Räum- und Streupflicht für Fußweg, der als Schulweg ausgewiesen ist?
Manche gesetzliche Absicht ist zwischen den Zeilen verborgen. Weil eine Gemeinde es nicht verstand, zwischen den Zeilen des Straßengesetzes zu lesen, stand ihre Entscheidung auf dem Prüfstand des VG München (Urteil vom 24.09.2019, Az. M 2 K 17.5482).
Fußweg als beschränkt öffentlicher Weg
Der Fußweg „Weg an der Grube“ wurde vor Jahren als beschränkt öffentlicher Weg mit der Einschränkung „Nur für Fußgänger“ gewidmet. An dem Weg hatte die Gemeinde vor Jahren Schilder aufgestellt, wonach der Weg im Winter weder geräumt noch gestreut werde.
Die Gemeinde teilte den anliegenden Grundstückseigentümern mit, dass der Weg künftig als Schulweg ausgewiesen sei. Die Schilder zum Einschränken des Winterdienstes würden entfernt, sodass die Grundstückseigentümer künftig nach der Reinigungs- und Sicherungsverordnung (RSV) den Fußweg auf eigene Kosten in sicherem Zustand zu halten haben.
Die Grundstückseigentümer beantragten nach der RSV eine Befreiung von der Sicherungspflicht, die aber von der Gemeinde abgelehnt wurde, weil die Winterdienstpflicht zumutbar und sozialadäquat sei.
Gegen die Ablehnung der Befreiung von der Sicherungspflicht klagten die Grundstückseigentümer vor dem VG München.
Sicherungspflichten der Gemeinden und Übertragen der Sicherungspflicht
Nach den Straßengesetzen der Bundesländer (hier: Art. 51 Abs. 1 Satz 1 BayStrWG) liegt die Sicherungspflicht für die öffentlichen Straßen innerhalb der geschlossenen Ortslage grundsätzlich bei den Gemeinden. Sie sind nach ihrer Leistungsfähigkeit dazu verpflichtet, die öffentlichen Straßen zu beleuchten, zu reinigen, von Schnee zu räumen und alle gefährlichen Fahrbahnstellen, die Fußgängerüberwege und die Gehbahnen bei Glätte zu streuen, wenn das dringend erforderlich ist und nicht andere aufgrund sonstiger Rechtsvorschriften hierzu verpflichtet sind.
Soweit es die Sicherungspflicht gegen Schnee und Glatteis betrifft, können die Gemeinden zur Verhütung von Gefahren für die im Gesetz (hier: Art. 51 Abs. 5 BayStrWG) genannten Individualrechtsgüter die Sicherungspflichten auf die im Straßengesetz genannten Personen durch Rechtsverordnung übertragen.
Einschränkung der Übertragung auf Wege an öffentlichen Straßen
Der Sache nach übertragen können die Gemeinden die Sicherung der Gehwege sowie der gemeinsamen Geh- und Radwege der an ihr Grundstück angrenzenden oder ihr Grundstück erschließenden öffentlichen Straßen. Aus dem Gesetzestext folgt demnach, dass durch Rechtsverordnung Sicherungspflichten in Bezug auf unselbstständige gemeinsame Geh- und Radwege übertragen werden können.
Mangels einer gesetzlichen Ermächtigung im Straßengesetz des Bundeslandes (hier: Art. 51 Abs. 5 BayStrWG) gilt dies aber nicht für selbstständige Gehwege, entschied das VG München.
Was sind selbstständige Gehwege?
Der Formulierung „die Gehwege (…) der öffentlichen Straßen“ ist zu entnehmen, dass nach der Vorstellung des Gesetzgebers neben dem Gehweg noch eine Straße vorhanden sein muss, um die Sicherungspflichten zu übertragen. Denn ein selbstständiger Gehweg ist als ein Gehweg definiert, der nicht Bestandteil einer Straße ist (hier: Art. 53 Nr. 2 BayStrWG). Ein Gehweg, der nicht Bestandteil einer Straße ist, folgerte das VG München, kann aber konsequenterweise kein „Gehweg der öffentlichen Straßen“ sein.
Ergebnis: Grundstückseigentümer von Streupflicht auf Schulweg befreit
Der Fußweg „Weg an der Grube“ liegt nicht an einer öffentlichen Straße. Er ist ein selbstständiger Gehweg. Die fehlende gesetzliche Grundlage für eine Übertragung der Sicherungspflichten führt dazu, dass diese bei der Gemeinde verbleiben.
Das Gericht gab der Klage der Grundstückseigentümer statt. Der Bescheid der Gemeinde wurde aufgehoben.
Das Urteil ist abrufbar unter https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2019-N-23942?hl=true