Kann vorsorglicher Rückschnitt einer Hecke verlangt werden?
Das Straßenverkehrsamt ermahnte eine Rentnerin, ihre Hecke zu schneiden. Nach dem Rückschnitt verlangte das Amt einen weiteren vorsorglichen Schnitt, weil die Hecke bis zum Herbst weiter wachsen werde.
Aufforderung Heckenschnitt
Eine Rentnerin erhielt im Juni die schriftliche Aufforderung des Straßenverkehrsamtes, ihre Hecke zu schneiden, weil sie zu weit in den Gehweg hinein rage. Die Rentnerin nahm Maß und übte Selbstkritik. Ja, die Hecke war tatsächlich etwas zu weit auf den Gehweg gewachsen. Nach dem Rückschnitt der Hecke bis zur Grundstücksgrenze kam ein zweiter Brief des Straßenverkehrsamtes: Ihre Hecke sei zwar geschnitten, aber nicht genug. Die Hecke würde weiter wuchern und in einigen Wochen rage sie wieder in den Gehweg hinein. Ein weiterer vorsorglicher Rückschnitt um 20 cm sei fällig, so das Amt. An dieser Stelle sei der Gehweg 1,25 m breit. Rollstühle könnten die Engstelle wegen ihrer Breite von 1,20 m bei weiterem Wachstum nicht passieren.
Was war der Hintergrund?
Es gibt keine „Heckenpolizei“ und die Behörden haben sich weitgehend aus der Fläche zurück gezogen. Was also hatte das Tätigwerden der Behörde ausgelöst? Natürlich ein lieber Nachbar (von der Rentnerin als „Blockwart“ bezeichnet), der sich (vielleicht) darüber ärgerte, dass ihre Geranien größer waren oder schöner blühten.
Ist dieser Fall gesetzlich geregelt?
Nach den Straßengesetzen der Bundesländer dürfen die Träger der Straßenbaulast Schutzmaßnahmen treffen. § 27 Abs. 5 Hessisches Straßengesetz lautet beispielsweise:
„Die Eigentümer und Besitzer von Grundstücken innerhalb der geschlossenen Ortslage sind verpflichtet, den von ihrem Grundstück auf öffentliche Straßen ragenden Bewuchs zu beseitigen. Kommen die Eigentümer oder Besitzer dieser Verpflichtung nicht nach, so kann die Straßenbaubehörde nach Aufforderung und Fristsetzung auf Kosten der Eigentümer oder Besitzer die Beseitigung des überhängenden oder herausragenden Bewuchses veranlassen“.
Somit ist klar: Eine Pflicht zum Rückschnitt besteht erst dann, wenn der Bewuchs auf die öffentliche Straße ragt.
Besteht darüber hinaus eine Pflicht für einen vorsorglichen Rückschnitt?
Hätte der Gesetzgeber diesen Willen gehabt, wäre er in den Straßengesetzen verankert.
Grundsätzlich wird eine Gehwegbreite von 1,25 m nicht den „Empfehlungen Sicherheitsaudit ESAS 2002 und Merkblatt Auditorenzertifizierung MAZS 2009“ gerecht (Quelle: Übersicht über geltende fußverkehrsrelevante Planungsgrundlagen, www.geh-recht.info). Konzipiert eine Gemeinde die Gehwege nicht nach diesen Vorgaben, kann sie zum Vergrößern des lichten Raumes nicht von den Grundstückseigentümern verlangen, dass diese Hecken und Büsche auf dem Grundstück kürzen.
Im Übrigen geht das Straßenverkehrsamt hinsichtlich der Breite der Rollstühle von falschen Maßen aus. Die Breite eines Rollstuhles ergibt sich aus seinem Verwendungszeck:
Faltrollstuhl | 65 – 72 cm * |
Standardrollstuhl | 65 – 72 cm * |
Elektrorollstuhl | 72 cm |
Straßenrollstuhl | 77 cm |
Kinderrollstuhl | 46 – 57 cm |
(* zzgl. 7 cm auf jeder Seite für die Hände) |
Ein Passant sitzend in einem Straßenrollstuhl beansprucht 77 cm. Benutzt er einen Standardrollstuhl, braucht er ein lichtes Maß von 73,4 cm, um die Engstelle passieren zu können.
Ergebnis: kein vorsorglicher Rückschnitt der Hecke
Ein vorsorglicher Rückschnitt einer Hecke kann nach den Straßengesetzen der Bundesländer nicht verlangt werden. Das Argument, 1,25 m seien für Rollstühle zu schmal, hält keiner Prüfung stand. Versäumnisse der Gemeinde können nicht zu Lasten der Grundstückseigentümer gehen.
Hinweis
§ 39 Bundesnaturschutzgesetz verbietet das Abschneiden von Bäumen, Hecken, lebenden Zäunen, Gebüschen oder andere Gehölze außerhalb des Waldes in der Zeit vom 1. März bis 30. September. Zulässig sind ausnahmsweise schonende Form- und Pflegeschnitte zur Beseitigung des Zuwachses.
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