30.09.2021

Schmerzensgeld wegen Corona-Quarantäne?

Sind die Schutzmaßnahmen zum Verhindern der Ausbreitung von SARS-CoV-2 und insbesondere die Pflicht zur Absonderung eine Verschwörung staatlicher und nichtstaatlicher Akteure zum Nachteil der Bevölkerung, die einen Anspruch auf Schmerzensgeld zur Folge hat? Das LG Hannover (Urteil vom 20.08.2021, Az. 8 O 1/21) musste sich dieser schwerwiegenden Anschuldigung stellen.

Scherzensgeld wegen Corona-Quarantäne?

Häusliche Absonderung nach Rückkehr aus dem Urlaub

Nach der Corona-Verordnung des Bundeslandes (hier § 5 Corona-Verordnung Niedersachsen) waren Ein- und Rückreisende aus einem anderen Mitgliedstaat der EU verpflichtet, sich unverzüglich nach der Einreise auf direktem Weg in die eigene Wohnung, an den Ort des gewöhnlichen Aufenthalts oder in eine andere geeignete Unterkunft zu begeben und sich für einen Zeitraum von 14 Tagen nach ihrer Einreise ständig dort abzusondern. Aufgrund dessen musste sich ein Ehepaar nach einem Schwedenurlaub in der eigenen Doppelhaushälfte mit Garten in zweiwöchige Quarantäne begeben. Ein PCR-Test wurde vor und nach der Rückreise nicht genutzt, da dieser, so das Ehepaar, medizinisch unsinnig sei.

Das Ehepaar verklagte das Land auf Zahlung von Schmerzensgeld, weil die zweiwöchige Corona-Quarantäne zu erheblichen Beeinträchtigungen geführt habe. Sie haben die häusliche Absonderung als Stresssituation erlebt. Es sei zu Frustration, Ängsten, Schlafproblemen, Konzentrationsstörungen, emotionaler Erschöpfung, Depression, Reizbarkeit, Existenzängsten usw. gekommen.

Anspruch bei eingetretenen immateriellen Schaden

Ein Anspruch auf Schmerzensgeld könnte sich aus §§ 80 Abs. 1, 81 Abs. 2 NPoG, § 253 Abs. 2 BGB oder aus Artikel 34 GG i.V.m. §§ 839 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB ergeben. Voraussetzung wäre, dass eine Rechtsgutsverletzung vorliegt, die zu einem erstattungsfähigen immateriellen Schaden geführt hat.

Rechtsgutsverletzung für die Lebensführung des Verletzten?

Nach der entsprechenden Rechtsprechung des BGH ist die Prüfung eines Schmerzensgeldes an der Bedeutung der konkreten Rechtsgutsverletzung für die Lebensführung des Verletzten auszurichten. Dabei ist der Umstand zu berücksichtigen, dass der Mensch vielfältigen Beeinträchtigungen seiner Befindlichkeit ausgesetzt ist und daran gewöhnt wird, sich von ihnen möglichst nicht nachhaltig beeindrucken zu lassen. Sofern diese Schwelle im konkreten Einzelfall von der erlittenen Beeinträchtigung vornehmlich wegen ihres geringen, nur vorübergehenden Einflusses auf das Allgemeinbefinden nicht überschritten wird, kann es schon an einer Grundlage für die geldliche Bewertung eines Ausgleichsbedürfnisses fehlen. Demnach gibt es Fallkonstellationen, in denen es wegen der Umstände des Einzelfalls und des Umfangs der erlittenen Beeinträchtigung nicht der Billigkeit entspricht, ein Schmerzensgeld zuzusprechen.

Dies, so das LG, ist hier der Fall und entschied

  • Ein Überschreiten der Geringfügigkeitsschwelle ergibt sich zunächst nicht bereits aus dem Umstand, dass das Ehepaar mehrere Tage in seiner persönlichen Fortbewegungsfreiheit eingeschränkt war.
  • Die von dem Ehepaar vorgetragenen Beeinträchtigungen durch die Quarantäne sind nicht geeignet, einen Schmerzensgeldanspruch unter dem Aspekt des Ausgleichsgedankens zu begründen.

Ergebnis

Dem Ehepaar steht kein Anspruch auf Schmerzensgeld wegen Corona-Quarantäne zu. Die Klage wurde abgewiesen.

 

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Autor*in: Uwe Schmidt (Uwe Schmidt unterrichtete Ordnungsrecht, Verwaltungsrecht und Informationstechnik.)