Rechtsbehelf am Vortag des Fristablaufs zur Post geben?
Der Verweis auf abgelaufene Fristen ist ein beliebtes Argument, um sich nicht mehr mit einer Angelegenheit befassen zu müssen. Das OLG Hamm erschwert es nun Behörden und Gerichten, diese Karte zu ziehen (Urteil vom 16.10.2014, Az.: 3 WS 357/14).
Ein Betroffener gab am Tag vor dem Ablauf einer Beschwerdefrist seine Beschwerde als Einschreiben bei der Post auf. Die Beschwerde ging aber erst am Tag nach dem Fristablauf beim Empfänger, einem Landgericht, ein. Dieses wies die Beschwerde als zu spät zurück. Der Betroffene legte hiergegen (diesmal aber fristgerecht) Beschwerde beim OLG Hamm ein.
Die Entscheidung
- Ausweislich der frei im Internet abrufbaren Antworten auf häufig gestellte Fragen von Kunden der Deutschen Post AG gilt für die Zustellung eines Einschreibens die Laufzeitvorgabe „E + 1“ (einen Tag nach Einlieferung).
- Da die Deutsche Post AG gegenwärtig für Einschreiben keine ausdrücklich von einfachen Postsendungen abweichende Postlaufzeit benennt, besteht keine Rechtfertigung zu einer abweichenden Beurteilung der Postlaufzeit bei dieser Übersendungsart, z.B. für besondere Kontrollen oder Formalien bei Übergaben.
Ergebnis
Mit Aufgabe seines Schriftsatzes bei der Post durfte der Beschwerdeführer darauf vertrauen, sein Schreiben werde das Landgericht noch am nächsten Tag erreichen. Die Frist wurde zwar versäumt, dies hat der Beschwerdeführer aber nicht zu vertreten. Ihm war daher, so das OLG Hamm, von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
Auswirkungen auf die Verwaltungspraxis
Grundlage der Gerichtsentscheidung sind die Vorschriften der ZPO über Fristen. Da die VwGO hinsichtlich Rechtsbehelfs- und Klagefristen auf die entsprechenden Vorschriften der ZPO verweist (siehe § 57 Abs. 2 VwGO) und auch die Normen über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in dieser Hinsicht identisch sind, sollte das Urteil auch von den Verwaltungen im Vorverfahren beachtet werden.