Sonntagsöffnung von Geschäften: Gewerkschaften protestieren
Weil der Online-Handel den traditionellen Ladengeschäften zunehmend Umsätze streitig macht, versuchen deren Inhaber, mit Eventveranstaltungen Kunden in die Städte und in die Geschäfte zu locken. Das VG Oldenburg (Beschl. vom 24.02.2017, Az. 12 B 353/17) musste sich den gegenläufigen Interessen von Handel und Beschäftigen stellen.
Eine Werbegemeinschaft in der Form eines e.V. als Zusammenschluss von ca. 120 Unternehmen einer Stadt in Niedersachen, die sich zum Ziel gesetzt hat, die Attraktivität der Einkaufsstadt zu steigern, beantragte mit Schreiben vom 8. September 2016 die Genehmigung mehrerer verkaufsoffener Sonntage. Auf den Hinweis, hinreichende Sachgründe für die Veranstaltungstage zu benennen, änderte und ergänzte die Werbegemeinschaft den Antrag und benannte
- für den 2. April 2017 den Frühlingsmarkt,
- für den 1. Oktober 2017 den Herbstmarkt (Erntedank),
- für den 15. Oktober 2017 den Heinesmarkt (Traditionsmarkt) und
- für den 5. November 2017 den Tag der Ostfriesen. Eine Gewerkschaft klagte gegen die Allgemeinverfügung und stellte einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz hinsichtlich der Gestattung der Öffnung von Geschäften an den Sonntagen 2. April, 1. Oktober und 5. November 2017.
Mit Allgemeinverfügung vom 13. Dezember 2016 genehmigte die Stadt die Öffnung der Verkaufsstellen im gesamten Stadtgebiet für die beantragten Sonntage jeweils in der Zeit von 13:00 Uhr bis 18:00 Uhr und ordnete die sofortige Vollziehung dieser Verfügung an. Zur Begründung führte sie aus, dass die Werbegemeinschaft besondere Anlässe zu den beantragten Verkaufsöffnungstagen angegeben habe. Es müsse erwartet werden, dass die Besucher anlässlich der an den jeweiligen Tagen stattfindenden Veranstaltungen die Stadt besuchen würden und dass die Verkaufsöffnung nur einen Annex darstelle.
Eine Gewerkschaft klagte gegen die Allgemeinverfügung und stellte einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz hinsichtlich der Gestattung der Öffnung von Geschäften an den Sonntagen 2. April, 1. Oktober und 5. November 2017.
Die Gerichtsentscheidung
- Rechtsgrundlage für die Allgemeinverfügung zur Sonntagsöffnung ist § 5 Abs. 1 Satz 1 NLöffVZG (bzw. entsprechende landesrechtliche Regelung). Danach soll auf Antrag der überwiegenden Anzahl der Verkaufsstellen eines Ortsbereichs oder einer den örtlichen Einzelhandel vertretenden Personenvereinigung die zuständige Behörde zulassen, dass Verkaufsstellen auch an Sonn- und Feiertagen öffnen dürfen. Die Öffnung darf (in Niedersachsen) in Ausflugsorten an insgesamt höchstens acht und in anderen Orten an insgesamt höchstens vier Sonn- und Feiertagen im Jahr und jeweils höchstens für die Dauer von fünf Stunden täglich zugelassen werden.
- In § 5 NLöffVZG ist eine besondere Voraussetzung für die Zulassung der Öffnung von Verkaufsstellen an Sonn- und Feiertagen nicht formuliert. Damit ist eine Anlassbezogenheit nicht ausdrücklich erwähnt, sie ist aber nach dem Wortlaut auch nicht ausgeschlossen. Denn der Wortlaut der Regelung ist nicht eindeutig und abschließend. Den Gesetzesmaterialien ist zu entnehmen, dass der Gesetzgeber auf die Anlassbezogenheit sogar bewusst verzichtet hat.
- Damit hat der Gesetzgeber zwar hinreichend deutlich gemacht, dass er auf die Anlassbezogenheit bewusst verzichten wollte. Dies bedeutet indessen nicht, dass die Zulassung der Öffnung von Verkaufsstellen an Sonn- und Feiertagen voraussetzungslos sein muss. Die Formulierung „soll“ in dieser Vorschrift wie auch der in den übrigen Regelungen des NLöffVZG zum Ausdruck kommende Schutzzweck lassen eine sich an der Systematik der Regelung und insbesondere dem Sinn und Zweck des Gesetzes orientierende ergänzende Auslegung zu.
- Aus verfassungsrechtlichen Gründen sind zur Wahrung des hinreichenden Schutzes der Sonn- und Feiertagsruhe Ausnahmen nur dann zulässig, wenn dafür ein dem Sonn- und Feiertagsschutz gerecht werdender Sachgrund besteht (BVerwG, Urteil vom 1. Dezember 2009, Az. 1 BvR 2857, und BVerwG, Urteil vom 11. November 2015, Az. 8 CN 2.14). Danach ist der Schutz der Sonn-und Feiertagsruhe so auszugestalten, dass an diesen Tagen „grundsätzlich die Geschäftstätigkeit in Form der Erwerbsarbeit, insbesondere der Verrichtung abhängiger Arbeit, ruhen“ soll. Es soll sich „grundsätzlich um einen für alle verbindlichen Tag der Arbeitsruhe handeln“. Von dieser Regel, Sonn- und Feiertage erkennbar als Tage der Arbeitsruhe zu erheben, dürfen nur bei einem dem Sonntagsschutz gerecht werdenden Sachgrund Ausnahmen zugelassen werden. Zu diesen zur Wahrung höher- oder gleichwertiger Rechtsgüter möglichen Ausnahmen zählen nicht das Umsatzinteresse der Ladeninhaber und das alltägliche Erwerbsinteresse („Shopping-Interesse“) potenzieller Käufer.
- Soweit in den Ladenöffnungsgesetzen für eine Öffnung von Ladengeschäften an Sonn- und Feiertagen ein besonderer Anlass gefordert wird, muss dieser Anlass für den öffentlichen Charakter des Tages gegenüber der typisch werktäglichen Geschäftstätigkeit der Ladenöffnung überwiegen. Die Verkaufsstellenöffnung darf lediglich einen Annex zum Anlass bilden. Dies setzt in der Regel voraus, dass die Ladenöffnung räumlich, zeitlich und/oder auf bestimmte Handelszweige bezogen in Korrelation zum Umfang und zur Attraktivität des konkreten Anlasses steht. Die Anlassveranstaltung muss für sich genommen bereits einen Besucherstrom anziehen, der die Zahl der Besucher überwiegt, die allein wegen einer Öffnung der Verkaufsstellen kämen. Die Ladenöffnung darf daneben auch den öffentlichen Charakter des Tages nicht maßgeblich prägen. Denn nur die Tage, die durch eine kollektive Arbeitsruhe bestimmt werden, werden der Eigenständigkeit des Sonn- und Feiertagsschutzes gerecht.
Ergebnis
Für die in der Allgemeinverfügung angeführten Sonntage 2. April, 1. Oktober und 5. November 2017 ist ein jeweils hinreichender Sachgrund nicht anzunehmen. Die sonntägliche Ladenöffnung an den angegebenen Tagen stellt sich nach den Gesamtumständen nämlich nicht als bloßer Annex zur anlassgebenden Veranstaltung dar.
Im Einzelnen entschied das Gericht:
- Zielgruppen des Frühlingsmarktes sind „Familien und Kinder“. Das Programm soll in einer Ostereierbörse, in Mitmachaktionen für Kinder und in Marktständen zum Thema Frühling und Ostern bestehen. Der Frühlingsmarkt ist im Veranstaltungsprogramm der Stadt nicht aufgeführt. Es handelt sich hierbei erkennbar um ein „Begleitprogramm“, das lediglich als Alibiveranstaltung zur Ladenöffnung herangezogen werden soll.
- Das gilt in gleicher Weise für den Herbstmarkt, der als Erntedankfest am Wochenende vom 29. September bis 2. Oktober 2017 stattfinden soll. Als geplante Aktionen werden Marktstände zum Thema Herbst und Ernte, ein Freiluftgottesdienst und die Präsentation von Ernteprodukten angeführt. Auch hierbei handelt es sich erkennbar um eine Alibiveranstaltung, die nur vorgeschoben wird, um die Ladenöffnung am Sonntag zu rechtfertigen.
- Beim Tag der Ostfriesen soll nach dem Konzept die Tradition der Ostfriesen und der Niederländer im Vordergrund stehen. Geplant sind Mitmachaktionen, Verkostungen verschiedener Art und der Auftritt von Trachtengruppen. Auch insoweit fehlen jede planerische Konzeption und die Angabe konkreter Besucherzahlen.