Zur Verkehrssicherungspflicht der Gemeinden
Der Straßenbaulastträger hat seine Verkehrssicherungspflichten nicht verletzt, wenn er einen Gehweg mit einer zwischen Metallpfosten abgespannten, erkennbaren Kette von einer stark befahrenen Straße abtrennt (OLG Nürnberg, Urteil vom 18.11.2020, Az. 4 U 47/20).
Sachverhalt
Der damals achtjährige Kläger war mit seinem Vater auf einem Gehweg unterwegs. Vor dem Straßenübergang zu einer anderen Straße blieb er stehen, entdeckte das Fahrzeug seines Vaters, das auf einem Parkplatz unmittelbar gegenüber geparkt war, und rannte los. Der Kläger vergewisserte sich noch, dass kein Fahrzeug auf der Straße unterwegs war. Er übersah jedoch eine Kette, die entlang des Gehweges, auf dem er sich befand, gespannt war, und rannte gegen diese, wodurch er stürzte. Diese Kette hatte in etwa die gleiche Farbe wie der Straßenbelag. Zum Zeitpunkt des Unfalls herrschte Dämmerung. Der Kläger wurde durch den Sturz schwer verletzt und musste nahezu einen Monat klinisch behandelt werden. Der Kläger verlangt Schadensersatz von der Stadt.
Landgericht für Mitverschulden
Das Landgericht hielt die Klage dem Grunde nach zum Teil für gerechtfertigt; der Kläger müsse sich aber ein Mitverschulden von 50 % anrechnen lassen. Der Kläger legte Berufung ein.
Ortsbesichtigung des Oberlandesgerichts
Das OLG hat einen Ortstermin – bei dem die gleichen Lichtverhältnisse herrschten wie zum Unfallzeitpunkt – durchgeführt und dabei festgestellt, dass die Kette zwischen den Metallpfosten in einer Höhe von 76 bis 93 cm durchhängt. Die Kette dient der Abgrenzung des Fußwegs zu einer stark befahrenen Straße und soll den Durchgang nur an besonders markierten Stellen ermöglichen. Sie sei 57 cm von der Bordsteinkante entfernt auf dem 2,20 m breiten Gehweg angebracht. Das Gericht hat sich davon überzeugt, dass die Kette auch bei den zum Unfallzeitpunkt herrschenden Lichtverhältnissen und auch unter Berücksichtigung der Körpergröße des Kindes bei gebotener Aufmerksamkeit nicht zu übersehen ist.
Keine Haftung der Stadt
Damit entfalle eine Haftung der Stadt. Zwar habe diese die Verkehrssicherungspflicht, diese sei aber nicht grenzenlos. Jeder Verkehrsteilnehmer müsse zunächst selbst die erforderliche Sorgfalt walten lassen, die Kommune müsse nur solche Gefahren ausräumen und gegebenenfalls vor ihnen warnen, die für hinreichend aufmerksame Verkehrsteilnehmer nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar seien. Nachdem die Kette aber für einen sich auf dem Gehweg mit Schrittgeschwindigkeit bewegenden Fußgänger, der den Blick nach vorn richtet, eindeutig erkennbar sei, habe die Stadt hier ihren Verkehrssicherungspflichten genügt. Zumal durch die deutlich markierten rot-weißen Metallpfosten und den an einigen Stellen abgesenkten Gehweg klar werde, an welchen Stellen man die Straße überqueren soll.
Zur Ausleuchtung von Fußwegen
Es sei auch nicht erforderlich, dass die Kommune die Fußwege so ausleuchte, dass es keine dunklen Stellen, z.B. infolge geparkter Fahrzeuge, mehr gebe. Es sei Sache des Fußgängers, sich bei Dunkelheit so vorsichtig fortzubewegen, dass er eventuelle Hindernisse rechtzeitig erkennen könne. Bei schlechter Sicht müsse er seine Geschwindigkeit reduzieren.
Hinweis: Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.