13.02.2015

Wann darf das Ordnungsamt eine Wohnungsverweisung mit Rückkehrverbot aussprechen?

Unter welchen Voraussetzungen die Gerichte eine Wohnungsverweisung als rechtmäßig erachten, dokumentiert der Beschluss des OVG Münster (OVG Münster, Beschluss vom 23.12.2014, Az. 5 E 1202/14).

Mann bedroht weinende Frau am Küchentisch

Die ehemalige Lebenspartnerin eines Mannes rief die Polizei und gab an, ihr Lebenspartner habe sie nach einem verbalen Streit gegen eine Wand im Badezimmer gestoßen. Hierbei sei ihre Brille beschädigt worden. Anschließend habe er sie mit dem Kopf auf den Boden der Badewanne gedrückt.

Der Lebenspartner räumte verbale Streitigkeiten ein, stritt aber ab, seine Partnerin gestoßen oder im Badezimmer in die Wanne gedrückt und ihr Schmerzen zugefügt zu haben. Sie sei aggressiv, nicht er.

Die Einsatzkräfte der Polizei konnten weder sichtbare Verletzungen feststellen noch drohte während ihrer Anwesenheit in der Wohnung ein Angriff des Mannes. Die Lage war ruhig. Der Lebenspartner entfernte sich aus der Wohnung und gab an, für einige Zeit bei einem Freund zu bleiben. Dennoch sprachen die Polizeibeamten zunächst mündlich eine Wohnungsverweisung mit Rückkehrverbot aus, danach schriftlich.

Der Lebenspartner klagte auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Wohnungsverweisung mit Rückkehrverbot.

Entscheidungsgründe

  • Der Gesetzgeber, so das OVG, verlangt für eine Wohnungsverweisung grundsätzlich entweder eine Gewaltbeziehung mit konkreten Anzeichen für wiederholte Misshandlungen oder eine erstmalige Gewalttat, wenn aufgrund der Intensität des Angriffs und der Schwere der Verletzungen mit einer jederzeitigen Wiederholung der Gewaltanwendung zu rechnen ist.
  • Das Gericht erwartete dann eine widerspruchsfreie Dokumentation des Einsatzes. Zwar gab es eine Dokumentation, diese war aber nicht widerspruchsfrei.

Die Lebenspartnerin gab an, misshandelt worden zu sein, es gab aber hierfür keine Beweise.

  • Danach prüfte das Gericht, ob die Polizisten eine Gefahrenprognose erstellt hatten. Hierzu war in den Akten nur die nicht näher erläuterte Einschätzung enthalten, weitere Streitigkeiten seien in Zukunft nicht ausgeschlossen.

Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad, bemängelte das Gericht, genügt nicht für die Annahme einer gegenwärtigen Gefahr. Darüber hinaus reicht selbst eine bestehende Gefahr weiterer Streitigkeiten jedenfalls dann nicht zur Rechtfertigung einer Wohnungsverweisung, wenn – wie vom Betroffenen dargelegt – lediglich verbale Streitigkeiten drohten, Leib, Leben oder Freiheit hingegen nicht bedroht waren.

  • Das Gericht hatte nach der Aktenlage auch Zweifel, ob der Betroffene vor der Wohnungsverweisung ergebnisoffen und unvoreingenommen angehört worden war.

Ergebnis

Weil der Lebenspartner freiwillig die Wohnung verließ, bestand keine Notwendigkeit, die Wohnungsverweisung auszusprechen. Das Gericht stellte daher die Rechtswidrigkeit der Wohnungsverweisung mit Rückkehrverbot fest.

Auswirkungen auf die Verwaltungspraxis

Wie Sie sehen, legen die Gerichte die Messlatte für eine Wohnungsverweisung sehr hoch. Wollen Sie als Mitarbeiter einer Ordnungsbehörde eine Wohnungsverweisung aussprechen, dokumentieren Sie den Tatbestand der gegenwärtigen Gefahr präzise und widerspruchsfrei. Erstellen Sie eine überzeugende Gefahrenprognose und treffen Sie eine Ermessensentscheidung. Hören Sie den Betroffenen auf jeden Fall an. Verweigert er die Anhörung, dokumentieren Sie auch dies.

Praxistipp

Als Bezieher der WEKA-Fachinformationen „Ordnungsamtspraxis“ und „Praktische Fallbeispiele und Arbeitshilfen für das Ordnungsamt“ finden Sie ausführliche Informationen zur Wohnungsverweisung bei häuslicher Gewalt unter dem Stichwort „Wohnungsverweisung bei häuslicher Gewalt“.

 Inhaltsübersicht:

  • Notwendigkeit der gesetzlichen Regelungen
  • Voraussetzungen und gesetzliche Regelungen für eine Wohnungsverweisung
  • Gesetzliche Regelungen und Grundlagen in den Bundesländern für eine Wohnungsverweisung mit Rückkehr- und Aufenthaltsverbot
  • Zuständigkeiten für die Anordnung von Wohnungsverweisungen in den Bundesländern
  • Zuständigkeiten des Polizeivollzugsdiensts in den Bundesländern
  • Störerauswahl
  • Unterbringung als Obdachlose
  • Durchsetzung von derartigen Anordnungen, Zwangsmitteln, Ordnungswidrigkeiten
  • Gewaltschutzgesetz
  • Strafverfolgung
  • Spielen Eigentums-/Besitzverhältnisse an einer Wohnung eine Rolle?
  • Einschaltung anderer Behörden
  • Kommunale Kriminalprävention
  • Ordnungswidrigkeiten
  • Rechtsprechung

 

Autor*in: Georg Huttner (Oberamtsrat a.D. Georg Huttner ist Autor für die Titel Ordnungsamts- und Gewerbeamtspraxis.)