Zulässigkeit eines Platzverweises für gesamtes Stadtgebiet
Nach einer Sitzblockade und deren Auflösung wurde einer Teilnehmerin ein Platzverweis für das gesamte Stadtgebiet erteilt. Weil sie zudem auch noch in Gewahrsam genommen wurde, ging sie gegen diese vor (OLG Celle, Beschl. vom 16.04.2024, Az. 22 W 10/23).
Platzverweis für das gesamte Stadtgebiet
Gegenüber einer Teilnehmerin einer unangemeldeten Versammlung wurde ein Platzverweis für das gesamte Stadtgebiet bis Mitternacht ausgesprochen. Anschließend wurde sie in polizeilichen Gewahrsam genommen. Das AG Celle erklärte die Ingewahrsamnahme für zulässig und ordnete deren Fortdauer bis höchstens 20 Uhr an. Vor dem OLG Celle beantragte die Demonstrantin das Aufheben des Beschlusses und die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Ingewahrsamnahme.
Ohne rechtmäßigen Platzverweis keine Ingewahrsamnahme
Das OLG prüfte, ob die Ingewahrsamnahme unerlässlich war, um eine rechtmäßige Platzverweisung nach dem Polizei- bzw. Ordnungsbehördengesetz des Bundeslandes (hier: § 17 NdsPOG) durchzusetzen. Nach dieser Vorschrift kann die Polizei bzw. Ordnungsbehörde zur Abwehr einer Gefahr jede Person vorübergehend von einem Ort verweisen oder ihr vorübergehend das Betreten eines Ortes verbieten.
Was ist ein „Ort“?
Mit dem Begriff „Ort“ wird ein engerer räumlicher Bereich umschrieben, ohne dass damit eine Beschränkung auf ein Gebäude, auf eine Straße oder auf einen Platz verbunden ist. Abzugrenzen ist der „Ort“ von dem Begriff „örtlicher Bereich“ (hier: § 17 Abs. 3 Satz 2 NdsPOG). Dies ist ein „Ort oder ein Gebiet innerhalb einer Gemeinde oder auch ein gesamtes Gemeindegebiet“. Somit kann ein „Ort“ i.S. des Polizei- bzw. Ordnungsbehördengesetzes nur ein räumlicher Bereich unterhalb der Größe eines gesamten Gemeindegebiets sein. Ein Platzverweis darf daher nicht das gesamte Gemeindegebiet umfassen. Daraus folgt, dass die Maßnahme als Aufenthaltsverbot zu qualifizieren ist (hier: § 17 Abs. 3 Satz 1 NdsPOG). Das Aufenthaltsverbot setzt voraus, dass Tatsachen die Annahme rechtfertigten, dass in dem gesamten Stadtgebiet eine Straftat begangen wird. Das war hier nicht der Fall.
Lag überhaupt eine Gefahrenlage vor?
Im Rahmen der Beweisaufnahme konnte der handelnde Polizeibeamte aber keine konkrete Gefahr (hier: § 2 Nr. 1 NdsPOG) nachweisen, die einen Platzverweis rechtfertigten würde. Daher stellte das OLG die Fehlerhaftigkeit der polizeilichen Gefahrprognose fest.
Ergebnis
Das gesamte Stadtgebiet ist kein „Ort“ i.S. des Polizei- bzw. Ordnungsbehördengesetzes, sondern ein „örtlicher Bereich“ mit der Folge, dass ein für ein gesamtes Stadtgebiet ausgesprochener Platzverweis als ein Aufenthaltsverbot anzusehen ist. Zudem muss eine Gefahrenprognose erstellt und dokumentiert werden.