Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser, …
… das wusste schon Lenin. Ein Mitarbeiter der Straßenverkehrsbehörde im Landkreis Kassel beherzigte diese Erkenntnis und korrigierte erhebliche Fehler beim Aufstellen von Verkehrszeichen durch die ausführende Baufirma.
Weite Auslegung des Beschilderungsplans
Um die Erreichbarkeit eines Neubaugebiets mit einem Fertigerfahrzeug und den asphaltanliefernden Fahrzeugen zu gewährleisten, wurde für die Zufahrtsstraße eine Halteverbotsbeschilderung bei der Straßenverkehrsbehörde beantragt und von dieser entsprechend dem vorgelegten Plan genehmigt.
Die Straße ist 5 Meter breit und verläuft S-förmig. Die an jeder Einmündung vorhandenen Zeichen 286 wurden verhängt und die neue Beschilderung durch einen zertifizierten Mitarbeiter der ausführenden Baufirma angebracht.
Weil die Verfügbarkeit von Asphalt um diese Jahreszeit nicht dauerhaft gewährleistet ist, legte der Mitarbeiter den Beschilderungsplan sehr großzügig aus und stellte die zu tief stehenden Schilder auch noch verkehrsbehindernd auf die Straße, ohne die Windlast zu berücksichtigen. Insgesamt standen in jeder Richtung auf einer Strecke von 230 Metern jeweils 11 Zeichen 283 und 286 (absolutes Halteverbot und eingeschränktes Halteverbot).
Zeichen gelten bis zur nächsten Einmündung
Ein mit dem Zeichen 283 angeordnetes absolutes Halteverbot beginnt auf der Straßenseite, auf der das Zeichen steht, und gilt bis zur nächsten Einmündung. Es endet bereits vorher, wenn sein erkennbarer Zweck nicht mehr fortbesteht oder ein anderes Verkehrszeichen, z.B. Zeichen 286, oder eine Verkehrseinrichtung, z.B. eine Parkuhr, andere Regelungen treffen. Es gilt der Grundsatz, so wenige Verkehrszeichen wie möglich aufzustellen (Rn 1 VwV-StVO zu §§ 39 bis 43 StVO). Dies folgt aus dem Grundsatz zum Geltungsbereich von Verbotszeichen, dass diese so klar sein müssen, dass jeder Fahrzeugführer weiß, was von ihm gefordert wird (BVerwG, Urteil vom 06.04.2016, Az. 3 C 10/15).
Beschränkung des Geltungsbereichs
Wenn keine Einmündung vorhanden ist oder der erkennbare Zweck des Verkehrszeichens nicht mehr fortbesteht, müssen Verkehrsteilnehmer auch nach 100 Metern noch mit dem Verbot rechnen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 10.03.1966, Az. [1] Ss 818/65). Längere Verbotsstrecken können durch Pfeile auf dem Verkehrszeichen gekennzeichnet werden. 300 Meter zwischen Verkehrszeichen ohne Wiederholung sind aber zu lang (OLG Hamm, JMBl. NRW 1963, S. 292).
Beschilderung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit?
Grundsätzlich ist beim Anordnen von Verkehrszeichen restriktiv zu verfahren. Das Anordnen von Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen muss zwingend erforderlich sein (§ 45 Abs. 1, 9 StVO).
Sind 11 Zeichen auf 230 Metern zwingend erforderlich?
Das Aufstellen der Zeichen 283 und 286 ist zum Sichern des Baustellenverkehrs zwingend erforderlich, weil parkende Fahrzeuge diesen erheblich behindern würden. Ein parkendes Fahrzeug würde die Straße aber so weit verengen, dass die Baustellenfahrzeuge das Hindernis nicht oder nur schwer umfahren können.
Welches Schicksal erleiden die übermäßig aufgestellten Zeichen?
Verkehrszeichen, die ohne verkehrsrechtliche Anordnung (oder darüber hinaus) aufgestellt werden, sind unwirksam, entfalten keinerlei rechtlich Wirkung und sind nichtig. Sie sind rechtswidrig, wenn sie von einer nicht zur Verkehrsregelung befugten Person mit Zustimmung der zuständigen Behörde in Betrieb gesetzt werden.
Kontrollen unbedingt erforderlich
Wie dieser Fall zeigt, ist es (wie hier auch geschehen) unbedingt erforderlich, vor Ort zu kontrollieren, ob Beschilderung und verkehrsrechtliche Anordnung übereinstimmen. Im Rahmen solcher Kontrollen können auch weitere Mängel wie zu tief aufgestellte Schilder oder nicht der Windlast angepasste Ständer abgestellt werden. Wir weisen darauf hin, dass die Gebietskörperschaft verkehrssicherungspflichtig ist und für entstehende Schäden haftbar gemacht werden kann.