Wann ist eine Eisfläche eine voraussehbare Gefahr?
Dass eine Eisfläche nicht immer eine Eisfläche i.S. der Verkehrssicherungspflicht ist, begründete das LG Dessau-Roßlau mit Urteil vom 11.08.2023 (Az. 4 O 477/22).
Sturz auf einer zugeschneiten Eisfläche
Ein Arbeitnehmer stürzte auf einer Eisfläche, die von Wasser aus einer Regenrinne gespeist wurde, das auf den Gehweg lief. Die Eisschicht war mit einer dünnen Schneedecke überzogen und daher nicht erkennbar. Der Arbeitsgeber verlangte den Ersatz seiner Aufwendungen für den erkrankten Mitarbeiter in Höhe von rund 16.000 Euro von dem Eigentümer des Grundstücks.
Heizsituation des Hauses maßgebend für das Schmelzwasser
Im vorliegenden Fall ergibt sich der Inhalt der Verkehrssicherungspflicht aus der Winterdienstsatzung der Gemeinde. Danach war der Winterdienst im Unfallbereich für Gehwege auf die Eigentümer der anliegenden Grundstücke übertragen.
Für das Gericht war es erwiesen, dass die Eisfläche nicht erkannt werden konnte. Um die Herkunft des Eises zu ermitteln, befragte das Gericht mehrere Zeugen und sogar den Deutschen Wetterdienst. Der Hausmeister sagte als Zeuge aus, dass Eis und Schnee in der Dachrinne des Hauses durch dessen Heizsituation geschmolzen und dann auf den Gehweg geströmt seien. Vom Wetterdienst erhielt das Gericht die Auskunft, dass Bodenfrost vorherrschte und dass dies der Grund für die Eisbildung war. Daraus folgerte das LG, dass der Tauvorgang in der Regenrinne, der Abfluss des Tauwassers auf den Gehweg und nachfolgend die Bildung der Eisfläche für den Eigentümer nicht erkennbar und auch nicht voraussehbar war.
Der Urteilstenor
Wird ein Unfallgeschehen durch eine Eisfläche verursacht, die von einer der Dachentwässerung dienenden Regenrinne stammt, so liegt dann eine außergewöhnliche, nicht voraussehbare Gefahr vor, wenn die Bildung des Wassers nicht auf dem Einsetzen von Tauwetter, sondern auf der individuellen Heizsituation des Hauses beruht (wie hier).
Ergebnis
Ein schadensersatzbegründender Verstoß gegen die dem Eigentümer des Grundstücks obliegende Verkehrssicherungspflicht nach § 823 Abs. 1 BGB i. V. mit der Winterdienstsatzung der Gemeinde liegt nicht vor. Die Klage auf Schadensersatz wurde abgewiesen.