27.06.2019

Unterlassen einer Brandwache: Schadensersatz wegen zweitem Brand?

Muss eine Gemeinde als Träger der Freiwilligen Feuerwehr Schadensersatz leisten, wenn nach dem Löschen eines Brandes das Feuer erneut aufflammt, weil keine Brandwache gestellt wurde? Diese Frage musste das OLG Saarbrücken (Urteil vom 19.04.2019, Az. 4 U 137/16) beantworten.

Unterlassen einer Brandwache Schadensersatz

Zwei Brände innerhalb von zwei Stunden

Wegen eines technischen Defekts kam es in einem Gebäude zu einem Zimmerbrand im Dachgeschoss. Die Freiwillige Feuerwehr der Gemeinde wurde um 16.17 Uhr hinzugerufen und löschte diesen Brand. Die Meldung „Feuer aus“ erfolgte um 16.39 Uhr. Die Einsatzkräfte der Feuerwehr verließen gegen 17.30 Uhr den Brandort. Zu diesem Zeitpunkt befand sich noch ein Brandermittlungsteam der Polizei an der Brandstelle. Eine Brandwache wurde unstreitig nicht aufgestellt.

Um 18.15 Uhr sollte eine Nachschau erfolgen. Etwa gegen 18.16 Uhr am selben Tag – ca. 45 Minuten nach dem Verlassen des Brandorts durch die Feuerwehr – kam es im Dachgeschoß zu einem erneuten Brand. Um 18.16 Uhr wurde die Freiwillige Feuerwehr der Gemeinde erneut alarmiert. Um 18.25 Uhr war sie am Brandort. Bei diesem erneuten Brand wurde der gesamte Dachstuhl des Hauses zerstört.

Der entstandene Schaden wurde dem Hauseigentümer von seiner Versicherung ersetzt. Die Versicherung fordert ihrerseits den Ersatz der Aufwendungen an den Hauseigentümer im Regressweg von der Gemeinde.

Schadensersatz: Gemeinde haftet

Feuer- und Brandschutz sind hoheitliche Tätigkeiten. Hierzu gehören nicht nur die hauptamtlichen Tätigkeiten der Berufsfeuerwehr, sondern auch die brandbekämpfenden sowie not- und unfallbezogenen Handlungen der Freiwilligen Feuerwehr, urteilte das OLG. Verantwortlicher und haftungsrechtlich Verpflichteter ist grundsätzlich die Trägerkörperschaft der Freiwilligen Feuerwehr, vorliegend also die Gemeinde.

Angehörige der Freiwilligen Feuerwehr sind Beamte im haftungsrechtlichen Sinn

Die Angehörigen der auf gesetzlicher Grundlage gebildeten Freiwilligen Feuerwehren sind daher Beamte im haftungsrechtlichen Sinne und die von ihnen zu beachtenden Pflichten sind Amtspflichten, so das Gericht weiter. Fehler bei der Ausübung der Tätigkeit der Freiwilligen Feuerwehren führen daher zu einer Haftung gegenüber dem geschädigten Bürger nach den Grundsätzen der Amtshaftung gemäß § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG.

Pflicht zum Stellen einer Brandwache

Zu den der Feuerwehr bei der Brandbekämpfung obliegenden Pflichten gehört es, den Brandherd zweifelsfrei zu löschen und gegebenenfalls Brandwachen aufzustellen. Dies bedeutet, dass die Amtspflicht besteht, bei nicht sicher gelöschten Bränden Brandwachen einzusetzen. Dies setzt voraus, dass aufgrund der besonderen Gegebenheiten des Brandobjekts die konkrete Gefahr eines Wiederaufflammens nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden kann.

Eine Brandwache ist bei einem Wohnungsbrand daher nur geboten, wenn Zweifel am Ablöschen aller Glutnester bestehen, wenn es sich um ein besonders unübersichtliches Brandobjekt handelt oder wenn die Eigenart der baulichen Substanz ein sofortiges Ablöschen nicht zulässt.

Maßnahmen im Ermessen der Feuerwehr

Welche Maßnahmen die Feuerwehr zur Gefahrenabwehr im Rahmen der Bekämpfung von Schadenfeuern ergreift, liegt in ihrem Ermessen bzw. im Ermessen des Einsatzleiters, bei dessen Ausübung der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten ist. Das bedeutet, dass der Feuerwehr kein Ermessen bezüglich des „ob“ ihres Tätigwerdens (Entschließungsermessen) zusteht, dass sie jedoch im Rahmen ihres Auswahlermessens entscheidet, „wie“ sie tätig werden will.

Welche Maßnahmen nach Art und Umfang erforderlich sind, ist eine vom Gericht in vollem Umfang zu überprüfende Rechtsfrage, wobei auf den Sach- und Kenntnisstand zum Zeitpunkt des Handelns abzustellen ist.

Wegen der Unübersichtlichkeit der räumlichen Verhältnisse in der Dachgeschosswohnung war das Ermessen des Einsatzleiters der Freiwilligen Feuerwehr darauf reduziert, eine Brandwache am Einsatzort zurückzulassen.

Unterlassen einer Brandwache als Amtspflichtverletzung

Das Unterlassen der Einrichtung einer Brandwache, ohne durch klare Absprachen dafür zu sorgen, dass wenigstens die Brandermittler der Polizei vor Ort bleiben würden, stellt eine Amtspflichtverletzung dar.

Die Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr haben somit schuldhaft, in diesem Fall grob fahrlässig, gehandelt.

Ergebnis

Die Gemeinde haftet für Amtspflichtverletzungen der für sie tätigen Bediensteten der Freiwilligen Feuerwehr nach Maßgabe von § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG. Die Versicherung hat gegen die Gemeinde dem Grunde nach einen Anspruch gemäß § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG i. V. m. § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG auf Ersatz ihrer Aufwendungen.

Autor*in: Uwe Schmidt (Uwe Schmidt unterrichtete Ordnungsrecht, Verwaltungsrecht und Informationstechnik.)