12.09.2018

Zur Tatortbeschreibung bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung

Wird im Bußgeldbescheid betreffend den Vorwurf einer Geschwindigkeitsüberschreitung der Tatort nur mit der Straßenbezeichnung ohne nähere Eingrenzung umschrieben, besteht für die Tatbegehung eine erhebliche räumliche Varianz. Ist der Bußgeldbescheid trotzdem wirksam (AG Schleswig, Beschluss vom. 05.07.2018, Az. 53 OWi 107 Js 8757/18)?

Geschwindigkeitsüberschreitung Tatortbeschreibung Bußgeldbescheid

Der Betroffene wehrte sich gegen einen Bußgeldbescheid wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung hinsichtlich des Tatvorwurfs und der exakten Angabe des Tatorts.

Das Verfahren wurde vom Amtsgericht eingestellt.

Entscheidungsgründe

  • Es besteht ein Verfahrenshindernis hinsichtlich des Betroffenen, § 206a StPO, da Verfolgungsverjährung eingetreten ist.
  • Der Bußgeldbescheid vermag indessen die Verfolgungsverjährung nicht zu unterbrechen, da der vorliegend zu überprüfende Bußgeldbescheid unwirksam ist. Gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG tritt die Verjährungsunterbrechung durch Erlass bzw. Zustellung des Bußgeldbescheids nur dann ein, wenn auch ein wirksamer Bußgeldbescheid vorliegt. Das ist vorliegend nicht der Fall.
  • Der von der Verteidigung angegriffene Bußgeldbescheid leidet unter schwerwiegenden Mängeln, da eine exakte Angabe des Tatorts im Bußgeldbescheid nicht angegeben ist und insofern eine Verwechslungsgefahr mit möglicherweise anderen Ordnungswidrigkeiten nicht ausgeschlossen werden kann. Maßgebend ist danach eine Abgrenzung im Einzelfall.
  • Die Konkretisierung des Tatvorwurfs und des Tatorts muss jedoch nicht nur sicherstellen, dass der Betroffene überhaupt ein Bewusstsein für den ihm vorgeworfenen Verstoß bilden kann und dass insbesondere Verwechslungen sicher ausgeschlossen sind. Gerade Verkehrsverstöße, die sich in relativ kurzen Zeiträumen relativ häufig zu wiederholen vermögen, sind insoweit problematisch und müssen von der Bußgeldbehörde im Bußgeldbescheid präzise konkretisiert werden.
  • So liegt der Fall hier, denn es besteht die Gefahr einer Verwechslung mit anderen ordnungswidrigen Geschwindigkeitsüberschreitungen durch den Betroffenen. Der Bußgeldbescheid umschreibt den Tatort nur mit der Straßenbezeichnung ohne nähere Eingrenzung, sodass für die Tatbegehung eine erhebliche räumliche Varianz besteht.
  • Entgegen der in der Verfügung vertretenen Rechtsauffassung kann der Mangel des Bußgeldbescheids nicht durch eine Zusammenschau mit dem Akteninhalt oder ggf. aufgenommenen anderen Verstößen geheilt werden. Denn das Verjährungsrecht – und dies wurde in der Verfügung der Dezernatsvorgängerin verkannt – ist formelles Recht, das zwingend ist. Mit anderen Worten darf der Akteninhalt bei Eintritt der Verfolgungsverjährung nicht herangezogen werden, da ansonsten die formelle Verjährungsfolge – namentlich das Erlöschen der Ahndungsmöglichkeit – umgangen werden würde.
  • Das gilt auch wenn der Verstoß durch den Betroffenen möglicherweise aus dem Akteninhalt ersichtlich ist. Die Bezugnahme auf den Akteninhalt zur Heilung von Mängeln des Bußgeldbescheids ist nur bei nicht schwerwiegenden, die Wirksamkeit nicht beeinträchtigenden Mängeln möglich. Bei schwerwiegenden Mängeln – wie der hier fehlenden Umgrenzungsfunktion – darf die Heilung schon deshalb nicht eintreten, weil sie sonst die Schutzfunktion des Bestimmtheitsgrundsatzes vollständig aufheben würde. Dieser dient aber im Ergebnis dem Schutz der Bürger davor, zum Objekt staatlicher Willkür zu werden, und ist letztlich Ausdruck von verfassungsrechtlich verbürgten Verfahrensgarantien, die den Grundstein rechtsstaatlichen Handelns bilden.

Der Beschluss ist abrufbar unter https://dejure.org/dienste/vernetzung/rechtsprechung?Gericht=AG%20Schleswig&Datum=05.07.2018&Aktenzeichen=53%20OWi%20107%20Js%208757%2F18

Autor*in: Georg Huttner (Oberamtsrat a.D. Georg Huttner ist Autor für die Titel Ordnungsamts- und Gewerbeamtspraxis.)