15.12.2017

Schrittgeschwindigkeit im verkehrsberuhigten Bereich

Schrittgeschwindigkeit im Sinne von § 42 Abs. 2 StVO i. V. m. Nr. 12 der dazu erlassenen Anlage 3 ist eine solche von höchstens 10 km/h (OLG Naumburg, Beschluss vom 21.03.2017, Az. 2 Ws 45/17).

Schrittgeschwindigkeit verkehrsberuhigter Bereich

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der durch Verkehrszeichen angeordneten Höchstgeschwindigkeit zur Geldbuße von 150 € verurteilt.

Der Betroffene führte einen Pkw mit einer Geschwindigkeit von mindestens 42 km/h. Die Straße ist ein verkehrsberuhigter Bereich; durch Zeichen 325.1 ist angeordnet, dass Fahrzeugführer nur mit Schrittgeschwindigkeit fahren dürfen. Infolge des Straßenzustands hielt das Amtsgericht eine Geschwindigkeit von 15 km/h als ungefährlich und geeignet, Unfälle mit Sicherheit zu vermeiden. Diese hatte der Betroffene um 27 km/h überschritten, sodass die Regelsanktion (Nr. 11.3.5 BKat) aus einer Geldbuße von 100 Euro besteht. Wegen der Voreintragung hat das Gericht diese auf 150 Euro erhöht.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, mit der die Sachrüge erhoben wird. Die Staatsanwaltschaft vertritt die Auffassung, dass eine Geschwindigkeit von 15 km/h nicht als Schrittgeschwindigkeit angesehen werden könne. Schrittgeschwindigkeit betrage höchstens 11 km/h. Diese hat der Betroffene um 31 km/h überschritten, weshalb das Gericht von einer Regelgeldbuße in Höhe von 160 Euro und von einem Regelfahrverbot von einem Monat (Nr. 11.3.6 BKat) hätte ausgehen müssen.

Das Rechtsmittel hat Erfolg.

Entscheidungsgründe

  • Der Senat teilt die Auffassung des Amtsgerichts: Schrittgeschwindigkeit sei angesichts der örtlichen Gegebenheiten hier nicht eine Geschwindigkeit von bis zu 15 km/h. Eine Geschwindigkeit von mehr als 10 km/h kann nach dem Wortsinn nicht mehr als Schrittgeschwindigkeit angesehen werden.
  • Der Begriff „Schrittgeschwindigkeit“ kann auch nicht je nach den örtlichen Gegebenheiten oder dem Grad der Gefährdung unterschiedliche Geschwindigkeiten bezeichnen. Wäre solches vom Gesetzgeber beabsichtigt gewesen, hätte er nicht den Begriff „Schrittgeschwindigkeit“ gewählt, sondern etwa die „den Umständen entsprechend ungefährliche Geschwindigkeit“ angeordnet.
  • Nach der Rechtsprechung gilt teilweise eine Geschwindigkeit von 4 bis 7 km/h bzw. 10 km/h als Schrittgeschwindigkeit. Das AG Leipzig hält eine Geschwindigkeit von 15 km/h noch für Schrittgeschwindigkeit.
  • Das Gericht ist der Auffassung, dass das höchste vom OLG Hamm als Schrittgeschwindigkeit bezeichnete Tempo von 10 km/h gerade noch als solches angesehen werden kann. Wer sich noch schneller fortbewegt, geht bzw. schreitet nicht, sondern läuft. Mit dem vom AG zugrunde gelegten Tempo von 15 km/h wäre etwa ein Teilnehmer des Berlin Marathon 2016 mit einer Zeit von ca. 2 Stunden und 50 Minuten unter den besten 4 % der 35.999 Läufer, die das Ziel erreicht haben, gelandet. Eine solche Geschwindigkeit lässt sich nicht mehr als Schrittgeschwindigkeit definieren.
  • Eine Überschreitung von 10 km/h lässt sich am Autotacho feststellen, auch kann jeder Autofahrer dieses Tempo problemlos einhalten, wenn das Standgas nicht zu hoch eingestellt ist. Soweit Radfahrer bei einer Geschwindigkeit von 10 km/h unsicher werden und zu schwanken beginnen, sind sie volltrunken und müssen ihr Fahrrad deshalb schon zur Vermeidung einer Strafbarkeit nach § 316 StGB schieben.

Der Beschluss kann abgerufen werden unter: http://www.landesrecht.sachsen-anhalt.de/jportal/portal/page/bsst?doc.hl=1&doc.id=KORE406362017&showdoccase=1&doc.part=L&paramfromHL=true

Autor*in: Georg Huttner (Oberamtsrat a.D. Georg Huttner ist Autor für die Titel Ordnungsamts- und Gewerbeamtspraxis.)