Muss sich Spielhallenbetreiber das Fehlverhalten des Geschäftsführers anrechnen lassen?
Ist eine juristische Person als Betreiber einer Spielhalle unzuverlässig, weil der Geschäftsführer im Rahmen einer Nebentätigkeit für einen anderen Spielhallenbetreiber gesetzeswidrig gehandelt hat (OVG Saarlouis, Beschl. vom 28.08.2020, Az. 1 B 174/20)?
Antrag auf Weiterbetrieb der Spielhalle abgelehnt
Seit 2004 betreibt eine GmbH aufgrund einer ursprünglich nach § 33i GewO erteilten Erlaubnis die Spielhalle „Halle 3“. In demselben Gebäude befinden sich zwei weitere mit der „Halle 3“ verbundene Spielhallen.
Die „Halle 3“ liegt in einem Abstand von weniger als 500 Metern Luftlinie zu weiteren Spielhallen: Die von F. befindet sich in ca. 438 Metern Entfernung, die von G. in ca. 230 Metern Entfernung. Daneben liegen weitere Spielhallenstandorte in weniger als 500 Metern Entfernung zur „Halle 3“.
Die GmbH beantragte vor Ablauf der Übergangsfrist beim zuständigen Gewerbeamt die Erlaubnis zum (fortgesetzten) Betrieb der „Halle 3“, hilfsweise die Anerkennung als Härtefall, und teilte weiter mit, die „Halle 3“ für ein durchzuführendes Auswahlverfahren zu präferieren.
Mit Bescheid vom 13.12.2019 erteilte das Gewerbeamt im Rahmen des Auswahlverfahrens zur Auflösung der Abstandskollision nach dem Landesspielhallengesetz (hier: § 3 Abs. 2 Nr. 2 SSpielhG) dem Betreiber F. eine Erlaubnis zum Weiterbetrieb der Spielhalle mit Wirkung ab dem 01.07.2017. Auch G. erhielt eine Erlaubnis zum Weiterbetrieb seiner Spielhalle ab dem gleichen Zeitpunkt.
Gegenüber der GmbH lehnte das Gewerbeamt sowohl die Erteilung einer Erlaubnis nach § 2 Abs. 1 SSpielhG im Auswahlverfahren als auch eine Befreiung vom Abstandsgebot nach § 12 Abs. 2 SSpielhG ab und forderte sie auf, die „Halle 3“ zu schließen. Die Auswahl zwischen der GmbH und Betreiber F. falle zu dessen Gunsten aus. Die GmbH klagte mit der Begründung, der Geschäftsführer von F. habe im Rahmen seiner Tätigkeit für den Spielhallenbetreiber N. mit dem Aufstellen eines zusätzlichen Geldspielgeräts gegen die SpielV verstoßen und sei unzuverlässig. Diese gelte auch für den Betreiber F.
Regelung in § 35 GewO
Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO setzt die Annahme der Unzuverlässigkeit eines Gewerbetreibenden voraus, dass Tatsachen vorliegen, die seine eigene Unzuverlässigkeit bzw. die Unzuverlässigkeit einer mit der Leitung des Gewerbebetriebs beauftragten Person in Bezug auf das ausgeübte Gewerbe rechtfertigen. Ist der Gewerbetreibende eine juristische Person, ist diese für unzuverlässiges Handeln ihrer Vertretungsberechtigten verantwortlich. Hat der Geschäftsführer nicht in Vertretung der juristischen Person, sondern als Vertreter eines Dritten ordnungswidrig oder strafrechtlich relevant gehandelt und sich dadurch als persönlich unzuverlässig erwiesen, so gilt dies nicht automatisch gegenüber der juristischen Person.
Wann sind Verstöße des Geschäftsführers der juristischen Person zurechenbar?
In Fällen, in denen der Spielhallenbetreiber eine juristische Person ist, muss auf deren Verhalten abgestellt werden. Der juristischen Person, hier der F. GmbH, ist als eigenes Fehlverhalten anzulasten, wenn ihr gesetzlicher Vertreter in Ausübung seiner geschäftsführenden Tätigkeit für die Gesellschaft, also in deren Namen, Rechtsverstöße begeht.
Fraglich ist, ob etwaige spezifisch spielhallenrechtliche Rechtsverstöße, die der Geschäftsführer einer juristischen Person im Rahmen einer weiteren beruflichen Tätigkeit in deren Namen begangen hat, hier als Geschäftsführer der F. GmbH, dieser zugerechnet werden kann.
Maßgebend StGB bzw. OWiG
Diese Frage beurteilt sich nach den Straf- bzw. Ordnungswidrigkeitenrecht, entschied das OVG Saarlouis.
Nach § 30 Abs. 1 Nr. 1 OWiG kann gegen eine juristische Person als solche eine Geldbuße festgesetzt werden, wenn jemand als ihr vertretungsberechtigtes Organ eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit begangen hat, durch die Pflichten, die die juristische Person treffen, verletzt worden sind. „Betriebsbezogene“ Pflichten sind solche, die sich aus dem jeweiligen Wirkungskreis der juristischen Person ergeben, diese also als Normadressaten treffen. Ihre Verletzung durch den Geschäftsführer kann ordnungsrechtlich ein Bußgeld gegen die juristische Person rechtfertigen.
Nach § 130 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 OWiG handelt ordnungswidrig, wer als Inhaber oder Vertretungsberechtigter eines Betriebs oder Unternehmens vorsätzlich oder fahrlässig die Aufsichtsmaßnahmen unterlässt, die erforderlich sind, um in dem Betrieb oder Unternehmen Zuwiderhandlungen gegen Pflichten zu verhindern, die den Inhaber treffen und deren Verletzung mit Strafe oder Geldbuße bedroht ist, wenn eine solche Zuwiderhandlung begangen wird, die durch gehörige Aufsicht verhindert oder wesentlich erschwert worden wäre.
Hiernach muss sich eine juristische Person ein Fehlverhalten ihres Geschäftsführers nur dann als eigene Ordnungswidrigkeit zurechnen lassen, wenn und soweit dies gesetzlich so vorgegeben ist. Es muss um die Verletzung betriebsbezogener Pflichten gehen, die die juristische Person selbst treffen. Solche Pflichten hat der Geschäftsführer nur gegenüber N. verletzt, nicht aber gegenüber F.
Fallbezogen heißt das, dass es aus Sicht des OWiG keine Handhabe gibt, der F. einen etwaigen Gesetzesverstoß ihres Geschäftsführers, den dieser in Vertretung von N. begangen hatte, als eigenen Rechtsverstoß zuzurechnen.
Ergebnis
Das OVG bestätigte die Auswahlentscheidung zugunsten von F. und zu Lasten der klagenden GmbH.