Nutzung von Wohnungen wegen Schädlingsbefall untersagen?
Wegen Rattenbefall wurde dem Eigentümer und den Mietern das Nutzen von Wohnungen untersagt. Der Eigentümer (als Vermieter) klagte gegen die Untersagung (OVG Lüneburg, Beschl. vom 14.03.2022, Az. 1 LA 127/21).
Zuletzt aktualisiert am: 22. Juni 2022

Festgestellter Rattenbefall verbunden mit baulichen Mängeln
In einem Wohnhaus mit drei Wohnungen wurde Rattenbefall vermutet. Bei einer Ortsbesichtigung mit dem Gesundheitsamt und einem Schädlingsbekämpfer wurde in dem Objekt ein über das normale Maß hinausgehender Rattenbefall sowie erhebliche Defekte an der baulichen Substanz festgestellt. Durch Löcher im Mauerwerk und an den Decken konnten die Nagetiere in die Wohnbereiche der vermieteten Wohnungen gelangen. Es bestand, so das Gesundheitsamt, wegen des erheblichen Schädlingsbefalls und der Verunreinigungen eine erhöhte Gefährdung der Gesundheit der Bewohner.
Die Bauaufsicht untersagte gegenüber allen Mietern sowie gegenüber dem Eigentümer die Nutzung sämtlicher Wohnungen und erklärte die Wohnungen für unbewohnbar. Gegen die Untersagung setzte sich der Eigentümer gerichtlich zur Wehr.
Wie müssen bauliche Anlagen beschaffen sein?
Die baulichen Anlagen müssen so angeordnet, beschaffen und für ihre Benutzung geeignet sein, dass die öffentliche Sicherheit, insbesondere Leben und Gesundheit, sowie die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere nicht gefährdet werden (hier § 3 Abs. 1 Satz 1 NdsBauO).
Die Beschaffenheit der baulichen Anlage umfasst als weiter Sammelbegriff alle Eigenschaften des Bauwerks selbst, insbesondere verwendete Baustoffe und Bauteile, Qualität der Verarbeitung, Ausstattung mit Einrichtungsstücken und Nebenanlagen, baulicher Zustand usw. Das Bauwerk muss ständig den Anforderungen der NdsBauO genügen.
Nutzungsuntersagung wegen der Beschaffenheit des Gebäudes
Nach den Landesbauordnungen (hier § 79 Abs. 1, S. 2 Nr. 5 NdsBauO) kann die Bauaufsichtsbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen die Benutzung von Anlagen untersagen, insbesondere Wohnungen für unbewohnbar erklären. Unabhängig von der Frage, ob Nutzungsuntersagungen zum Schutz der Bewohner vor dem Auftreten von durch Ratten übertragbaren Krankheiten auch auf andere Rechtsgrundlagen, wie bspw. § 16 Abs. 1 IfSG, gestützt werden können, kommt eine bauaufsichtliche Anordnung zur Verhinderung einer gesundheitlichen Gefährdung der Bewohner auf der genannten Grundlage in Betracht, wenn die Ursache des Schädlingsbefalls auch im baurechtlichen Bereich, beispielsweise in der Beschaffenheit des Gebäudes, liegt.
Es können die Maßnahmen anordnet werden, die zur Herstellung oder Sicherung rechtmäßiger Zustände erforderlich sind.
Bestehende Gesundheitsgefährdung
Der bauliche Zustand des Wohngebäudes durch Löcher in Wänden und Decken lässt einen fortwährenden Rattenbefall der Wohnräume und eine damit einhergehende Gefährdung der Gesundheit befürchten, entschied das OVG.
War die Nutzungsuntersagung auch erforderlich?
Die Einwände des Vermieters, eine Ordnungsverfügung allein gegen die Mieter, bei denen ein Rattenbefall festgestellt worden sei, hätte ausgereicht, überzeugten das Gericht nicht. Die Nutzungsuntersagung gegenüber sämtlichen Mietern war erforderlich, so das Gericht weiter, da nur so die gegebenen Gesundheitsgefährdung im gesamten Wohnhaus effektiv unterbunden werden konnte. Und nur durch eine Nutzungsuntersagung gegenüber dem Eigentümer habe sichergestellt werden können, dass dieser die Wohnungen nach dem Beseitigen des Rattenbefalls und der baulichen Mängel wieder vermietet.
Ergebnis
Die Klage des Eigentümers gegen die Nutzungsuntersagung wurde abgewiesen.
Tipp der Redaktion: Lesen Sie auch den Beitrag „Gesetz zum Beseitigen gefährlicher Schrottimmobilien weitgehend unbekannt“