Sondernutzungserlaubnis nur bei kostenloser Gästetoilette?
Eine Stadt in Baden-Württemberg wollte mit einer Änderung ihrer Sondernutzungssatzung den Mangel an öffentlich zugänglichen Toiletten im Bereich der Innenstadt ausgleichen. Die Satzungsänderung wurde vom VGH Mannheim (Beschl. vom 29.03.2017, Az. 5 S 533/17) auf ihre Vereinbarkeit mit dem Straßenrecht geprüft.
Eine Stadt in Baden-Württemberg hatte im September 2016 eine neue Sondernutzungssatzung erlassen. Nach dieser Satzung darf eine Sondernutzungserlaubnis für die Außenbewirtschaftung auf öffentlichen Verkehrsflächen mit Sitzgelegenheiten nur erteilt werden, wenn eine kostenlose Gästetoilette nachgewiesen wird. Erklärtes Ziel der Satzungsänderung war es, einen Mangel an öffentlich zugänglichen Toiletten auszugleichen.
Der Inhaber eines Ladengeschäfts, der bisher Kaffee zum sofortigen Verzehr verkaufte, beantragte nach der Satzungsänderung eine Sondernutzungserlaubnis zum Aufstellen von sechs Tischen und 24 Stühlen im öffentlichen Verkehrsraum. Die Stadt lehnte den Antrag wegen der fehlenden Gästetoilette unter Hinweis auf die neue Satzungsbestimmung ab. Der Gewerbetreibende klagte vor dem VGH Mannheim.
Entscheidungsgründe
- Die Änderung der Sondernutzungssatzung findet nach bisherigem Erkenntnisstand keine Rechtsgrundlage in der Gemeindeordnung und dem Straßengesetz des Landes.
- Die Satzungsgebung stellt materielle Verwaltungstätigkeit dar. Deshalb kann eine Satzung nicht höhere Voraussetzungen für die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis aufstellen, als dies in einer verwaltungsbehördlichen Einzelentscheidung möglich wäre. Somit darf eine Kommune zwar im Rahmen ihrer allgemeinen Satzungsermächtigung das ihr im Straßengesetz eröffnete Ermessen in einer Satzung regeln und so einer gleichmäßigen Ausübung zuführen. Die Satzung muss aber im gleichen Maße wie in einer behördlichen Einzelentscheidung die durch das Gesetz gezogenen Grenzen bei der Ausübung des Ermessens beachten.
- Entsprechend dem Zweck der straßenrechtlichen Ermächtigung sind in erster Linie nur spezifisch straßenrechtliche Erwägungen im Hinblick auf die mit der beabsichtigten Sondernutzung verbundene Beeinträchtigung des widmungsgemäßen Gemeingebrauchs zulässig. Andere Erwägungen halten sich nur dann im Rahmen der Ermächtigung, wenn sie (noch) einen sachlichen Bezug zur Straße haben. Dies gilt beispielsweise für städtebauliche oder baugestalterische Aspekte (Schutz eines bestimmten Straßen- oder Platzbildes), die auf einem konkreten gemeindlichen Gestaltungskonzept beruhen.
- Darf eine Sondernutzungserlaubnis nur unter der Voraussetzung des Vorhandenseins einer Gästetoilette erteilt werden, dient dies nicht dazu, straßenbezogenen Belangen, insbesondere der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs oder etwa der Vermeidung von Verunreinigungen der Straße, Rechnung zu tragen.
- Ziel der Kommune ist es, einen Mangel an öffentlich zugänglichen Toiletten auszugleichen und hierfür die Gewerbetreibenden in der Innenstadt in die Verantwortung zu nehmen. Dieses Ziel entspricht nicht dem Zweck der straßenrechtlichen Ermächtigung.
- An diesem Ergebnis ändert sich auch nichts, wenn die Stadt im Zuge der neuerlichen Beschlussfassung über die Sondernutzungssatzung nunmehr (auch) das Ziel verfolgt, der zunehmenden „Möblierung des öffentlichen Raumes“ entgegenzuwirken.
Ergebnis
Das Anknüpfen einer Sondernutzungserlaubnis an das Vorhandensein einer kostenlosen Kundentoilette lässt als Auswahlkriterium für die Erlaubnis den erforderlichen Bezug zur Straße vermissen. Denn auch im Rahmen des „Verteilungsermessens“, dessen Ausübung in der Satzung antizipiert wird, dürfen nicht solche Belange herangezogen werden, die überhaupt keinen Bezug zum Bestand und zur Nutzung der Straße haben, also keine straßenbezogenen Belange mehr darstellen.
Im Hauptsacheverfahren wird sich die angegriffene Satzungsbestimmung daher voraussichtlich als nichtig erweisen.