Taubenhaltung im allgemeinen Wohngebiet zulässig?
Ob das Halten von 46 Tauben im allgemeinen Wohngebiet zulässig ist, musste der VGH Kassel (Urteil vom 11.07.2019, Az. 3 A 1621/17.Z) auf Klage der Nachbarn entscheiden.
Baugenehmigung für einen Taubenschlag mit Auflagen
Ein Taubenhalter beantragte eine Baugenehmigung für einen Taubenschlag für 34 Tauben und 12 festsitzende Zuchttauben in einem allgemeinen Wohngebiet. Die erteilte Baugenehmigung enthielt folgende Auflagen:
- Es wurden Immissionswerte an den angrenzenden Wohngebäuden von 55 dB(A) tags (6 – 22 Uhr) und 40 dB(A) nachts (22 – 6 Uhr) festgesetzt.
- Im Fall begründeter Beschwerden wegen Belästigungen durch Lärmimmissionen des Taubenschlages ist auf Verlangen der zuständigen Behörden und auf Kosten des Taubenhalters unverzüglich eine nach § 29b BImSchG in Hessen anerkannte Messstelle mit der Ermittlung der Lärmimmissionen im Einwirkungsbereich der Anlage zu beauftragen.
- In den Nachtstunden sind die Tauben in den Taubenschlag einzusperren (Stallsperre). Die Stallsperre gilt zu folgenden Zeiten: werktags 06:00 – 07:00 Uhr, 20:00 – 22:00 Uhr, Sonn- und Feiertage: 06:00 – 09:00 Uhr, 13:00 – 15:00 Uhr, 20:00 – 22:00 Uhr. Während dieser Stallsperre sollen die Tauben keine Möglichkeit haben ein- und auszufliegen.
- Die Stallsperre kann angeordnet werden, wenn die festgesetzten Immissionsrichtwerte überschritten werden.
Die Nachbarn klagen gegen die Baugenehmigung mit dem Argument, die Taubenhaltung in einem allgemeinen Wohngebiet sei unzulässig.
Keine allgemein gültige Kriterien für die Tierhaltung im allgemeinen Wohngebiet
Mit der Baugenehmigung, so der VGH, sind die berechtigten Interessen der Nachbarn, vor unzumutbaren Lärm- und Geruchsimmissionen verschont zu bleiben, in den Blick genommen und durch entsprechende Auflagen gesichert worden.
Das Halten von Kleintieren ist im Grundsatz Ausfluss des Begriffs „Wohnen“ i.S. einer Freizeitgestaltung. Die Hobby-Tierhaltung findet ihre Grenze dort, wo sie die Rechte anderer in diesem Gebiet wohnender Menschen beeinträchtigt. Anlagen und Einrichtungen für Hobbykleintierhaltung wie Hundezwinger, Taubenschläge, Vogelvoliere oder Ställe für Geflügel und Kaninchen sind nur dann „untergeordnete“ Nebenanlagen oder Einrichtungen im Sinne von § 14 Abs. 1 BauNVO, wenn sie gegenüber dem Wohnen als Hauptnutzung räumlich und funktionell von untergeordneter Bedeutung sind und wenn ihre Nutzung dem Wohnen zugeordnet ist. In diesem Sinne gehöre zur Hobbykleintierhaltung das Halten einzelner Hunde, von Brieftauben, Ziervögeln, Kaninchen und Rassegeflügel. Dagegen sind Ställe zur Tierzucht jeglicher Art und zur Haltung von Nutztieren – wie Schweine, Ziegen, Schafe – und anderen Tieren, bei denen vorrangig auf die Fleisch-, Milch oder Eierproduktion angestellt werde, unzulässig.
Bei der Taubenzucht, entschied der VGH daher, handelt es sich nicht um eine Tierzucht im oben beschriebenen Sinne. Sie dient dem Erhalt des Taubenbestandes und wird daher als Nebenanlage i.S.v. § 14 BauNVO angesehen.
Ist die Taubenhaltung eine allgemein zulässige Nebennutzung?
Die mit der Baugenehmigung zugelassene Anzahl von Tauben bewegt sich im Rahmen dessen, was grundsätzlich in reinen oder allgemeinen Wohngebieten für zulässig erachtet wird. Das BVerwG hat mehrfach entschieden, dass es von der Verkehrsüblichkeit abhängig ist, ob sich eine Taubenzucht (Taubenhaus) im Sinne einer untergeordneten Nebenanlage in einem allgemeinen Wohngebiet noch als Freizeitbetätigung im Rahmen einer Wohnnutzung einordnen lässt. Dies sei vielmehr auch von der Verkehrsüblichkeit abhängig. Diese könne lokal oder regional unterschiedlich sein. Eine Taubenzucht bewegt sich im Rahmen einer angemessenen Grundstücksnutzung, wenn sie zu einer nach der Verkehrsanschauung für das konkrete Gebiet passenden Nutzung gehört, es sich also um eine herkömmliche oder regional traditionelle Nutzung handelt. Diese Frage wurde bei einer Gemeinde mit ca. 5.400 Einwohnern bejaht.
In einem allgemeinen Wohngebiet einer kleineren Gemeinde ist ein Taubenschlag für 34 Flug- und 12 Zuchttaubenpaare als allgemein zulässige Nebennutzung gemäß § 14 BauNVO zulässig, zumindest mit den in der Baugenehmigung aufgenommenen Auflagen.
Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot?
Die Beeinträchtigung, so die Nachbarn, gehen nicht nur von der baulichen Anlage selbst, sondern von deren Nutzung aus. Die Tauben flögen von der Taubenzuchtanlage auch auf ihr Grundstück und erzeugten durch Gurren, Umherfliegen, Flügelklatschen und Verunreinigungen durch herabfallenden Kot erhebliche Beeinträchtigungen. Ein ausführliches Protokoll über die Beeinträchtigungen liegt vor.
Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO sind bauliche Anlagen unzulässig, urteilte der VGH, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden. Handelt es sich bei dem Taubenverschlag um eine zulässige Nebenanlage zur Tierhaltung gemäß § 14 Abs. 1 BauNVO, sind die typischerweise von dieser ausgehenden Beeinträchtigungen grundsätzlich hinzunehmen.
Ergebnis
Die Klage der Nachbarn wurde abgewiesen. Der Tenor der Gerichtsentscheidung lautet:
- Die Haltung von Tauben zu Hobbyzwecken kann Ausdruck des Wohnens im Sinne einer Freizeitgestaltung sein.
- Die hobbymäßige Taubenzucht kann grundsätzlich als untergeordnete Nebenanlage oder -einrichtung i. S. v. § 14 BauNVO gesehen werden.
- Handelt es sich bei einem Taubenverschlag um eine zulässige Nebenanlage i.S.v. § 14 Abs. 1 BauNVO sind die typischer Weise hiervon ausgehenden Beeinträchtigungen grundsätzlich hinzunehmen.
Das Urteil ist abrufbar unter https://www.rv.hessenrecht.hessen.de/bshe/document/LARE190035774
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