06.03.2018

Kann eine Trunkenheitsfahrt mit einem Darmpilz entschuldigt werden?

Da staunte die Vorsitzende Richterin des Amtsgerichts in Frankenberg/Eder: Eine mit 2,35 Promille von der Fahrbahn abgekommene Autofahrerin erklärte den hohen Alkoholgehalt im Blut mit einer Darmerkrankung. Das Amtsgericht musste entscheiden, ob diese ungewöhnliche Entschuldigung stichhaltig ist (Urteil vom 05.02.2018, Az. 42 Cs 3Js 5650/17).

Trunkenheitsfahrt Darmpilz

Eine Autofahrerin fuhr mit ihrem PKW in den Straßengraben. Der Polizei kam ihr Verhalten merkwürdig vor, und so ordnete sie eine Blutprobe an. Diese ergab einen Alkoholgehalt von 2,35 Promille im Blut (zurückgerechnet zur Zeit des Unfalls sogar 2,5 bis 2,8 Promille). Die Autofahrerin erhielt einen Strafbefehl über 30 Tagessätze á 30 Euro (zusammen 900 Euro), den sie aber nicht akzeptieren wollte. Zusammen mit ihrem Rechtsanwalt erhob sie Einspruch vor dem Amtsgericht in Frankenberg an der Eder. Der Rechtsanwalt argumentierte, vor der Fahrt habe sie nur zwei Bier zu sich genommen. Seit einiger Zeil leide sie unter einem Darmpilz, der Kohlehydrate, z.B. aus Brot oder Nudeln, zu Fuselalkohol „verstoffwechselt“. Der hohe Alkoholgehalt im Blut sei daher krankheitsbedingt und die Autofahrerin unschuldig.

Die Entscheidung des Gerichts

  • Ob ein Darmpilz Kohlehydrate wie behauptet zu Fuselalkohol „verstoffwechselt“, ist eine medizinische Frage, die nur ein Gutachter beantworten kann.
  • Der Gutachter erläuterte in der mündlichen Verhandlung, jeder Mensch hat bedingt durch den Stoffwechsel maximal 0,015 Promille Alkohol im Blut. Durch körperliche Besonderheiten wie eine Erkrankung kann dieser Alkoholgehalt höchstens bei der zweiten Nachkommastelle steigen. Eine Konzentration von 2,35 Promille Alkohol lässt sich mit einer Erkrankung nicht erklären. Um diesen Promillewert zu erreichen, ist der Konsum von 4 bis 5 Flaschen Bier á 0,5 Liter erforderlich.
  • Der Rechtsanwalt räumte nach der Aussage des Gutachters die Alkoholfahrt ein und beschränkte seinen Einspruch auf das Strafmaß.
  • Dieses fiel angesichts des eindeutigen Sachverhalts für die Autofahrerin höher als zunächst im Strafbefehl verfügt aus: Die Vorsitzende Richterin verurteilte sie zu 35 Tagessätzen á 50 Euro (zusammen 1.750 Euro). Zudem verlängerte sich die Sperrfrist bis zum Wiedererlangen der Fahrerlaubnis, die erst dann beginnt, wenn das Urteil rechtskräftig ist. Die Kosten des Gutachters gehen ebenfalls zulasten der Autofahrerin.
Autor*in: Uwe Schmidt (Uwe Schmidt unterrichtete Ordnungsrecht, Verwaltungsrecht und Informationstechnik.)