12.08.2019

Sonntagsöffnung in Einzelfällen auch ohne Besucherprognose zulässig

Entgegen der Auffassung des BVerwG entschied das OVG Münster gestützt auf die Neuregelung des Ladenöffnungsgesetzes NRW, eine Ladenöffnung von Verkaufsstellen an Sonntagen könne im Einzelfall auch ohne Besucherprognose zulässig sein (Urteil vom 17.07.2019, Az. 4 D 36/19.NE).

Sonntagsöffnung Besucherprognose Münster

Sonntagsöffnung zur Blaulichtmeile

Die Stadt Mönchengladbach gab einen Sonntag zur Ladenöffnung anlässlich einer „Blaulichtmeile“ frei. Zahlreiche Behörden, Organisationen, Verbände und Vereine mit Sicherheitsaufgaben beteiligten sich an der Blaulichtmeile. Eine Besucherprognose, wie in der gefestigten Rechtsprechung des BVerwG gefordert, erstellte die Stadt nicht.

Im Klageverfahren musste sich das OVG Münster der Frage stellen, ob die Stadt eine Besucherprognose hätte erstellen müssen oder ob diese entbehrlich ist.

Hätte die Stadt eine Besucherprognose erstellen müssen?

Einer Besucherprognose bedarf es nach Ansicht des Gerichts dann nicht, wenn die Ladenöffnung im Zusammenhang mit einer örtlichen Veranstaltung steht, die einen beträchtlichen Besucherstrom anzieht, sich im Wesentlichen auf das unmittelbare Umfeld der Veranstaltung bezieht und zeitgleich mit ihr vorgesehen ist.

Das gelte erst recht, wenn sich Veranstaltung und Ladenöffnungsfreigabe räumlich im Wesentlichen auf einen begrenzten Straßeneinzugsbereich beschränkten.

Anwendung des „Entfesselungspakets I“

Dies ergebe sich aus einer neuen gesetzlichen Vermutungsregelung. Die Rechtsänderung ist im „Entfesselungspaket I“ enthalten, das das Ladenöffnungsgesetz NRW geändert hat, um den Nachweis über das Vorliegen eines Sachgrundes für die ausnahmsweise sonntägliche Ladenöffnung zu erleichtern. Verbunden mit der ausdrücklichen Klarstellung in der Gesetzesbegründung, die Kommunen sollten durch die Neuregelung insbesondere von der bisher erforderlichen Prognoseentscheidung zu den Besucherzahlen befreit werden, verbiete diese Regelung bei gegebenem räumlichem und zeitlichem Zusammenhang zwischen Veranstaltung und Ladenöffnung, weitere Voraussetzungen zu fordern.

Wie entschied das Gericht?

Nach Auffassung des OVG Münster war die Sonntagsöffnung in Mönchengladbach anlässlich der „Blaulichtmeile“ rechtmäßig.

Zweifel bleiben bestehen

Das OVG hat die Revision wegen der offensichtlichen Abweichung von der Rechtsprechung des BVerwG zugelassen. Das BVerwG wird zu entscheiden haben, ob ein Landesgesetz die Qualität hat, den grundgesetzlich verbrieften Schutz des Sonntags aufzuweichen.

Ob diese weite Auslegung vor dem BVerwG bestehen wird, ist zu bezweifeln. Denn letztlich wird die Besucherprognose, die auch das BVerfG bestätigt hat, aus dem grundgesetzlichen und hergebrachten Schutz des Sonntags abgeleitet. Entfällt die Besucherprognose, gibt es kein belastbares Kriterium, um die Sonntagsöffnungen aus einem besonderen Anlass von denen abzugrenzen, die lediglich zum Shoppen stattfinden.

Das Urteil ist abrufbar unter https://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/ovg_nrw/j2019/4_D_36_19_NE_Urteil_20190717.html

Autor*in: Uwe Schmidt (Uwe Schmidt unterrichtete Ordnungsrecht, Verwaltungsrecht und Informationstechnik.)