05.02.2018

Zuweisung einer Obdachlosenunterkunft

Die aus einem sozialschädlichen Verhalten des Obdachlosen folgende „Unterbringungsunfähigkeit“ in einer Gemeinschaftseinrichtung lässt die grundsätzliche Verpflichtung der Sicherheitsbehörde zur Gefahrenabwehr unberührt; bei festgestellter Selbst- oder Fremdgefährdung kommt allerdings vorrangig eine Unterbringung nach dem Unterbringungsgesetz in Betracht (VGH München, Beschluss vom 27.12.2017, Az. 4 CS 17.1450).

Zuweisung Obdachlosenunterkunft

Der Antragsteller bewohnte nach Einweisung mit Ehefrau und Kind seit dem Jahr 2014 eine städtische Obdachlosenwohnung (Größe ca. 72 m²). Es folgten tätliche Auseinandersetzungen, Bedrohungen und Belästigungen durch den Antragsteller gegenüber Mitbewohnern sowie Vertretern der Wohnungsbaugesellschaft. Die Behörde ordnete daraufhin die Räumung der Wohnung an. Der Antragsteller zog aus der Wohnung aus, die Ehefrau mit Kind wurde in eine Ersatzwohnung eingewiesen.

Nach Hin und Her, Einweisung der Ehefrau in eine andere Unterkunft und Gerichtsverfahren verfügte die Ordnungsbehörde nochmals im Jahr 2017 eine sofort vollziehbare Räumungsanordnung und Einweisung des Antragstellers (bis dahin obdachlos) mit Ehefrau und Kind in eine Unterkunft mit ca. 46 m². Auch die Einweisungsverfügung der Ehefrau in eine bisher zugewiesene andere Wohnung wurde widerrufen und sie wurde dort eingewiesen.

Der Antragsteller wendete sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gegen die Anordnung der Antragsgegnerin, die von ihm ab dem Jahr 2014 bewohnte Obdachlosenunterkunft zu räumen, und hielt diesen Antrag auch nach Zuweisung einer anderen Obdachlosenunterkunft zum Dezember 2017 aufrecht. Er bestritt die Vorwürfe gegen ihn und wollte seinen Sohn in eine angemessene Wohnung mit aufnehmen. Die zugewiesene Wohnung sei zu klein.

Das Verwaltungsgericht Bayreuth lehnte den Antrag des Antragstellers ab; der Verwaltungsgerichtshof kam zum gleichen Schluss.

Entscheidungsgründe

  • Der obdachlosenrechtlich Untergebrachte hat grundsätzlich keinen Rechtsanspruch darauf, in der ihm einmal zugewiesenen Unterkunft auf Dauer zu bleiben, sondern muss es hinnehmen, in eine andere Unterkunft verlegt zu werden. Die Einweisung in die bisherige Unterkunft kann daher aus sachlichen Gründen jederzeit widerrufen und der Eingewiesene zur Räumung aufgefordert werden.
  • Im vorliegenden Fall waren der Widerruf der Einweisung und die Räumungsanordnung hinsichtlich der bisherigen Obdachlosenunterkunft wegen der Störung des Hausfriedens, an der der Antragsteller nach Aktenlage zumindest maßgeblich beteiligt war, gemäß § 8 Abs. 3 der Obdachlosenunterkunftssatzung der Antragsgegnerin – unabhängig von der strafrechtlichen Relevanz der Vorfälle – rechtlich nicht zu beanstanden.
  • Nach der Rechtsprechung haben Obdachlose grundsätzlich Anspruch auf ganztägige Unterbringung. Dabei kommen auch Unterkünfte einfachster Art infrage, soweit eine menschenwürdige Unterbringung gewährleistet ist. Die bloße Zurverfügungstellung einer Schlafmöglichkeit in der Nacht beseitigt unabhängig von den Witterungsverhältnissen die Obdachlosigkeit des Betroffenen nicht. Auch die aus einem unangepassten, sozialschädlichen Verhalten des Obdachlosen folgende „Unterbringungsunfähigkeit“ in einer Gemeinschaftseinrichtung ändert an der grundsätzlichen Verpflichtung der Sicherheitsbehörde zur Gefahrenabwehr nichts; bei festgestellter Selbst- oder Fremdgefährdung kommt allerdings vorrangig eine Unterbringung nach dem Unterbringungsgesetz in Betracht.
  • Die Antragsgegnerin konnte angesichts der in der bisherigen Unterkunft aufgetretenen Konflikte zwar das bisherige Nutzungsverhältnis mit dem Antragsteller beenden und ihn zur Räumung auffordern; sie durfte ihm aber aufgrund der ersichtlich fortbestehenden Obdachlosigkeit die erneute Unterbringung wohl nicht generell verweigern. Das ersatzlose Beenden des bisherigen Benutzungsverhältnisses mit der Begründung, es bestehe aufgrund seines Verhaltens keine Unterbringungspflicht, dürfte danach (ursprünglich) ermessensfehlerhaft gewesen sein, sodass das Rechtsschutzbegehren des Antragstellers hätte Erfolg haben müssen. Dies wurde jedoch mit Bescheid zur gemeinsamen Unterbringung geheilt.
  • Soweit der Antragsteller an seiner diesbezüglichen Beschwerde festhält und nunmehr geklärt wissen will, ob die ihm angebotene neue Unterkunft den obdachlosenrechtlichen Mindestanforderungen genügt, ist ihm entgegenzuhalten, dass dies nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist.
  • Ungeachtet dieser fehlenden Entscheidungserheblichkeit weist der Senat darauf hin, dass ein entsprechendes Verpflichtungsbegehren nach derzeitigem Stand kaum Aussicht auf Erfolg haben dürfte. Die dem Antragsteller, seiner Ehefrau und dem gemeinsamen Kind neu zugewiesene Obdachlosenunterkunft ist mit einer Größe von ca. 46 m² auch für eine dreiköpfige Familie als Obdachlosenunterkunft ausreichend groß. Obdachlose haben keinen Anspruch auf eine „Sozialwohnung“ mit den hierfür geltenden Anforderungen hinsichtlich der Größe. Die Unterbringung obdachloser Personen in Obdachlosenunterkünften soll ihrem Wesen als sicherheitsrechtlicher Notmaßnahme entsprechend grundsätzlich nur für einen begrenzten Zeitraum erfolgen; die Beseitigung der Obdachlosigkeit durch menschenwürdige Unterbringung ist das vorrangige sicherheitsrechtliche Ziel. Dabei kann auf ein etwaiges Umzugsgut der Betroffenen (Hausstand) und – zumindest vorübergehend – auf gesundheitliche Einschränkungen keine Rücksicht genommen werden. Da die Obdachlosenunterbringung nicht der Verschaffung angemessenen Wohnraums dient, wäre die hier zugewiesene Wohnung ihrer Größe nach auch dann noch ausreichend, wenn eine weitere minderjährige Person – etwa der bisher auswärts untergebrachte Sohn des Antragstellers – dort zusätzlich unterzubringen wäre.

Hinweis: Der Beschluss enthält zahlreiche Verweise zu anderen Gerichtsentscheidungen.

Ergebnis

Die Beschwerde hatte keinen Erfolg.

Autor*in: Georg Huttner (Oberamtsrat a.D. Georg Huttner ist Autor für die Titel Ordnungsamts- und Gewerbeamtspraxis.)