16.12.2022

Rechtsprechung in Kürze: wichtige Entscheidungen (Dezember 2022)

Themen dieser Übersicht: Urkundenfälschung, Volksverhetzung, Sonntagsöffnung vs. Sonntagsschutz, medizinische Maske im Personennahverkehr, Altreifen, Wasserpfeifen ohne Abstand zu brennbaren Materialen, Tiergefahr von Hunden, Blendwirkung durch Photovoltaikanlage.

Urkundenfälschung Volksverhetzung Sonntagsöffnung

>>> Hier geht’s zu unseren kostenlosen Downloads

Gericht Datum Aktenzeichen
BGH 10.11.2022 5 StR 283/22

Urkundenfälschung

Der BGH hat klargestellt, dass der Tatbestand der Urkundenfälschung gemäß § 267 StGB nicht durch die Regelungen zum Gebrauch unrichtiger Gesundheitszeugnisse (Corona-Impfbescheinigungen) gemäß § 277 StGB a.F. verdrängt wird. Letztere galten bis zum 24.11.2021 nur für die Vorlage falscher Bescheinigungen bei Behörden oder Versicherungen. § 277 StGB a.F. ist keine spezielle Vorschrift, die den Täter der Fälschung von Gesundheitszeugnissen im Verhältnis zu dem einer Urkundenfälschung privilegieren soll. Weder dem Zweck noch dem systematischen Zusammenhang der miteinander konkurrierenden Bestimmungen oder dem Willen des Gesetzgebers lassen sich Anhaltspunkte für eine solche Privilegierung entnehmen. Erst recht entfaltet § 277 StGB a.F. keine Sperrwirkung gegenüber § 267 StGB, wenn der Tatbestand der Fälschung von Gesundheitszeugnissen nicht (vollständig) erfüllt ist.

Hinweis: Der BGH sprach mit diesem Urteil ein Machtwort, weil es bei den unteren Instanzen zu divergierenden Entscheidungen zum Tatbestand der Urkundenfälschung von Corona-Impfbescheinigungen gekommen war.

Unsere Empfehlung
Ordnungsamtspraxis von A-Z online

Ordnungsamtspraxis von A-Z online

Hier finden Sie weitere Infos zur Urkundenfälschung.

€ 669.00Jahrespreis zzgl. MwSt.

Online-Version

AG Zwickau 03.11.2022 26 Ds 120 Js 21865/22

Volksverhetzung

Das Gericht lehnte es ab, wegen des Aufhängen von Plakaten der rechtsextremen Splitterpartei III. Weg mit dem Slogan „Hängt die Grünen“ ein Hauptverfahren aus rechtlichen Gründen zu eröffnen.

Das AG München hat zwei Personen in der gleichen Sache wegen Volksverhetzung und Aufruf zum Totschlag verurteilt.

Hinweis: Einer Presseanfrage mit der Bitte um Übersenden des Urteils in Volltext hat das AG Zwickau nicht entsprochen und darauf verwiesen, die Gerichtsakte sei beim Landgericht Zwickau.

OVG Münster 02.11.2022 4 B 1160/22.NE

Sonntagsöffnung – Sonntagsschutz

Bei gebietsweiten und gegenständlich unbeschränkten Sonntagsöffnungen von Verkaufsstellen bedarf es besonders gewichtiger Gründe, diese zu rechtfertigen. Sachgründe von geringerem Gewicht können regelmäßig nur räumlich oder gegenständlich eng begrenzte Ladenöffnungen mit geringer prägender Wirkung für den öffentlichen Charakter des Tages rechtfertigen.

Umgekehrt kommt dem Sonntagsschutz und den durch ihn verstärkten Grundrechten aller von einer Sonntagsöffnung Betroffenen im Verhältnis zu Erwerbsinteressen des Handels und der Kunden umso größeres Gewicht zu, je weitergehend die werktägliche Ladenöffnung freigegeben ist, wie dies in Nordrhein-Westfalen der Fall ist.

Eine Sonntagsöffnung ist schon unwirksam, wenn es an einer schlüssigen und nachvollziehbaren Prognose fehlt, die Zahl der allein von der Veranstaltung „Blaulicht Tag in Q. X.“ selbst angezogenen Besucher werde größer sein als die Zahl derjenigen, die allein ‒ ohne die Veranstaltung ‒ wegen einer Ladenöffnung kämen.

Unsere Empfehlung
Gewerbeamtspraxis von A-Z online

Gewerbeamtspraxis von A-Z online

Mit Fallbeispielen, Arbeitshilfen sowie Rechtsgrundlagen zur Ladenöffnung.

€ 629.00Jahrespreis zzgl. MwSt.

Online-Version

OVG Lüneburg 01.11.2022 14 MN 321/22

Medizinische Maske im Personennahverkehr

Das in § 8 Abs. 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung (Nds. Corona-VO) geregelte Gebot, in Verkehrsmitteln des Personennahverkehrs eine medizinische Maske zu tragen, ist auch angesichts der geänderten rechtlichen Vorgaben des Infektionsschutzgesetzes und des derzeitigen Infektionsgeschehens voraussichtlich nicht zu beanstanden.

§ 8 Abs. 1 Nds. Corona-VO lässt sich rechtskonform dahin auslegen, dass die medizinische Maske für den eng begrenzten Zeitraum einer notwendigen Aufnahme von Speisen und Getränken abgenommen werden darf.

VG Gießen 27.10.2022 6 L 1973/22

Altreifen sind Abfall

Auf einem Grundstück lagernde 400 Tonnen Altreifen sind Abfall. Die Altreifen sind für ihren ursprünglichen Verwendungszweck als Reifen nicht mehr tauglich, weil sie teilweise über mehrere Jahre ohne jeglichen Witterungsschutz und nicht sachgerecht gestapelt draußen gelagert wurden. Das Gericht bestätigte eine Stilllegungs- und Beseitigungsverfügung für ein illegales Altreifenlager.

VG Köln 27.10.2022 1 L 2008/21

Wasserpfeifen ohne Abstand zu brennbaren Materialen

Der fehlerhafte Betrieb einer Lüftungsanlage sowie fehlende Kohlenmonoxidwarnmelder in verschiedenen Räumen und fehlende Unterlagen hierzu rechtfertigen keine Zwangsgeldfestsetzung, auch wenn mit einer bestandskräftigen Verfügung das Rauchen mit Wasserpfeifen (Sisha) untersagt wurde.

Wenn Wasserpfeifen ohne feuerfeste Unterlagen auf Tischen und mit glühenden Kohlen unmittelbar neben Polstermöbeln auf dem Boden und somit nicht in sicherem Abstand zu brennbaren Materialen stehen, sind den damit verbundenen Gefahren mit den Mitteln des allgemeinen Ordnungsrechts zu begegnen.

OLG Frankfurt a. M. 25.08.2022 11 U 34/21

Tiergefahr von Hunden

Der Halter eines angeleinten Hundes der Rasse „Weimaraner“ muss sich die Tiergefahr seines Hundes nicht schadensmindernd anrechnen lassen, wenn sein Hund ohne vorheriges auffallendes Verhalten von einem sich losreißenden Rottweiler gebissen wird. Die vom Weimaraner ausgehende Tiergefahr tritt vollständig hinter die Tiergefahr des Rottweilers zurück.

Unsere Empfehlung
Problemfall Hund

Problemfall Hund

Ordnungsrechtliche Grundlagen und Praxis

€ 79.44zzgl. € 3,95 Versandpauschale und MwSt.

Buch

LG Frankenthal 12.08.2022 9 O 67/21

Blendwirkung durch Photovoltaikanlage

Geht von einer Photovoltaikanlage eine solche Blendwirkung auf das benachbarte Wohnhausgrundstück aus, dass dessen Nutzung wesentlich beeinträchtigt ist, hat der Nachbar einen Anspruch auf Beseitigung dieser Störung. Dem Nachbarn ist es nicht zumutbar, die Terrasse in den Sommermonaten nicht nutzen zu können und die betroffenen Wohnbereiche mittels Rollläden verdunkeln zu müssen.

Autor*in: Uwe Schmidt (Uwe Schmidt unterrichtete Ordnungsrecht, Verwaltungsrecht und Informationstechnik.)