14.11.2024

Sicherstellen von Waffen nach missbräuchlicher Verwendung?

Ein Anhänger der Reichsbürgerbewegung geriet ins Visier der Waffenbehörde. Diese ersuchte den VGH Mannheim (Beschl. vom 22.02.2024, Az. VGH 6 S 221/24) um eine Durchsuchungsanordnung vor dem Erlass eines Widerrufsbescheids.

Durchsuchungsanordnung nach mehreren Verstößen gegen das WaffG

Der Inhaber eines Waffenscheins, nachgewiesen zugehörig zur Reichsbürgerszene, hatte mehrere registrierte und auch nicht registrierte Waffen in seinem Besitz. Die Waffenbehörde ermittelte mehrere Verstöße gegen das Waffengesetz und beantragte deswegen den Erlass einer Durchsuchungsanordnung zur Vollstreckung der dem Betroffenen noch nicht bekannt gegebenen Verfügung sowie die sofortige Sicherstellung bestimmter waffenrechtlicher Erlaubnisse. Neben dem Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse wurde auch ein Waffenbesitzverbot angeordnet und für sofort vollziehbar erklärt. Begründet wurde dies mit der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit des Betroffenen.

Wurden Waffen oder Munition …

Gemäß § 46 Abs. 4 Satz 1 WaffG kann die Waffenbehörde Erlaubnisurkunden sowie die in den § 46 Abs. 2 und Abs. 3 WaffG bezeichneten Waffen oder Munition – darunter auch Waffen oder Munition, die aufgrund einer widerrufenen Erlaubnis erworben oder besessen wurden – sofort sicherstellen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie missbräuchlich verwendet oder von einem Nichtberechtigten erworben werden sollen, legte der VGH die Messlatte an.

… „missbräuchlich verwendet“?

Unter einer „missbräuchlichen Verwendung“ ist gemäß § 46 Abs. Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 WaffG jedes Gebrauchen zu verstehen, das von der Rechtsordnung nicht gedeckt ist. An den Grad der Wahrscheinlichkeit, ob ein befürchteter Schaden eintreten wird, sind keine hohen Anforderungen zu stellen, weil der von einer missbräuchlichen Schusswaffenverwendung drohende Schaden erfahrungsgemäß sehr groß und folgenschwer sein kann.

Dann subsumierte das Gericht: Die Verstöße gegen das Waffengesetz, auf die der Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse sowie das Waffenbesitzverbot gestützt sind, geben Anlass zu der Annahme, dass die Waffen oder Munition missbräuchlich verwendet werden sollen.

Treffen einer Prognoseentscheidung

Über die waffenrechtliche Zuverlässigkeit ist anhand einer Prognose des künftigen Verhaltens zu entscheiden, an die aber keine überhöhten Anforderungen gestellt werden dürfen. Es können nur solche Personen als zuverlässig gelten, bei denen die tatsächlichen Umstände keinen vernünftigen Zweifel zulassen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen.

Je gewichtiger das gefährdete Rechtsgut ist und je weitreichender es durch die jeweiligen Handlungen beeinträchtigt würde, desto geringere Anforderungen dürfen an den Grad der Wahrscheinlichkeit gestellt werden, mit der auf eine drohende Verletzung geschlossen werden kann.

Mit dieser Feststellung fielen die Entscheidungen wie Dominosteine:

  • Die Unzuverlässigkeit des Betroffenen i.S. von § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a WaffG folgt aus einer Gesamtschau seines waffenrechtlich relevanten Verhaltens und der dokumentierten waffenrechtlichen Verstöße.
  • Die Sicherstellungsverfügung der Waffenbehörde erweist sich somit als voraussichtlich rechtmäßig.
  • Die Tatbestandsvoraussetzungen für eine sofortige Sicherstellung liegen vor.

Ergebnis

Unter einer „missbräuchlichen Verwendung“ von Waffen und Munition ist jedes Gebrauchmachen zu verstehen, das von der Rechtsordnung nicht gedeckt ist. Insoweit sind an den zugrunde zu legenden Grad der Wahrscheinlichkeit, ob ein befürchteter Schaden eintreten wird, keine hohen Anforderungen zu stellen, weil der durch eine missbräuchliche Verwendung drohende Schaden erfahrungsgemäß sehr groß und folgenschwer sein kann.

Die sofortige Sicherstellung erweist sich als verhältnismäßig, weil der Adressat aufgrund einer bestehenden Missbrauchsgefahr gerade nicht vorab von der Sicherstellungsmaßnahme Kenntnis erlangen soll. Das Gericht gab dem Antrag der Waffenbehörde statt.

Autor*in: Uwe Schmidt (Uwe Schmidt unterrichtete Ordnungsrecht, Verwaltungsrecht und Informationstechnik.)