E DIN EN 82079-1 Erstellen von Gebrauchsanleitungen
Die DIN EN 82079-1 ist die Grundnorm für Technik-Redakteure. Somit ist sie unverzichtbares Bordmittel in Technik-Redaktionen und Gutachterbüros. Die konkreten, detaillierten und umfassenden Ratschläge in der Norm sind eine bewährte und unverzichtbare Hilfe in der täglichen Redaktionsroutine.
Sie können auch als Vertragsgrundlage zwischen Auftraggeber (Hersteller in der Industrie) und Auftragnehmer (externer Dienstleister) von Anleitungen dienen.
Die Norm (edition 2013) enthält (zurzeit noch) im Anhang zwei umfangreiche Checklisten:
- eine für den richtigen und vollständigen Inhalt, Anhang B, und
- eine für die Darstellung und Verständlichkeit, Anhang C,
sodass Gutachter anhand dieser Checklisten bei Anleitungen objektiv nachvollziehbar deren Qualität kontrollieren und sie zertifizieren können.
Dritte Wiedergeburt der DIN EN 82079-1 Erstellen von Gebrauchsanleitungen – Gliederung, Inhalt und Darstellung – Teil 1: Allgemeine Grundsätze und ausführliche Anforderungen
Unsere gute alte Anleitungsnorm sieht nun ihrer dritten Wiedergeburt entgegen:
- Erstauflage DIN 62079:2001-11
- zweite Ausgabe DIN EN 82079-1:2013-06
- Entwurf Überarbeitung DIN EN 82079-1:2018-05
- voraussichtlich endgültig DIN EN 82079-1:2019-03
Frist zur Stellungnahme: 13.06.2018
Link zur Stellungnahme (wenn man sich zuvor kostenlos registriert hat): www.din.de/de/mitwirken/entwuerfe/ne-stellung/wdc-beuth:din21:287796217
Bei dieser Norm handelt es sich um ein Dokument, das ursprünglich beim DIN-Normen-Ausschuss Dokumentationswesen in Berlin erfunden wurde. In späteren Auflagen wanderte es in englischer Übersetzung zur ISO nach Tokio aus, um von dort an die ISO-Mitglieder in aller Welt zur Kommentierung verteilt zu werden. Nachdem Tausende kluger Köpfe das Dokument kommentiert hatten, kam es als DIN EN IEC nach Berlin zurück. Und darin haben wir Berliner Normenmitarbeiter nicht mehr allzu viel von unserem Urtext wiedergefunden.
So werden in der Neuauflage z.B. fehlen:
- das Beispiel-Inhaltsverzeichnis als Strukturierungshilfe (wie auch schon in der 2013er-Ausgabe) und
- die beiden Checklisten zur Qualitätskontrolle (2013: „Anhang B Überprüfung der sachlichen Richtigkeit und Vollständigkeit” sowie „Anhang C Überprüfung der Darstellung und Verständlichkeit”)
Falscher Titel
Der Titel ist auch wieder falsch – genau wie in der aktuellen Ausgabe. Gebrauchsanleitungen bezeichnen lediglich Anleitungen für Konsumgüter. Betriebsanleitungen dagegen bezeichnen Anleitungen für Investitionsgüter und Arbeitsmittel. Also wäre im Titel der Oberbegriff Anleitungen umfassend für beide Kategorien korrekt gewesen. Noch dazu verwendet die neue Fassung den Begriff Nutzungsinformation synonym zu Gebrauchsanleitung. Das verletzt die goldene Regel der Textverständlichkeit: „Konsistenz der Begriffe”.
Allzu viele substanzielle Änderungen gibt es in der neuen Fassung nicht. Der Norminhalt ist etwas anders strukturiert. Manch ein Abschnitt ist informativer als in der Vorgängerfassung. Einige der bisherigen informativen Anhänge wurden in den normativen Teil verschoben.
Insgesamt erscheint bei einer künftigen Auflage eine professionelle redaktionelle Bearbeitung wünschenswert. Eine Anleitungsnorm sollte mit gutem Beispiel vorangehen. Eins von 100 Kriterien für Textverständlichkeit ist die Satzlänge. Im Redaktionshandbuch für VDI-Richtlinien z.B. heißt es:
„Als Empfehlung gilt: Sätze mit durchschnittlich etwa 15 Wörtern sind für Leser mit guten Deutschkenntnissen angemessen und genügen den Forderungen an eine gute Verständlichkeit.”
Ein Negativbeispiel aus der Anleitungsnorm ist ein Satz mit 69 Wörtern (Abschnitt 7.11.4, letzter Absatz):
„Zusätzlich zu Sicherheitshinweisen müssen Sicherheitsinformationen in die Informationen für die bestimmungsgemäße sichere Verwendung des Produkts einschließlich der bestimmungsgemäßen Umgebung, die Art der Anwendung, die erforderlichen Werkzeuge, die Schutzfunktionen des zu installierenden oder aktivierenden Produkts, den sicheren Gebrauch und die Entsorgung des Produkts, die Arbeitsmaterialien und Verbrauchsmaterialien, die Identifizierung der zulässigen Modifikationen des Produkts; und die Verfahren zur Erhaltung des Produkts in einem sicheren Zustand und zur sicheren Entsorgung eingebunden sein.”
Zudem ist das eine Satzklappe. Zwischen „müssen” und „eingebunden sein” zerreißen 64 Wörter den Sinnzusammenhang.
Das Qualitätshandbuch für Normensetzer, die DIN-820-Serie, verbietet Fehler und Widersprüche in Normen und verlangt Textverständlichkeit. Wenn aber ein bis zwei Dutzend Experten im Normenausschuss sitzen, kommen die unterschiedlichsten Kompetenzen und Qualifikationen der interessierten Kreise zusammen. Im Zweifel gewinnt, wer am lautesten kräht – Qualitätshandbuch hin oder her.
Jeder Technik-Redakteur braucht die Norm
Trotz alledem: Jeder Technik-Redakteur braucht ab Frühjahr 2019 die neue Fassung der Anleitungsnorm im ständigen Zugriff als
- Vertragsgrundlage,
- Argumentationshilfe,
- Arbeitshilfe,
- Hilfe zur Qualitätskontrolle und
- Grundlage für Änderungsvorschläge zur nächsten Auflage der Norm.
Behalten Sie also den Erscheinungstermin der endgültig neuen Ausgabe im Auge:
https://www.beuth.de/de/norm-entwurf/din-en-82079-1/287796217
Für unsere Anleitungsnorm gilt dasselbe wie für alle Normen: Normen sind nicht für Laien gemacht, sondern für Fachleute. Das heißt: Sie müssen die Norm mit Verstand lesen und anwenden. Bei Unstimmigkeiten im Normtext müssen Sie sich eigenverantwortlich für die richtige Lösung entscheiden und dies sauber dokumentieren, damit Ihnen keine Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist.
Alles in allem gehe ich davon aus: Wenn Sie bisher schon erfolgreich gute Anleitungen geschrieben haben, dann schaffen Sie das mit der neuen Anleitungsnorm erst recht.