Darf ein Karnevalsverein zusätzliche Straßennamen vergeben?
In einer hessischen Stadt, einer Hochburg des Karnevals, duldet die Ordnungsbehörde die Vergabe von zusätzlichen Straßennamen durch die Karnevalsgesellschaft. Wir gehen der Frage nach, ob dies zulässig ist.
Karnevalsverein vergibt zusätzliche Straßennamen
Wer durch eine hessische Stadt schlendert und sieht, dass einige Straßen mit zwei Namen bezeichnet sind, steht zunächst sehr verwirrt vor den Schildern. Eine Rückfrage bei der Ordnungsbehörde löst das Rätsel: Die Stadt, eine Karnevalshochburg, lässt es zu, dass der örtliche Karnevalsverein zusätzliche Straßennamen vergibt. Die Straße, in der die amtierende Karnevalsprinzessin bzw. der Karnevalsprinz wohnt, wird zusätzlich mit den Namen „Prinzessinnenweg“ bzw. „Prinzenweg“ benannt. Für die Dauer der Amtszeit der Prinzessin bzw. des Prinzen (jeweils rund 1 Jahr) trägt die Straße daher zwei Namen. Beginnt die Amtszeit einer neuen Prinzessin bzw. eines neuen Prinzen, trägt die Straße, in der sie oder er wohnt, für das folgende Jahr den Namen „Prinzessinnenweg“ bzw. „Prinzenweg“.
Rechtsgrundlagen sowie Sinn und Zweck der Straßenbenennung
Das Recht, den öffentlichen Straßen (also Plätzen, Wegen, Brücken usw.) Namen zu geben, ist eine Selbstverwaltungsangelegenheit der Gemeinden i.S.v. Art. 28 Abs. 2 GG. Um welche Straßenklassifizierung es sich hierbei handelt, z.B. um eine Bundesstraße, Landesstraße, Kreis- oder Gemeindestraße, und wer Straßenbaulastträger ist, ist nicht maßgebend. Der Sinn und Zweck der Straßenbenennung besteht in erster Linie darin, das Auffinden der anliegenden Gebäude und Einrichtungen zu ermöglichen. Das Benennen von Straßen hat damit primär eine Ordnungs- und Erschließungsfunktion.
Zuständigkeit des Vertretungsorgans
Die Entscheidung über die Vergabe oder Änderung eines Straßennamens steht im pflichtgemäßen Ermessen der Gemeinde, die dabei einen weiteren Gestaltungsraum hat. Die Existenz von Straßennamen wird dabei von den Vorschriften des Melderechts sowie des Pass- und Ausweiswesens vorausgesetzt, sodass die Gemeinden faktisch gezwungen sind, für durchgehend oder überwiegend bebaute Bereiche Straßennamen einzuführen. Die Namensgebung ist kein Geschäft der laufenden Verwaltung, sondern bedarf der (öffentlichen) Beschlussfassung des gewählten Gemeindeorgans, z.B. Ratsversammlung, Gemeinderat oder Gemeindevertretung.
Verwaltungsrechtlich betrachtet sind die Zuteilung und Änderung von Straßennamen dingliche Verwaltungsakte ohne Adressaten.
Wie ist vor diesem Hintergrund mit der zusätzlichen Benennung von Straßen durch die Karnevalsgesellschaft umzugehen?
Zunächst ist die zusätzliche Vergabe von Straßennamen durch die Karnevalsgesellschaft als Nichtakt (Scheinverwaltungsakt) einzustufen, d.h. der zusätzliche Name ist rechtlich nicht existent. Praktisch hingegen stiftet ein zusätzlicher Straßenname wegen der Ordnungsfunktion der Straßenbenennung unnötige Verwirrung, insbesondere bei nicht ortskundigen Personen, die in Notsituationen sekundenschnelle Entscheidungen treffen müssen, z.B. Fahrer von Rettungsdiensten, Notärzten, Feuerwehren von Nachbargemeinden, Polizei, THW usw. Duldet eine Gemeinde eine zusätzliche Straßenbezeichnung, setzt sie sich unabsehbaren Haftungsrisiken aus, die im Schadensfall entstehen können
Ergebnis
Wir raten von der Duldung zusätzlicher Straßennamen ab, auch wenn mit der zusätzlichen Namensvergabe noch so hehre Ziele verbunden sind. Der Gag einer Straßenbenennung als „Prinzessinnenweg“ bzw. „Prinzenweg“ rechtfertigt nicht die damit einhergehenden Risiken.