Besteht eine Verkehrssicherungspflicht für Wanderwege?
Ein Wanderer stürzte von einer schadhaften Holzbrücke und verletzte sich. Er klagte auf Schadensersatz und Schmerzensgeld (OLG Karlsruhe, Hinweisbeschl. v. 17.01.2022, Az. 25 U 417/21).
Sturz von einer Holzbrücke
Mehrere Wanderer gingen auf einem Rundwanderweg. Sie beabsichtigten, eine Holzbrücke zu überqueren. Die Brücke bestand aus zwei über ein Bachbett gelegten Holzstämmen, über die quer zu den Holzstämmen Bretter angebracht waren. Die Bretter waren mit in Längsrichtung aufgebrachten Brettern verstärkt. An der aus der Laufrichtung der Wanderer gesehen rechten Seite der Brücke befand sich ein Geländer, wobei ein Balken des Handlaufs des Geländers am anderen Ende der Brücke herunterhing. Die Brücke neigte sich in Laufrichtung der Wanderer nach rechts. Ein Wanderer stürzte beim Überqueren der Brücke ins Bachbett und erlitt infolge des Sturzes ausgedehnte Verletzungen im Gesicht.
Die Brücke befindet sich zur Hälfte auf der Gemarkung der Gemeinde A, zur anderen Hälfte auf der Gemarkung der Gemeinde B und das Grundstück selbst steht im Eigentum des Bundeslandes.
Beide Gemeinden lehnten Schmerzensgeldansprüche des verunglückten Wanderers ab. Dieser klagte gegen die Gemeinden auf Schadensersatz und Schmerzensgeld.
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Wanderwege als Teil der Straßen
Grundsätzlich sind für Gemeindestraßen nach dem Straßengesetz des Bundeslandes (StrG, hier § 44 BWStrG) die Gemeinden die Träger der Straßenbaulast, welche verpflichtet sind (hier § 9 Abs. 1 BWStrG), die Gemeindestraßen in einem dem regelmäßigen Verkehrsbedürfnis genügenden Zustand zu unterhalten.
Wanderwege als beschränkt öffentliche Wege können nach dem StrG (hier § 3 Abs. 2 Nr. 4b BWStrG) zu den Gemeindestraßen gehören, wobei Brücken nach dem StrG (hier § 2 Abs. 2 Nr. 1a BWStrG) grundsätzlich Teile der Straße sind.
Voraussetzung hierfür ist aber, dass es sich um eine Straße handelt, die nach dem StrG (hier § 2 Abs. 1 BWStrG) dem öffentlichen Verkehr gewidmet ist. Zuständig für die Widmung ist bei Gemeindestraßen nach dem StrG (hier § 5 Abs. 2 Nr. 2 BWStrG) die Straßenbaubehörde (hier § 50 Abs. 3 Nr. 3 BWStrG). Ist der potenzielle Träger der Straßenbaulast nicht Eigentümer des Grundstücks, setzt die Widmung voraus, dass der Eigentümer zustimmt oder der Besitz durch Vertrag, durch Einweisung nach dem Landesenteignungsgesetz oder in einem sonstigen gesetzlich geregelten Verfahren erlangt wurde (hier § 5 Abs. 1 BWStrG).
Den Nachweis der Widmung des Wanderweges sowie der Zustimmung des Landes konnte der verletzte Wanderer nicht erbringen.
Kann der Wanderer Ansprüche aus dem Waldgesetz ableiten?
Nach den Waldgesetzen der Bundesländer (WaldG, hier: § 37 Abs. 1 Satz 2 BWWaldG) erfolgt das Betreten des Waldes auf eigene Gefahr. Für waldtypische Gefahren einschließlich solcher, die durch eine ordnungsgemäße Bewirtschaftung des Waldes entstehen oder erhöht werden, haftet der Waldbesitzer nicht. Eine Verkehrssicherungspflicht des Waldbesitzers besteht jedoch für atypische, also nicht durch die Natur oder eine ordnungsgemäße Bewirtschaftung begründete, sondern vom Waldbesitzer selbst geschaffene Gefahren, mit denen auch ein vorsichtiger und aufmerksamer Waldbesucher nicht rechnen muss.
Wurde der Waldbesitzer verklagt?
Zwar dürfte es sich bei dem Abbrechen des Geländers um eine atypische Gefahr handeln, wollte sich das OLG nicht exakt festlegen. Denn es liegt keine auf die Natur oder die Art ihrer Bewirtschaftung mehr oder minder zwangsläufig zurückzuführende Gefahr vor, sondern um eine vom Waldbesitzer geschaffene Gefahrenquelle. Den Grund für die Zurückhaltung lieferte das Gericht sofort nach: Die Verkehrssicherungspflicht obliegt nach dem WaldG (hier § 4 Nr. 1 BWWaldG) dem Bundesland. Dieses wurde aber nicht verklagt.
Ergebnis
Die Gemeinden A und B haben ihre Verkehrssicherungs- oder Amtspflicht nicht verletzt. Dem Wanderer stehen keine Ansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. § 840 BGB sowie aus § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG zu.
Das Bundesland ist zwar als Waldbesitzer verkehrssicherungspflichtig für atypische Gefahren und könnte seine Verkehrssicherungspflicht auch verletzt haben. Die Klage hat sich aber nicht gegen das Bundesland, sondern gegen die Gemeinden gerichtet. Somit lehnte das Gericht die Klage rundherum ab.
Den Beschluss fnden Sie hier.