01.12.2008

Werbetafel im Außenbereich: Behörde macht schweren Ermessensfehler

Wer über das Land fährt, bemerkt immer mehr im Außenbereich aufgestellte Werbetafeln. Eine Baubehörde ordnete die Beseitigung einer Werbetafel an, die auf einen Gaststättenbetrieb mit Pension hinwies. Besonders interessant macht den Fall, dass die gemeindliche Kur- und Tourismus-GmbH in der gleichen Werbeanlage ein ähnliches Schild angebracht hatte, dieses aber nicht entfernt werden muss (OVG Greifswald, Beschluss vom 13.08.2007, Az. 3 M 48/07).

Bilder Akten

Eine Gaststätte lag innerhalb bebauter Ortsteile einer Gemeinde. Weil er weit von einer Landesstraße entfernt war, brachte der Gastwirt an der Landesstraße außerhalb im Zusammenhang bebauter Ortsteile an einer vorhandenen, mit Reet gedeckten Werbeanlage ein Schild mit der Fläche von 0,975 m² an. Darauf verwies er auf seinen Gaststättenbetrieb mit Pension. Dieses Schild ersetzte ein Werbeschild seines Vorgängers.

Die Bauaufsicht ordnete die Entfernung der Werbetafel des Gastwirts an. Gegen diese Entfernung erhob der Gastwirt Widerspruch. Das zuständige Verwaltungsgericht wies die Klage gegen den ablehnenden Widerspruchsbescheid zurück. Darauf erhob der Gastwirt Beschwerde beim OVG Greifswald.

Der Beschluss

Nach der Landesbauordnung (LBO) kann die Bauaufsichtsbehörde die teilweise oder vollständige Beseitigung einer Anlage anordnen, wenn sie im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert wurde, sofern nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können.

Kein Bestandsschutz, da neues Schild

Voraussetzung ist zunächst, dass das Vorhaben nicht durch eine wirksame Baugenehmigung gedeckt ist. Auch wenn der Gastwirt die Werbetafel vom damaligen Betreiber einer anderen Gaststätte übernommen und eine neue Hinweistafel angebracht habe, genießt diese keinen Bestandsschutz, weil durch den Wechsel der Hinweistafel ein etwaiger Bestandsschutz erloschen ist, stellte das OVG zunächst fest.

Größe des Schilds überschritten

Ferner erkannte das Gericht, dass auch keine Ausnahme von der Baugenehmigungspflicht bezüglich der Größe des Schilds vorliege (Baugenehmigungsfreiheit für Werbetafeln unter 1 m² Fläche). Das Schild sei zwar nur 0,975 m² groß. Bei der Bestimmung der für die Genehmigungspflicht maßgebenden Größe einer Werbeanlage mit mehreren Werbeschildern ist aber auf das Gesamtmaß der sichtbar zusammenhängend zu Werbezwecken verwendeten Fläche abzustellen. Da an der Werbetafel noch andere Schilder angebracht waren, war somit die Flächenbegrenzung von 1 m² überschritten.

Werbetafel nicht baurechtswidrig

Der Standort der Werbetafel befindet sich nicht im Innenbereich i.S.v. § 34 Abs. 1 BauGB. Die Bebauung beiderseits der Landesstraße in diesem Bereich ist von der Straße erheblich abgerückt. Somit ist bezüglich des Baurechts von einer Anlage im Außenbereich auszugehen.

Werbetafel ein Hinweisschild?

Danach prüfte das Gericht, ob die Werbetafel als „Hinweisschild“ einzuordnen sei. Nach der LBO sind einzelne Hinweiszeichen an Verkehrsstraßen und Wegabzweigungen baurechtlich zulässig, die im Interesse des Verkehrs auf außerhalb der Ortsdurchfahrten liegende Betriebe oder versteckt liegende Stätten aufmerksam machen.

Ein Hinweisschild muss einen vornehmlich wegweisenden Charakter haben und sich nach Größe, Gestaltung, Farbgebung, Beschriftung und Beleuchtung auf das beschränken, was das Auffinden des Betriebs im Interesse des Verkehrs ermöglicht.

Die fragliche Werbetafel entspricht aber diesen Voraussetzungen nicht, meinte das OVG. Hinweisschilder sind solche, die ähnlich wie Hinweisschilder nach der StVO (vgl. Zeichen 386) eine Wegweisung zu einem Ziel geben. Ausmaß, Standort und Farbgestaltung einschließlich der Anbringung in dem reetdachgedeckten Unterstand erfüllen diese Voraussetzungen nicht. Das Werbeelement tritt gegenüber der Hinweisfunktion in den Vordergrund. Im vorliegenden Fall handelt es sich daher nicht um ein Hinweisschild.

Gaststätte nicht an versteckter Stelle

Weiter untersuchte das OVG, ob das Werbeschild auf einen außerhalb der Ortsdurchfahrt liegenden Betrieb oder eine versteckt liegende Stätte aufmerksam macht. Bei der Auslegung dieses Tatbestandsmerkmals ist die Zielrichtung der LBO zu beachten, dozierte das Gericht. Die LBO will das Entstehen eines Schilderwalds im Außenbereich, der grundsätzlich der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung sowie der Erholung der Bevölkerung dienen soll, verhindern und die diesen Gebieten wesensfremde Außenwerbung auf die abschließend aufgezählten Ausnahmen beschränken.

Einzelne Hinweiszeichen außerhalb der Ortsdurchfahrt zu gestatten, die das Interesse der Verkehrsteilnehmer auf innerörtliche, über die Ortsdurchfahrt ohne Weiteres erreichbare Gewerbebetriebe hinlenken sollen, widerspricht diesem Sinn und Zweck der Ausnahmevorschrift. Der Betrieb des Antragstellers liegt innerhalb des als Ortsteil zu beurteilenden Bereichs und weit ab von der Landesstraße. Daher liegt er nicht an versteckter Stelle.

Erweist sich eine Anlage als formell und materiell baurechtswidrig, ist eine Ermessensentscheidung darüber zu treffen, ob die Beseitigung angeordnet werden soll. Somit steuerte das OVG auf den Höhepunkt der Entscheidung zu:

Ermessen fehlerhaft ausgeübt

Die Beseitigung der Werbeanlage wurde somit zu Recht angeordnet, aber die Bauaufsicht hatte ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt.

Im Rahmen der Ermessensentscheidung ist nämlich auch der Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass sich in der gleichen Werbeanlage ein Schild der Kur- und Touristik-GmbH befand, das die Bauaufsicht genehmigt hatte. Unter diesen Umständen bedarf das Vorgehen der Bauaufsicht gegenüber dem Gastwirt einer besonderen Rechtfertigung.

Das Gleichbehandlungsgebot gebiete, nicht einzelne Bürger gegenüber anderen willkürlich, d.h. ohne rechtfertigenden Grund, zu benachteiligen. Daraus folgt nicht, rechtswidrige Zustände, die bei einer Vielzahl von Grundstücken vorliegen, stets „flächendeckend“ zu bekämpfen. Vielmehr darf die Behörde – etwa in Ermangelung ausreichender personeller und sachlicher Mittel – auch anlassbezogen vorgehen und sich auf die Regelung von Einzelfällen beschränken, sofern sie hierfür sachliche Gründe anzuführen vermag.

So kann es rechtmäßig sein, wenn die Behörde einen geeigneten Fall als „Musterfall“ auswählt, um erst nach einer gerichtlichen Bestätigung ihrer Rechtsauffassung gleichartige Fälle aufzugreifen. Ebenso ist es mit dem Gleichbehandlungsgebot vereinbar, wenn die Behörde zunächst nur Fälle aufgreift, in denen eine Verschlechterung des bestehenden Zustands droht.

Derartige Erwägungen auf die genannten Fälle bezogen hat die Bauaufsicht indessen weder in dem angefochtenen Ausgangs- noch in dem Widerspruchsbescheid dargelegt. Damit ist nicht dargelegt, dass die grundsätzlich vergleichbaren, eine Gleichbehandlung gebietenden Fälle unter Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes behandelt oder unter Beachtung sachgerechter Gesichtspunkte – derzeit – anders behandelt werden.

Die Entfernung der Werbetafel sei zwar zulässig gewesen, die Bauaufsicht habe ihr Ermessen aber nicht ausgeübt. Daher liegt ein Ermessensfehler vor, der zur Rechtswidrigkeit der Beseitigungsverfügung führt.

Die Klage des Gastwirts gegen die Bauaufsicht hatte daher im Ergebnis Erfolg.

Autor*in: WEKA Redaktion