22.02.2019

Außervertragliche Haftung: Produkthaftung nach dem Produkthaftungsgesetz

Jeder Hersteller muss darüber informiert sein, inwieweit er für einen Fehler seiner Produkte haftbar gemacht werden kann. Die Produkthaftung ist im Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG) geregelt. Das Produkthaftungsgesetz schreibt vor, wann und wer für Folgeschäden an Personen und Sachen haftet, die ein fehlerhaftes Produkt verursacht hat.

Rechtsprechung

Für Schäden am fehlerhaften Produkt selbst gilt die Produkthaftung somit nicht. Hierfür stehen dem Käufer Gewährleistungsansprüche gegen seinen Verkäufer zur Verfügung.

Schutzziel des Produkthaftungsgesetzes ist, dass der Verbraucher in seiner körperlichen Integrität und sein persönliches Eigentum geschützt wird.

Anwendungsbereich des Produkthaftungsgesetzes

Produkt

Sachlich muss zunächst ein „Produkt” vorliegen. Der Begriff „Produkt” ist definiert als eine bewegliche Sache.

Fehler

Das Produkt muss einen „Fehler” aufweisen.

Gemäß § 3 ProdHaftG hat ein Produkt einen Fehler, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere

  • seiner Darbietung,
  • des Gebrauchs, mit dem billigerweise gerechnet werden kann,
  • des Zeitpunkts, in dem es in den Verkehr gebracht wurde,

berechtigterweise erwartet werden kann.

Das Produkt muss hinsichtlich Konstruktion, Fabrikation und ggf. beizugebender Instruktion so beschaffen sein, dass es die körperliche Unversehrtheit des Benutzers oder eines Dritten nicht beeinträchtigt und sein sonstiges privates Eigentum nicht beschädigt. Berechtigterweise kann eine Sicherheit erwartet werden, wie sie in Normenforderungen beschrieben ist, weil Normen den Stand der Technik repräsentieren (= objektiver Maßstab). Die Anwendung von Normen ist grundsätzlich freiwillig, aber: Wenn ein Hersteller anwendbare Normen nicht anwendet, sondern stattdessen eine eigene innovative Lösung entwickelt, dann kehrt sich die Beweislast um. Dann muss er beweisen, dass sein Produkt mindestens genau so sicher ist, als hätte er anwendbare Normen angewendet.

Abzustellen ist dabei nicht auf die subjektive Sicherheitserwartung des jeweiligen Benutzers, sondern auf die Erwartung eines verständigen, objektiven Verbrauchers. Eine Haftung ist ausgeschlossen, wenn die fehlende Sicherheit von der Allgemeinheit hingenommen wird. So ist beispielsweise allgemein bekannt und akzeptiert, dass der Konsum von Zigaretten Krebs auslösen kann.

In den unterschiedlichen Stadien der Warenherstellung wird zwischen folgenden Fehlerkategorien unterschieden, die auch nebeneinander vorliegen können:

  • Konstruktionsfehler: Das Produkt ist infolge fehlerhafter technischer Konzeption oder Planung für eine gefahrlose Benutzung ungeeignet.Erforderlich sind Maßnahmen, die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik zum maßgeblichen Zeitpunkt, d.h. zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens (oder Bereitstellens, z.B. für die Selbstnutzung), konstruktiv möglich, d.h. nach gesichertem Wissen praktisch einsatzfähig sind und als geeignet und genügend erscheinen, um Schäden zu verhindern. Die anerkannten Regeln der Technik bilden in der Regel den Mindeststandard.
  • Fabrikationsfehler: Fehler, die bei der Herstellung selbst entstehen. Zu ihnen gehören insbesondere sog. „Ausreißer”, d.h. Fabrikationsfehler, die trotz aller zumutbaren Vorkehrungen unvermeidbar sind. Ein Fabrikationsfehler ist es auch, wenn ein Material verwendet wurde, das nicht dieselbe Beanspruchbarkeit bietet wie das konstruktiv vorgesehene Material, z.B. weil dieses gerade nicht vorrätig war.
  • Instruktionsfehler: Sie bestehen in fehlerhaften oder unzureichenden Betriebsanleitungen, Hinweisen und Warnungen. Zu warnen ist vor denjenigen Gefahren, die bei bestimmungsgemäßem Gebrauch oder einem naheliegenden Fehlgebrauch drohen und nicht zum allgemeinen Gefahrenwissen des Benutzerkreises gehören, wobei sich die Anforderungen im Einzelfall nach den gefährdeten Rechtsgütern und der Größe der Gefahr richten.

Für die Produktsicherheit ist immer der Zeitpunkt des Inverkehrbringens/Bereitstellens und nicht der Zeitpunkt des Schadenseintritts entscheidend. Der Hersteller muss daher nur die Erwartungen der Allgemeinheit zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens/Bereitstellens berücksichtigen.

Gemäß § 3 Abs. 2 ProdHaftG hat ein Produkt nicht schon deshalb einen Fehler, weil später ein verbessertes Produkt in den Verkehr gebracht oder bereitgestellt wird.

Rechtsgutsverletzung

Durch diesen Fehler muss eine Rechtsgutsverletzung eingetreten sein, die bestehen kann in

  • Tod, Körper- oder Gesundheitsverletzung oder
  • einem Sachschaden, wenn die beschädigte Sache nicht das fehlerhafte Produkt selbst ist und sie überwiegend privat genutzt wird.

Beweislast

Die Beweislast für das Vorliegen eines Fehlers und dessen Ursächlichkeit für den entstandenen Schaden liegt beim Geschädigten. Da es sich beim Produkthaftungsgesetz jedoch um ein Verbraucherschutzgesetz handelt, bestehen Beweiserleichterungen. Zum Beispiel muss der Geschädigte nur den Fehler zum Zeitpunkt des Schadens beweisen, nicht jedoch, dass der Fehler schon zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens vorhanden war. Darüber hinaus gilt der Beweis des ersten Anscheins, wonach typische Geschehensabläufe nicht zu beweisen sind, sondern unter Einbeziehung der Lebenserfahrung als wahr unterstellt werden.

Haftende

Gemäß § 4 ProdHaftG haftet der „Hersteller”. In § 4 ProdHaftG sind folgende Personengruppen als Hersteller definiert:

  • Hersteller des Endprodukts: Voraussetzung ist, dass es sich um eine gewerbsmäßige Herstellung handelt. Der Hersteller des Endprodukts haftet auch für fehlerhafte Zukaufteile.
  • Hersteller des Teilprodukts: Der Hersteller eines Teilprodukts kann für den gesamten entstandenen Schaden haftbar gemacht werden wie der Endprodukthersteller. Dies betrifft insbesondere Hersteller von Grundstoffen, die nur die Rohstoffe für das Endprodukt liefern.
  • Quasihersteller: Dies sind Personen, die nach außen den Eindruck erwecken, sie seien der tatsächliche Hersteller, beispielsweise durch Anbringung des eigenen Namens oder einer eigenen Marke. Ein Quasihersteller kann dann von der Haftung frei werden, wenn er neben seinem Namen auch noch den Namen des tatsächlichen Herstellers auf dem Produkt anbringt oder ihm eine reine Händlereigenschaft zukommt. Eine nachträgliche Benennung des tatsächlichen Herstellers im Schadensfall genügt nicht für einen solchen Haftungsausschluss.
  • Importeure: Bei Importen aus Mitgliedstaaten der EU wird der Importeur haftungsfrei, wenn er den Hersteller benennen kann. Bei Importen aus sog. Drittstaaten außerhalb der EU haftet der Importeur jedoch neben dem eigentlichen Hersteller. Dies gilt auch bei deutschen Reimporten aus Drittländern.
  • Händler: Auch der Händler kann haftbar gemacht werden, allerdings nur, wenn der Hersteller nicht festgestellt werden kann und der Händler den Hersteller nicht innerhalb eines Monats benennen kann.

Bei Haftung mehrerer Hersteller haften diese gemäß § 5 ProdHaftG als Gesamtschuldner.

Weitere Informationen zur Produkthaftung des Herstellers nach Produkthaftungsgesetz finden Sie in unserem Produkt Technische Dokumentation.

 

Autor*innen: Dr. Anke Thiedemann (Fachanwältin für Gewerblichen Rechtsschutz), Dipl.-Ing. Wolfram W. Pichler (Von der IHK oeffentlich bestellter und vereidigter Sachverstaendiger für Technische Dokumentation)