Spielhallenrecht: Losverfahren und Härtefallregelung
Auf bisher nicht betretenem Neuland bewegen sich die Gewerbeämter, wenn sie nach dem Auslaufen der Übergangsregelung des GlüStV 2012 Losverfahren und Härtefallregelungen anwenden. Wir erläutern, welche Tendenzen sich bisher in der Rechtsprechung herausgebildet haben.
Zum Hintergrund
Nach dem Glücksspielstaatsvertrag 2012 (GlüStV)
- ist zwischen den Spielhallen ist ein Mindestabstand einzuhalten (§ 25 Abs. 1 GlüStV) und
- ist der Betrieb von mehreren Spielhallen an einem Standort (Verbundspielhallen) nicht erlaubnisfähig (§ 25 Abs. 2 GlüStV).
Wurde einer Spielhalle bis zum 28.10.2011 eine Erlaubnis nach § 33i GewO erteilt, brauchten diese Spielhallen die Anforderungen der §§ 24 und 25 GlüStV bis zum 30.06.2017 nicht erfüllen (§ 29 Abs. 4 Satz 1 GlüStV). Nach diesem Zeitpunkt können die Behörden Befreiungen von der Erfüllung einzelner Anforderungen, insbesondere auch vom Verbot des Betriebs von Verbundspielhallen, für einen angemessenen Zeitraum zulassen, wenn dies zur Vermeidung unbilliger Härten erforderlich ist (§ 29 Abs. 4 Satz 4 GlüStV).
Wie entscheiden nun die Gewerbeämter, wenn mehrere Spielhallen den Mindestabstand nicht einhalten und die Betreiber glücksspielrechtliche Erlaubnisse bzw. eine Erlaubnis zur Vermeidung unbilliger Härten beantragen?
Überblick über die bisherige Rechtsprechung
GlüStV 2012
- Die den Spielhallenbetreibern bisher erteilten Erlaubnisse nach § 33i GewO führen lediglich dazu, dass ihre Spielhallen bis zu diesem Zeitpunkt als mit den §§ 24 und 25 GlüStV vereinbar gelten. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die glücksspielrechtliche Erlaubnis bestehen auch unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes nicht (BVerfG, Beschl. vom 07.03.2017, Az. 1 BvR 1314/12 u.a.; BVerwG, Urteil vom 16.12.2016, Az. 8 C 6.15).
- Nach § 25 Abs. 1 GlüStV ist zwischen Spielhallen ein Mindestabstand einzuhalten. Die Spielhallengesetze der Bundesländer legen den jeweiligen Mindestabstand fest, den alle Spielhallen des Bundeslandes untereinander einzuhalten haben. Das Mindestabstandsgebot ist verfassungsgemäß (BVerfG, Beschl. vom 07.03.2017, a.a.O.; BVerwG, Urteil vom 16.12.2016, a.a.O.).
Losverfahren
- Ist eine Auswahlentscheidung zwischen mehreren Betrieben zu treffen, muss die Erlaubnisbehörde auch bei Durchführung eines Losverfahrens den vom Bundesverfassungsgericht (Beschl. vom 7. März 2017, Az. 1 BvR 1314/12) aufgestellten Grundsatz der bestmöglichen Ausschöpfung der Standortkapazität beachten (VG Oldenburg, Beschl. vom 24.05.2017, Az. 7 B 2896/17).
- Beantragen mehrere im vorgesehenen Abstandsbereich gelegene Spielhallen, ihnen die ab 1. Juli 2017 nach § 24 GlüStV erforderliche Erlaubnis zur Fortführung ihres Betriebs zu erteilen, ist nach der Rechtsprechung des BVerfG eine Auswahlentscheidung zu treffen, die sich nach Ermessen der Erlaubnisbehörde an sachlichen Kriterien zu orientieren hat. Nur wenn diese Gesichtspunkte keine gewichtigen Unterschiede zwischen den Bewerbern ergeben, darf die Erlaubnisbehörde einen Losentscheid durchführen (VG Oldenburg, Urteil vom 16.05.2017, Az. 7 A 14/17).
- Keine gewichtigen Unterschiede bestehen von vornherein, wenn und soweit mehrere (Verbund-)Spielhallen eines einzigen Unternehmers betroffen sind. Naturgemäß kann in diesem Fall eine Differenzierung durch die Erlaubnisbehörde kaum vorgenommen werden. Es obliegt in diesem Fall vielmehr allein dem Betreiber dieser Spielhallen – etwa im Rahmen von Haupt- und Hilfsanträgen –, selbst die Auswahlentscheidung zu treffen und anzugeben, welche der Spielhallen vorrangig weiterbetrieben werden soll (VG Oldenburg, Urteil vom 16.05.2017, a.a.O.).
- Ein Losverfahren kann nur dann als „Ultima Ratio“ in Betracht kommen, wenn sich die Spielhallen bei Berücksichtigung sachlicher Kriterien, wie etwa der persönlichen Zuverlässigkeit, des Standorts oder des Zeitpunkts der gewerberechtlichen Erlaubnis, als gleichrangig erweisen (VG Lüneburg, 18.07.2017, Az. 5 B 95/17).
- In Nordrhein-Westfalen müssen Bestandsspielhallen, für die die fünfjährige Übergangsfrist gilt, für den weiteren Betrieb ab dem 1.7.2017 eine glücksspielrechtliche Erlaubnis haben; die Behörden müssen ihre Auswahlentscheidung vor diesem Zeitpunkt treffen und nicht erst vor dem 1.12.2017. Sofern Betreiber von Bestandsspielhallen auf einen Lauf der Übergangsfrist bis zum 30.11.2017 hingewiesen worden sind, dürften bei ihnen zur Vermeidung unbilliger Härten jedenfalls für die Zeit bis dahin die Voraussetzungen für die Befreiung vom Mindestabstandsgebot und vom Verbundverbot gegeben sein; eine entsprechende Härtefallbefreiung kommt gerade bei relativ spät getroffenen behördlichen Auswahlentscheidungen in Betracht, um die nach einer etwaigen negativen Auswahlentscheidung ggf. noch vorzunehmenden Abwicklungsmaßnahmen zu ermöglichen (OVG Münster, Beschl. vom 08.06.2017, Az. 4 B 307/17).
Härtefallregelung
- Ein Härtefall im Sinne des § 29 Abs. 4 Satz 4 GlüStV kann nur in atypischen Konstellationen angenommen werden, insbesondere wenn sich schutzwürdig vor dem 28. Oktober 2011 getätigte Investitionen im Einzelfall noch nicht amortisiert haben (VG Oldenburg, Urteil vom 16.05.2017, a.a.O.).
Das VG Wiesbaden (Beschl. vom 31.07.2017, Az. 5 L 3868/17.WI) hat entschieden, dass kein Härtefall vorliegt, wenn der Spielhallenbetreiber in den letzten Jahren erhebliche Summen in seine Spielhallen investiert und erst 2014 den Pacht- und Mietvertrag um 10 Jahre verlängert hat, nun aber durch den Ablauf der Konzession seine Aufwendungen nicht mehr amortisieren kann.