enthält. Allerdings ist der Umfang von mehr als 400 Seiten für die meisten Anwender abschreckend.

Hintergrund ist eine negative Begutachtung der Fassung 3. Ausgabe (EN IEC 62368-1:2020) durch das neue HAS Consultant System der Europäischen Kommission. Daher nutzen wir den aktuellen Entwurf, der auf der 3. Ausgabe („Edition“) der EN IEC 62368-1 basiert und viele Fehler im Text der 2. Ausgabe behebt. Die 2. Ausgabe der Norm (EN 62368-1:2014 + AC:2015) war als harmonisierte Norm gelistet, weil dies vor dem neuen Begutachtungssystem der EU beschlossen war.

Warum die neue Norm noch uralte Geräte aus der IT-Steinzeit wie Heftmaschinen und motorisierte Aktenschränke im Anwendungsbereich beibehalten hat, bleibt unklar, denn es gibt Normen, die diese Bereiche besser abdecken.

Die neuen Ausgaben der EN IEC 62368-1 sind für moderne Fragestellungen wie Fernspeisung und USB-Leistungsanschlüsse bis zu QI-Ladefunktionen deutlich besser und sinnvoller geeignet als ältere Normvorgaben.

Was kann man verbessern?

Wenn wir etwas an der Norm verbessern würden, wäre es die Klärung, wie weit der Entwickler die Folgen der Risikobeurteilung auslegen darf, denn die Norm tendiert immer wieder zum altbewährten Vorgabensystem ohne Verantwortung für den Menschen, der am oder mit dem Gerät arbeitet – oder um es anders zu sagen: Auch in den gefährlichen Zuständen („Klasse 3“) muss ein Mindestmaß an Sicherheit vorhanden sein.

Die Verweise auf andere Normen wie z.B. für Laser sind nicht optimal, d.h., wer streng nach Text arbeitet, wird doppelt prüfen, denn die Sicherheitsverriegelungen (Anhang K) sind eigentlich nur bei Lasereinrichtungen nach dieser Norm sinnvoll und dann doch wieder anders formuliert. Die Vorgaben an die Anleitung und das Typenschild sind unklar formuliert, d.h., die aktuelle Mode von Mobilfunkgeräten, denen man ohne Einschalten kaum den Typ und notwendige Anschlüsse entlocken kann, wird durch diese Norm gedeckt. Das korrespondiert nicht mit den aktuellen EU-Gerätevorgaben.

Autor*in: Jo Horstkotte

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