Sondernutzungsgebühren für ein Baugerüst?
Das OVG Berlin-Brandenburg (Beschl. vom 15.02.2023, Az. OVG 1 N 58/21) äußerte sich zu der Frage, in welchen Fällen das Aufstellen eines Baugerüsts eine gebührenpflichtige Sondernutzung darstellt.
Aufstellen eines Baugerüsts für Renovierungsarbeiten
Der Eigentümer eines Wohnhauses ließ Renovierungsarbeiten an der vorderen Fassade seines Hauses durchführen. Zu diesem Zweck wurde auf der gesamten Länge der Hausfront links und rechts von der Eingangstreppe ein Gerüst mit einer Länge von 16,5 Metern und einer Breite von 0,8 Metern auf öffentlichem Grund aufgestellt. Das Gerüst ragte nicht in den parallel zu dem Haus verlaufenden bepflasterten Gehweg.
Die Gemeinde verlangte von dem Hauseigentümer Sondernutzungsgebühren. Gegen den Bescheid klagte der Betroffene. Das VG Potsdam hob den Gebührenbescheid auf. Gegen diese Entscheidung legte die Gemeinde Berufung vor dem OVG Berlin-Brandenburg ein.
Gebühren nur für Sondernutzungen
Nach den Straßengesetzen der Bundesländer können für Sondernutzungen Gebühren erhoben werden (hier: § 21 Abs. 1 Satz 1 BbgStrG). Sondernutzung liegt vor, soweit die Straße über den Gemeingebrauch hinaus genutzt wird (hier: § 18 Abs. 1 Satz 1 BbgStrG). Der Gebrauch der öffentlichen Straße ist jedermann im Rahmen der Widmung und der Straßenverkehrsvorschriften innerhalb der verkehrsüblichen Grenzen gestattet (Gemeingebrauch, hier: § 14 Abs. 1 BbgStrG).
Keine Sondernutzung und Gebühren bei Anliegergebrauch
Eigentümer und Besitzer von Grundstücken an einer öffentlichen Straße (Straßenanlieger) dürfen die an die Grundstücke angrenzenden Straßenteile über den Gemeingebrauch hinaus auch für ihre Zwecke benutzen, soweit dies erforderlich ist und den Gemeingebrauch nicht dauernd ausschließt oder erheblich beeinträchtigt sowie die Nutzung nicht in den Straßenkörper eingreift (hier: § 14 Abs. 1 BbgStrG). Der Anliegergebrauch besteht nur im angemessenen Rahmen.
Wo liegen die Grenzen zwischen Sondernutzung und Anliegergebrauch …
Welche Maßnahme noch als zulässiger Anliegergebrauch und welche bereits als Sondernutzung zu betrachten ist, kann nicht abstrakt beurteilt werden. Hierbei sind die zeitliche und räumliche Intensität der Inanspruchnahme des Straßenraums, die konkrete örtliche Situation der Straße und des Anliegergrundstücks sowie die Grenzen der Gemeinverträglichkeit und der Verkehrsüblichkeit zu bewerten.
… bei Aufstellen eines Baugerüsts?
Zu berücksichtigen ist, ob das Baugerüst allein dem vom Anlieger zulässigerweise verfolgten Zweck, z.B. Instandsetzung eines Gebäudes, oder auch weiteren Zwecken, z.B. als Träger von Werbeplakaten, dient.
Konkret auf den Fall bezogen führte das OVG aus:
- Das Aufstellen des Baugerüsts im Zuge der Renovierung erfolgte für Zwecke des Grundstücks, weil es zu dessen Erhaltung und Verbesserung bestimmt war.
- Diese Benutzung war auch erforderlich. Denn die Sanierung des Außenputzes dient unmittelbar dem Erhalt des baulichen Zustands eines Gebäudes.
- Das Aufstellen des Gerüsts führte auch nicht zum Ausschluss oder Beeinträchtigen des Gemeingebrauchs. Der Fußgängerweg war in vollem Umfang begehbar und die Nutzung wurde auf das unumgängliche Maß begrenzt.
- Schließlich lag auch kein Substanzeingriff in den Straßenkörper vor.
Folge: Das Aufstellen des Gerüsts diente dem Anliegergebrauch.
Ergebnis
Soweit die Sondernutzungsgebührensatzung der Gemeinde das Aufstellen von Gerüsten grundsätzlich zu den gebührenpflichtigen Sondernutzungen zählt, ist diese Regelung jedenfalls nicht für solche Gerüste anwendbar, die – wie vorliegenden Fall – vom Anliegergebrauch umfasst werden.
Das Gericht hob daher den Bescheid über die Festsetzung von Sondernutzungsgebühren auf.