Unterbringung eines verletzten Hundes: Wer trägt Aufwendungsersatz?
Das BVerwG (Urteil vom 27.2.2020, Az. 3 C 11/18) hatte zu entscheiden, ob ein misshandelter, auf einem Parkplatz zurückgelassener Hund als Fundtier zu behandeln ist oder ob das Veterinäramt als Tierschutzbehörde zuständig ist.
Zurücklassen eines Hundes mit Folgen
Der Leiter eines Einkaufsmarkts informierte die Polizei, eine volltrunkene Frau habe einen Hund auf dem Parkplatz vor dem Geschäft angebunden und sich anschließend entfernt. Die Polizei stellte am Hals des Hundes ältere und frische, blutende Verletzungen fest. Sie brachte ihn zu einem Tierarzt, wo er behandelt wurde, und informierte zudem das Ordnungsamt, das die Zuständigkeit für den Hund verneinte. Das Ordnungsamt informierte dennoch den Tierschutzverein, der den Hund bei dem Tierarzt abholte und bei einer seiner Pflegestellen unterbrachte. Es unterrichtete zudem das Veterinäramt und teilte mit, es handle sich um eine Tierschutzangelegenheit, weshalb die Tierschutzbehörde zuständig sei. Das Veterinäramt hingegen war der Auffassung, der Hund sei ein Fundtier, das verwahrt werden müsse, bis der Besitzer ermittelt sei. Könne der Halter ermittelt werden, werde das Veterinäramt Maßnahmen einleiten.
Die Polizei machte die Hundehalterin ausfindig, die erklärte, sie sei noch am gleichen Abend zu dem Parkplatz zurückgekehrt und habe vergeblich nach dem Hund gesucht.
Der Tierschutzverein verlangte von der Tierschutzbehörde 5.530 Euro für das Unterbringen des Hundes.
Geschäftsführung ohne Auftrag
Aus der Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. BGB) kann sich entsprechend §§ 683, 670 BGB ein Aufwendungsersatzanspruch ergeben, etwa wenn ein privater Geschäftsführer eine Maßnahme trifft, die zu den Aufgaben eines Trägers öffentlicher Verwaltung gehört. Dies geschah, indem der Tierschutzverein den Hund bei sich aufnahm und ihn versorgte. Hat ein Träger öffentlicher Verwaltung ein Tier unterzubringen, so steht ihm grundsätzlich frei, sich selbst des Tiers anzunehmen oder es bei einem privaten Dritten in Obhut zu geben.
Tierschutzgesetz ist einschlägig, nicht das Fundrecht
Die Anwendung des Fundrechts setzt einen Fund voraus und damit ein verlorenes, also besitz-, aber nicht herrenloses Tier. Besitz besteht in der tatsächlichen Gewalt über die Sache. Sie endet, wenn der Besitzer die Sachherrschaft aufgibt oder in anderer Weise verliert; eine ihrer Natur nach vorübergehende Verhinderung in der Ausübung der Gewalt beendet den Besitz allerdings nicht. Daher greift das Fundrecht nicht.
Das Tierschutzgesetz hat den Zweck, aus der Verantwortung des Menschen für das Tier dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen (§ 1 Satz 1 TierSchG). Den Tierschutzbehörden obliegt es, das Einhalten des Tierschutzgesetzes, namentlich der Grundsätze der Tierhaltung (§ 2 TierSchG), zu überwachen. Sie treffen die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und zur Vermeidung zukünftiger Verstöße notwendigen Anordnungen (§ 16a Abs. 1 Satz 1 TierSchG).
Die Besitzentziehung der Polizei gegenüber der Hundehalterin beruhte auf ihrer Verpflichtung, in eigener Zuständigkeit zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit tätig zu werden, soweit ein Handeln der zuständigen Behörde nicht oder nicht rechtzeitig möglich erscheint (§ 1 Abs. 1 Satz 3 NRWPolG).
Nachdem die Polizei den Hund bei dem Tierarzt zurückgelassen hatte, war es seine Aufgabe, über die gebotenen tierschutzrechtlichen Maßnahmen – gegebenenfalls auch über die Rückgabe des Hundes – zu entscheiden und bis dahin den Hund unterzubringen. Dabei ist unerheblich, dass die Polizei nur das Ordnungsamt unterrichtet hat. Zutreffend hat der Tierarzt den Hund dem Tierschutzverein zum Zweck der Unterbringung übergeben.
Es war die Aufgabe des Veterinäramtes, auf der Grundlage der polizeilichen Wegnahme des Hundes eine Entscheidung über dessen weiteren Verbleib und damit die Sicherstellung dessen künftiger art- und bedürfnisgerechter Haltung zu treffen sowie den Hund bis dahin unterzubringen.
Der Zuständigkeit des Veterinäramtes steht auch nicht entgegen, dass das Ordnungsamt trotz Unzuständigkeit die Kosten des Tierarztes verauslagt, diese von der Hundehalterin zurückgefordert und ihr erklärt hat, sie bekomme den Hund nicht zurück.
Ergebnis
Ein Tierschutzverein hat nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag einen Anspruch auf Aufwendungsersatz gegen die Tierschutzbehörde für die Kosten der Unterbringung eines verletzten Hundes, wenn es ihre Aufgabe gewesen wäre, den misshandelten Hund in Obhut zu nehmen.
Das Urteil ist abrufbar unter https://www.bverwg.de/de/270220U3C11.18.0