15.04.2024

Sonntagsöffnung mit der Annahme der Sogwirkung einer Messe

Kann eine Sonntagsöffnung Bestand haben, die auf der Annahme fußt, eine Messe habe als Weltmesse mit hoher Anziehungskraft eine Sogwirkung, die diejenige der Ladenöffnung übersteigt (OVG Münster, Beschl. vom 06.03.2024, Az. 4 B 206/24.NE)?

Sonntagsöffnung mit der Annahme der Sogwirkung einer Messe

Eine Stadt in NRW gab die Öffnung von Verkaufsstellen im gesamten Stadtgebiet anlässlich der Messe „ProWein 2024“ einschließlich der Veranstaltung „ProWein goes City“ (Motto „Wein trifft Kunst, Musik oder Design“) an einem Sonntag durch eine ordnungsbehördliche Verordnung frei. Begründet wurde die Freigabe mit der Annahme, die Messe „ProWein 2024“ habe als Weltleitmesse für Wein und Spirituosen mit hoher Anziehungskraft eine die der Ladenöffnung übersteigende Sogwirkung.

Hohes Gewicht des Sonntagsschutzes

Nach den Ladenöffnungsgesetzen der Bundesländer (hier § 6 Abs. 1 Satz 1 LÖG NRW) dürfen Verkaufsstellen an jährlich höchstens acht nicht unmittelbar aufeinanderfolgenden Sonn- oder Feiertagen im öffentlichen Interesse ab 13 Uhr bis zur Dauer von fünf Stunden geöffnet sein.

Bei gebietsweiten und gegenständlich unbeschränkten Sonntagsöffnungen wie hier bedarf es besonders gewichtiger Gründe; Sachgründe von geringerem Gewicht können regelmäßig nur räumlich oder gegenständlich eng begrenzte Ladenöffnungen mit geringer prägender Wirkung für den öffentlichen Charakter des Tages rechtfertigen.

Umgekehrt kommt dem Sonntagsschutz und den durch ihn verstärkten Grundrechten aller von einer Sonntagsöffnung Betroffenen (Art. 4 Abs. 1 und 2, Art. 6 Abs. 1 und Art. 8 und 9 GG) im Verhältnis zu Erwerbsinteressen des Handels und der Kunden nach Art. 12 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG umso größeres Gewicht zu, je weitergehend die werktägliche Ladenöffnung freigegeben ist.

Prägender Charakter der Veranstaltung

Bei Ladenöffnungen anlässlich von Veranstaltungen muss gewährleistet sein, dass die Veranstaltung ‒ und nicht die Ladenöffnung ‒ das öffentliche Bild des Sonntags prägt. Die im Zusammenhang mit der Ladenöffnung stehende Veranstaltung muss selbst einen beträchtlichen Besucherstrom auslösen. Die prägende Wirkung muss dabei von der Veranstaltung selbst ausgehen. Nach den gesamten Umständen muss die damit verbundene Ladenöffnung als bloßer Annex zur anlassgebenden Veranstaltung erscheinen.

Hierzu ist eine schlüssige und nachvollziehbare Prognose zu erstellen, die Zahl der allein von der Veranstaltung selbst angezogenen Besucher werde größer sein als die Zahl derjenigen, die wegen der Ladenöffnung kommen.

Allgemeine Annahmen reichen nicht aus

Die allgemeine Feststellung, die Messe „ProWein 2024“ habe als Weltleitmesse für Wein und Spirituosen mit hoher Anziehungskraft eine die der Ladenöffnung übersteigende Sogwirkung, erfüllt diese Anforderungen nicht.

Ergebnis

Das OVG erklärte die Sonntagsöffnung wegen der fehlenden schlüssigen und nachvollziehbaren Prognose für unwirksam.

Autor*in: Uwe Schmidt (Uwe Schmidt unterrichtete Ordnungsrecht, Verwaltungsrecht und Informationstechnik.)